Fisker Ocean: Insolvenz – Traum geplatzt
Automobildesigner Henrik Fisker ist für große Würfe bekannt. Nun ist der gebürtige Däne zum zweiten Mal daran gescheitert, den Traum eines ganz eigenen Fahrzeugs zu realisieren. Wie es zu dem tragischen Abgang des Fisker Ocean kam.
Insolvenzverfahren in USA und Europa
Werkstattservice- und Ersatzteilbeschaffung fraglich
Restwerte des Fisker Ocean im freien Fall
Ein Auto zu bauen, mit dem man bequem von A nach B kommt, das war Henrik Fisker von Anfang an viel zu wenig. Er wollte immer schon mehr, viel mehr. Außergewöhnlich sollten die Autos sein, an deren Gestaltung er mitwirkte: außergewöhnlich in der Optik, der Technik und den Fahrleistungen. Und so findet sich die Handschrift des gelernten Autodesigners in Sportwagen wie dem BMW Z8, dem Aston Martin DB 9 oder dem Vantage sowie seiner ersten Eigenkreation, dem Fisker Karma, wieder. Der Karma wurde allerdings zum Flop.
Nun ist der gebürtige Däne zum zweiten Mal daran gescheitert, ein eigenes Auto auf die Räder zu stellen. Der Fisker Ocean und das weit verzweigte Firmengeflecht dahinter sind Geschichte.
Fisker-Firmen in Insolvenz
Mehrere Insolvenzverwalter in USA und Europa wickeln derzeit das vielversprechende, aber auch immens wagemutige Projekt mit dem Fisker Ocean ab. Dabei hatten der Gründer und sein Führungsteam längst weit gediehene Zukunftspläne im Köcher. Schon im Jahr 2025 hätte der Fisker Pear, ein kompaktes und deutlich preisgünstigeres Elektro-SUV (ab etwa 30.000 Euro) Kunden beglücken sollen: mit außergewöhnlichem Karossserie-Design und genauso außergewöhnlichen Technik-Details.
Das spektakuläre Elektro-Cabrio Ronin sowie der elektrische Pick-up-Truck Alaska befanden sich in der Entwicklungs-Pipeline.
Skeptiker haben es von Anfang an gewusst: Es wäre einem Wunder gleichgekommen, wenn sich das Automobil-Start-up Fisker mit diesen ausufernden Plänen nicht finanziell überhoben hätte. Es gab aber eben auch die andere Fraktion: begeisterte Kunden, die sich größtenteils blind (soll heißen ohne Probefahrt) einen Fisker Ocean bestellt hatten.
Als Jahresproduktion für 2024 waren beim Auftragsfertiger Magna in Österreich 40.000 Stück geplant. Tatsächlich gebaut wurden 10.142 Exemplare, davon verkauft worden sind 4.700 Stück. Also wissen aktuell 4.700 Kunden nicht, wie es weitergeht mit ihrem Auto.
Werkstattservice und Ersatzteilbeschaffung? Fraglich. Fahrzeug-Restwerte? Im freien Fall. Schadens-Ansprüche von enttäuschten Kunden? Juristisch ziemlich aussichtslos.
Situation für Käufer mehr als vertrackt
Die auf Lager stehenden Fahrzeuge werden nun wie Ramschware verscherbelt. Die offizielle Fisker Homepage nennt Verkaufspreise von 20.000 Euro unter Listenpreis in Deutschland. Aber wer würde sich ein Auto mit so vielen großen Fragezeichen drumherum momentan ans Bein binden wollen? Wohl niemand.
Die schlussendliche Zahlungsunfähigkeit des Herstellers Fisker ist zweifellos hausgemacht. Nicht nur, dass die Entwicklungsumfänge für vier Modelle viel zu groß angelegt waren – es gab von Anfang an Softwarefehler, Produktions- und Auslieferungsprobleme mit dem Fisker Ocean.
Spricht man mit aktuellen Besitzern eines Fisker Ocean, ist ihnen nicht unbedingt nur Verunsicherung oder gar Verzweiflung ins Gesicht geschrieben. Die meisten Käufer betonen, wie großartig sie ihren Ocean trotz allem finden. Und dass sie ihn am liebsten behalten würden, weil er ihnen so viel Spaß machen würde. Verkaufen ist ja auch keine gute Option. Die Situation ist mehr als vertrackt: für Kunden, Noch-Mitarbeiter, für Zulieferer, das Fertigungswerk in Österreich, Beschäftigte, für Gläubiger und, und, und.
Die Details des Fisker Ocean
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Der erste Eindruck, hervorgerufen durch das Karosseriedesign, war großartig. Die stämmige Statur, die dynamische Seitenlinie, die ausgewogenen Proportionen, die fein gezeichneten Rückleuchten: Den optischen Reizen des Fisker Ocean kann sich kaum jemand entziehen. Aber auch an außergewöhnlichen technischen Details hatte der Fisker Ocean eine ganze Menge zu bieten. Zum Beispiel reichlich Antriebskraft und Energiekapazität. 415 kW oder 564 PS Antriebsleistung sowie eine nominelle Reichweite von bis zu 707 Kilometern sind ausgezeichnete Werte.
