Kia EV4: Ist das der ID.3-Killer?

Den neue Kia EV4 könnte dem VW ID.3 gefährlich werden: Mit gutem Platzangebot, super Reichweite und extravagantem Design. Die ADAC Redaktion war mit dem Fünftürer auf Testfahrt.
Kia EV4 als kompakter 5-Türer und als Limousine
Reichweite: Bis zu 630 Kilometer
Preise ab 37.590 Euro
Was hat sich Kia wohl dabei gedacht? Gerade erst ist doch der Kia EV3 in der Kompaktklasse auf den Markt gekommen. Und jetzt stellen die Koreaner daneben noch den EV4 in die Verkaufsräume – der ist ebenfalls in der Kompaktklasse angesiedelt. Wo sind die Unterschiede?
Kia EV4: Platz und Kofferraum

Schon bei der Statur zeigt sich, dass der EV4 nicht einfach eine Variante des EV3 darstellt. So ist der EV4 acht Zentimeter flacher als der 3er, mit 4,43 Metern Länge (GT-Line 4,45 m) 13 Zentimeter länger und sein Radstand fällt größer aus. Und wo der EV3 optisch eher in die Richtung eines kleinen SUV geht, zielt der EV4 auf die klassische Kompaktklasse mit niedrigerer Karosserie und entsprechender Sitzhöhe: Im EV4 sitzt man vier Zentimeter tiefer und damit sportlicher.
Den etwas bequemeren Einstieg mag der EV3 haben, doch der EV4 ist das familientauglichere Auto. Der Kofferraum fasst zwar nicht mehr Gepäck, ist sogar etwas kleiner, der größere Radstand schafft aber Platz für die hinten Sitzenden: So viel Beinfreiheit wie im EV4 hat kein anderes Auto dieser Kategorie, nicht einmal der VW ID.3. Fairerweise muss man aber auch sagen, dass der EV4 längenmäßig zu den größten Autos der Kompaktklasse gehört und sich dadurch einen Vorteil verschafft.
Kompaktmodell und Limousine

Was umso mehr für die zweite Karosserieform des EV4 gilt: Zusätzlich zum Fünftürer mit Heckklappe gibt es ihn auch als 4-türige Stufenhecklimousine mit 4,73 Meter Länge und einem noch größeren Kofferraum (490 Liter), der aber nur über einen Kofferraumdeckel öffnet statt über eine große Heckklappe und Sperriges daher weniger gut transportieren kann.
Die klassische Limousine rollt in Korea vom Band und bedient von dort die "Kofferraum"-Märkte. Angeboten wird das Stufenheckmodell aber auch bei uns, wenn gleich er auch wegen seine gewöhnungsbedürftigen Heckdesigns weitaus weniger Anklang finden dürfte als der 5-Türer des EV4. Letzterer wird – zielgerichtet für den europäischen Markt – in der Slowakei gebaut.
E-Auto: Antrieb und Akkus

Angetrieben wird der Kia EV4 von einer E-Maschine an der Vorderachse, die 150 kW/204 PS Leistung zur Verfügung stellt. Eine Allradversion soll noch kommen. Als Energiespeicher stehen ein 58,3 und ein 81,4 kWh großer Akku zur Wahl.
Die maximal erzielbaren Reichweiten gibt Kia mit 410 Kilometern (für das Kompaktmodell mit kleinem Akku) bis 630 Kilometern (für die Limousine mit großem Akku) an. Damit ist der EV4 aktuell der Kia mit der besten Reichweite – zumindest auf dem Papier. Sollten in der Praxis noch 500 Kilometer übrig bleiben, ist aber auch das ein überaus respektabler Wert.
Die guten Reichweitenwerte sollen laut Kia von einem niedrigen Luftwiderstandsbeiwert (Cw 0,23 beim Kompaktmodell) sowie einer strömungsgünstigen Unterbodenverkleidung herrühren. Und natürlich auch davon, dass der EV4 ausnahmsweise mal kein hohes SUV ist, sondern ein niedrigeres Fahrzeug.
Fahreindruck: Flott und komfortabel

Die Fahrleistungen, die Kia für die beiden Versionen benennt, können sich mehr als sehen lassen. Unter acht Sekunden für den Sprint aus dem Stand auf 100 km/h und eine Höchstgeschwindigkeit von 170 km/h sollten nicht nur keine Wünsche offen lassen, sie tun es auch nicht.
Bei der Testfahrt konnte der Motor durch eine angenehm gleichmäßige und nachdrückliche Leistungsentfaltung überzeugen. Selbst auf bergigen Etappen reicht ein Druck auf das feinfühlig und gut dosierbare Strompedal, um sich flott und freudvoll durch Serpentinen zu schlängeln und manch schwachbrüstigen Benziner mit Leichtigkeit hinter sich zu lassen.
Noch mehr Spaß machen würde es, wäre die Lenkung nicht ganz so synthetisch und rückmeldungsfrei ausgelegt. Da hilft es auch nicht, wenn man sich für den Sport-Modus entscheidet. Die Lenkung wird dann zwar schwergängiger, die Übersetzung aber nicht direkter.
Erfreulich komfortabel fällt die Fahrwerksabstimmung aus. Obwohl der Testwagen in der GT-Line-Ausstattung mit großen 19-Zoll-Rädern ausgerüstet war (Serie sind 17 Zoll), schert den EV4 der Straßenzustand nur wenig. Er übergeht ihn einfach, zumindest so lange er nicht auf fiese Geschwindigkeitsbarrieren trifft, die man besser sanft angehen sollte. Aber das ist ja auch Sinn der Sache. Gut dazu passt, dass der EV4 sehr gut gedämmt ist. Auch bei Autobahntempo geht es ruhig zu, die große Reise kann beginnen.
Ladeleistung: Kein Rekordwert

Die Ladegeschwindigkeiten an der Stromsäule sind nicht ganz up-to-date, aber in der Fahrzeug- und Preisklasse noch okay. So lädt der Kia EV4 an der AC-Säule mit maximal 11 kW, was im Falle der großen Batterie eine Ladezeit von rund acht Stunden nach sich zieht, wenn der Akku ganz leer gesogen ist. Da die meisten Anbieter nach vier Stunden an der öffentlichen Säule eine Stand-Strafgebühr verlangen, ist das unschön. Die maximalen 22 kW einer solchen Säule auszureizen, wäre also wünschenswert, manch ein Konkurrent kann das auch.
An der DC-Schnellladesäule lässt sich mit bis zu 128 kW laden. Zum Vergleich: Der VW ID.3 kann bis zu 185 kW ziehen. Wie lang die Ladepause mit dem EV4 aber tatsächlich auf Langstrecke zu sein hat, muss die Ladekurve zeigen, die erst noch in einem ausführlichen ADAC Test ermittelt werden muss. Kia verspricht die üblichen 30 Minuten für den Hub von 10 auf 80 Prozent.
Sehr gut: Über eine Smartphone-App lässt sich eine Routenplanung vornehmen, direkt ins Auto schicken und auch gleich Ladestopps mit einplanen. Die App dient auch als "digitaler Schlüssel", über die man das Auto aufsperren und starten kann. Dabei lassen sich sogar bis zu 15 weitere Personen "berechtigen", die dann ebenfalls keinen haptischen Schlüssel mehr brauchen. Die App reicht. Das ist dann praktisch, wenn mehrere Fahrerinnen und Fahrer, etwa in einer Firma oder Familienmitglieder, das Auto nutzen dürfen.
Innen- und Kofferraum des EV4

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Die Innenraumgestaltung unterscheidet sich nicht wesentlich von anderen Kia-Modellen und ist quasi identisch mit der des EV3. Das große Touchdisplay in der Mitte des Armaturenbretts schließt sich nahtlos an das Fahrerdisplay an. Es gibt separate Tasten für die Klimabedienung und die Lautstärkereglung. Und mit den Bedientasten am Lenkrad kommt man wie gewohnt gut zurecht.
Die Armlehne ist herausziehbar und bildet so eine praktische Unterlage für Tätigkeiten während einer Ladepause. Schon beim Einsteigen fällt das großzügige Raumgefühl im Kia EV4 auf. Vorne sitzt man luftig und entspannt, mit reichlich Platz in alle Richtungen. Auch auf der Rückbank überzeugt der EV4 mit sehr guter Kopf- und Beinfreiheit. Eine kleine Einschränkung zeigt sich jedoch beim Fußraum: Die Füße lassen sich hinten nicht unter die Vordersitze schieben – hier ist die im Fahrzeugboden verbaute Batterie im Weg.
Preise und Ausstattung