Allein die Beschleunigung aus dem Stand auf Tempo 100 sprach Bände. Die sportliche Übung war in weniger als 4 Sekunden erledigt – selbst Supersportwagen sind kaum schneller. Den Spurt hat der Autor sich wie immer bei Testfahrten im öffentlichen Verkehr verkniffen. Aber das Herausbeschleunigen bergan aus einer engen Kurve, das hat er ein ums andere Mal probiert. Und ja, da kam eine Menge Fahrfreude auf.
Auf Knopfdruck: Alles offen!
Das quasi komplett von Solarzellen durchwirkte Panoramadach war die nächste Besonderheit des Fisker Ocean. Hersteller Webasto hatte es unzähligen Sicherheitstests unterzogen, damit es allen Widrigkeiten standhält. Hagelschlag zum Beispiel, aber auch einem möglichen Unfall. Die Energieausbeute – das gibt auch der Hersteller zu – kam allerdings einem Tropfen auf den heißen Stein gleich. Aber das Solardach stand zumindest für das Bekenntnis zur Nachhaltigkeit.
Ein echtes Highlight bot der Fisker Ocean mit dem sogenannten California Mode: Ein kleiner Zentralschalter am Dachhimmel sorgt dafür, dass alle Fenster plus Panoramadach sich auf einen Schlag gemeinsam öffnen – und zwar inklusive der Heckscheibe. Dann sitzen die Passagiere vorn schwer im Fahrtwind, und auch die hinten Sitzenden können sich über einen Mangel an Frischluft nicht beklagen. Wenn es sein soll, könnte man auch ein zwei Meter langes Surfbrett im Hinterstübchen transportieren, das dann ein Stück durch das Heckfenster rauslugt. Oder die geöffnete Luke einem Hund zum Schnüffeln zur Verfügung stellen.
Von Anfang an Software-Bugs
Etwas irritierend waren während der ersten Testfahrt diverse Fehlermeldungen im Fahrzeug, die laut Fisker auf Software-Bugs beruhten. Over-the-air-Updates (OTA) sollten die Probleme beheben. Das hat nach Bekundungen von Fisker-Besitzern vielfach gut geklappt. Andererseits erfolgte die Fehlerbehebung oft erst sehr spät oder dann nicht in vollem Umfang.
Inzwischen heißt es, dass in Deutschland zwei autorisierte Werkstätten sich um Kunden des Fisker Ocean kümmern würden. Und dass die so immens wichtige Software-Abteilung von Fisker erhalten würde. Aber jüngst wurde auch die Deutschland-Zentrale in München (Mieter in der "Motorworld") geschlossen. Anfragen an die Presse werden aktuell nach USA weitergeleitet. Fragen, die die ADAC Redaktion an Fisker geschickt hat, wie es für deutsche Kunden nun weitergeht, blieben bislang unbeantwortet.
Fisker Ocean: Preise, technische Daten
Technische Daten (Herstellerangaben) | Fisker Ocean Touring Range Sport (05/23 - 03/24) | Fisker Ocean Hyper Range Ultra AWD (05/23 - 03/24) | Fisker Ocean Hyper Range One AWD (05/23 - 10/23) | Fisker Ocean Hyper Range Extreme AWD (05/23 - 03/24) |
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Motorart | Elektro | Elektro | Elektro | Elektro |
Leistung maximal in kW (Systemleistung) | 205 | 400 | 415 | 415 |
Leistung maximal in PS (Systemleistung) | 275 | 540 | 564 | 564 |
Drehmoment (Systemleistung) | n.b. | n.b. | 737 Nm | 737 Nm |
Antriebsart | Vorderrad | Allrad | Allrad | Allrad |
Beschleunigung 0-100km/h | 7,4 s | 4,2 s | 3,9 s | 3,9 s |
Höchstgeschwindigkeit | 160 km/h | 200 km/h | 205 km/h | 205 km/h |
Reichweite WLTP (elektrisch) | 464 km | 690 km | 707 km | 707 km |
CO2-Wert kombiniert (WLTP) | 0 g/km | 0 g/km | 0 g/km | 0 g/km |
Batteriekapazität (Brutto) in kWh | 75,0 | 100,0 | 113,0 | 113,0 |
Batteriekapazität (Netto) in kWh | - | - | 106,0 | 106,5 |
Ladeleistung (kW) | AC:11,0 DC:200,0 | AC:11,0 DC:250,0 | AC:11,0 DC:250,0 | AC:11,0 DC:250,0 |
Leergewicht (EU) | n.b. | n.b. | 2.509 kg | 2.509 kg |
Zuladung | n.b. | n.b. | 466 kg | 466 kg |
Anhängelast ungebremst | n.b. | n.b. | n.b. | n.b. |
Anhängelast gebremst 12% | n.b. | n.b. | 1.820 kg | 1.820 kg |
Garantie (Fahrzeug) | 6 Jahre oder 100.000 km | 6 Jahre oder 100.000 km | 6 Jahre oder 100.000 km | 6 Jahre oder 100.000 km |
Länge x Breite x Höhe | 4.774 mm x 1.982 mm x 1.631 mm | 4.774 mm x 1.982 mm x 1.631 mm | 4.774 mm x 1.982 mm x 1.631 mm | 4.774 mm x 1.982 mm x 1.631 mm |
Grundpreis | 43.900 Euro | 58.900 Euro | 69.950 Euro | 63.590 Euro |
Akku-Garantie: 10 Jahre/160.000 Kilometer (75 Prozent Akku-Kapazität)
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