Natürlich gibt es eine Schublade voller Assistenzsysteme, darunter eine neue KI-Kommunikation und ein neuer Autobahn-Assistent. Der EV4 kann zudem mit einem Head-up-Display ausgestattet werden. An Infotainment-Elementen sind Streaming-Apps (Youtube, Netflix, Disney+), Spiele und Karaoke-Plattformen verfügbar.
Musikfreaks, denen das serienmäßige Soundsystem nicht genügt, können sich ein hochwertigeres Harman/Kardon-System mit acht Lautsprechern bestellen. Externe Elektrogeräte lassen sich per Adapter mit Strom aus dem Akku versorgen (V2L). Für die Netzeinspeisung von Strom (V2G) ist der Kia EV4 technisch vorbereitet.
Das Schrägheckmodell startet als EV4 Air mit Standardbatterie (58,3 kWh) bei 37.590 Euro, die empfehlenswerte Langstreckenversion mit 81,4-kWh-Akku kostet ab 43.240 Euro. Den EV4 Fastback, also die Stufenhecklimousine, gibt es ab 41.490 Euro.
Fazit: Alles in allem ist der Kia EV4 eine – nicht nur optische – Bereicherung für das Marktsegment. Und könnte als Zwischengröße für manche Kunden genau die richtige Wahl darstellen, wenn ein durchschnittlicher Kompaktwagen zu klein ist und man ein Auto der Mittelklasse nicht braucht. Als Elektroauto mit praxistauglicher Reichweite kann er überzeugen.
Kia EV4: Technische Daten, Preis
Technische Daten (Herstellerangaben) | Kia EV4 (58,3 kWh) Air (ab 10/25) | Kia EV4 (81,4 kWh) Air (ab 10/25) | Kia EV4 Fastback (81,4 kWh) Earth (ab 10/25) |
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Motorart | Elektro | Elektro | Elektro |
Leistung maximal in kW (Systemleistung) | 150 | 150 | 150 |
Leistung maximal in PS (Systemleistung) | 204 | 204 | 204 |
Drehmoment (Systemleistung) | 283 Nm | 283 Nm | 283 Nm |
Antriebsart | Vorderrad | Vorderrad | Vorderrad |
Beschleunigung 0-100km/h | 7,4 s | 7,7 s | 7,7 s |
Höchstgeschwindigkeit | 170 km/h | 170 km/h | 170 km/h |
Reichweite WLTP (elektrisch) | 440 km | 625 km | 633 km |
CO2-Wert kombiniert (WLTP) | 0 g/km | 0 g/km | 0 g/km |
Verbrauch kombiniert (WLTP) | 14,9 kWh/100 km | 14,9 kWh/100 km | 14,4 kWh/100 km |
Batteriekapazität (Netto) in kWh | 58,3 | 81,4 | 81,4 |
Ladeleistung (kW) | AC:2,3-11,0 DC:50,0-101,0 | AC:2,3-11,0 DC:50,0-128,0 | AC:2,3-11,0 DC:50,0-128,0 |
Kofferraumvolumen normal | 435 l | 435 l | 490 l |
Kofferraumvolumen dachhoch mit umgeklappter Rücksitzbank | 1.415 l | 1.415 l | - |
Leergewicht (EU) | 1.811 kg | 1.896 kg | 1.900 kg |
Zuladung | 459 kg | 459 kg | 455 kg |
Anhängelast ungebremst | 500 kg | 750 kg | 750 kg |
Anhängelast gebremst 12% | 500 kg | 1.000 kg | 1.000 kg |
Garantie (Fahrzeug) | 7 Jahre oder 150.000 km | 7 Jahre oder 150.000 km | 7 Jahre oder 150.000 km |
Länge x Breite x Höhe | 4.430 mm x 1.860 mm x 1.485 mm | 4.430 mm x 1.860 mm x 1.485 mm | 4.730 mm x 1.860 mm x 1.480 mm |
Grundpreis | 37.590 Euro | 43.240 Euro | 47.140 Euro |
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