Testfahrt im Microlino: Die elektrische Isetta

Moderne Interpretation der legendären Isetta: Das Schweizer E-Auto Microlino
Moderne Interpretation der legendären Isetta: Das Schweizer E-Auto Microlino© ADAC/Wolfgang Rudschies

Wer hier einsteigt, begibt sich auf eine Zeitreise mit Grinse-Garantie: Als elektrische Neuinterpretation der revolutionären BMW Isetta wird der Microlino zum Smart der Generation Elektromobilität. Erste Testfahrt, Daten, Reichweite, Preise.

  • Schweizer Stadt-Floh ist ab 14.990 Euro konfigurierbar

  • Nur 13 kW Leistung, aber 230 Kilometer Reichweite

  • Erste Auslieferungen nach Deutschland ab Anfang 2023

Zu groß, zu teuer, zu aufwendig: Für Merlin Ouboter ist es kein Wunder, dass sich Elektroautos bei der Käuferakzeptanz noch so schwertun. Daher hat der Schweizer ein radikal reduziertes Konzept entwickelt – und dafür ein altes Rezept neu aufgewärmt. Denn was da derzeit als Prototyp des Microlino rund um den Zürich See stromert, erinnert nicht von ungefähr an die legendäre Isetta, mit der BMW die individuelle Mobilität in den 1950er-Jahren schon einmal erschwinglich gemacht hat.

Microlino ab 14.990 Euro erhältlich

Merlin Ouboter (links) mit ADAC Redakteur Wolfgang Rudschies © ADAC/Wolfgang Rudschies

In der Entwicklungsphase hat das Projekt mehrfach die Partner gewechselt bzw. wechseln müssen. Das ganze Wirrwarr hat ungewollt einen Klon des Microlino hervorgebracht, der zunächst unter dem Namen Artega Karo verkauft werden sollte, aber wohl im Laufe des Jahres 2023 als Evetta von der Firma Electric Brands unters Volk gebracht werden dürfte.

Um der missliebigen Konkurrenz eine Nase voraus zu haben, wurde der Microlino noch einmal komplett umgekrempelt und bei der Crashstruktur verbessert. Zu diesem Zweck erhielt der Microlino eine neue selbsttragende Karosserie, und die Plastikkarosse wurde gegen Blech getauscht.

Um die Finanzierung des Projektes macht sich Merlin Ouboter keine Sorgen: "Wir brauchen kein Fremdkapital, wir finanzieren alles selbst." Der Topf, wo das Geld drin ist, wird aus dem weltweiten Geschäft mit den Micro-Scootern gespeist, die Vater Wim gegründet und zum Erfolg geführt hat.

Der Einstiegspreis für einen Microlino wird aktuell mit knapp 15.000 Euro aufgerufen. Ein Sonderangebot ist das nicht für das Zwergenwägelchen. Und im Gegensatz zu einigen anderen europäischen Ländern gibt es in Deutschland keinerlei staatliches Fördergeld für die Anschaffung von Elektro-Kleinfahrzeugen, wie Merlin Ouboter beklagt.

Barockes Elektroauto mit moderner Technik

Zweifarblackierung und Klappdach machen das Wägelchen sympathisch © ADAC/Wolfgang Rudschies

Der Microlino ist auf den ersten Blick als Isetta-Enkel zu erkennen. Daran ändern auch die wie Fühler an die Flanke geschraubten Scheinwerfer mit LED-Technik nichts. Wirklich gewachsen ist die elektrische Neuinterpretation der barocken BMW-Knutschkugel auch nicht: 2,50 Meter lang ist der Microlino und 1,50 Meter breit – die Räder sind mit 13 Zoll eher Rädchen.

Wie früher die Isetta ist auch der Microlino vorne breiter als hinten. Und wie damals in den 1950er-Jahren ist die einzige Tür vorne an der Karosserie angeschlagen. Wer durch sie einsteigt und um die feststehende Lenksäule auf die durchgehende Sitzbank klettert, macht allerdings einen Zeitsprung – und landet im Hier und Jetzt: Über dem Lenkrad thront ein kleiner Bildschirm, bedient wird die Isetta 2.0 über einen Bonsai-Touchscreen am Dashboard – und natürlich fährt die moderne Auflage der Isetta rein elektrisch.

Microlino: 17 PS und bis zu 230 km Reichweite

Digitalanzeigen mit Akkufüllstand in Prozent © ADAC/Wolfgang Rudschies

Das Akku-Paket, das in drei verschiedenen Größen erhältlich ist, verbirgt sich im Boden des Fahrzeugs, quasi unter der Sitzbank. Die größte Batterie hat eine maximale Kapazität von 14 kWh und lässt sich mit 2,6 kW in vier Stunden zu Hause an der Steckdose oder mit einem Typ-2-Stecker an öffentlichen Ladesäulen aufladen. Voll geladen soll das eine Reichweite von bis zu 230 Kilometern ergeben.

Angetrieben wird das Schweizer E-Auto von einem im Heck montierten Elektromotor mit 13 kW (17 PS), der maximal 90 km/h ermöglicht. Mehr ist auch nicht erlaubt in der Kategorie L7E, für die der Microlino konstruiert ist. Weil die Zulassung aber zugleich das Gewicht auf 450 Kilo limitiert, hat der Heckmotor mit dem Zweisitzer keine Mühe, sprintet in 5 Sekunden auf Tempo 50 und schießt mit jedem kräftigen Stromstoß durch die Stadt, als hätte er doch noch ein paar BMW-Gene. Das laute Pfeifgeräusch des Getriebes wollen die Macher des Elektro-Winzlings noch wegkonstruieren lassen, so Merlin Ouboter.

Natürlich ist der Microlino weder Raumwunder noch Rennwagen, aber beides will er auch gar nicht sein. Er ist gemacht für die urbane Mobilität, traut sich nur ausnahmsweise mal aufs Land und fühlt sich auf der Autobahn ziemlich verloren. Doch für die Stadt ist er perfekt: Der Microlino ist handlich, wieselflink und findet überall einen Parkplatz – zur Not eben quer.

Airbags oder ESP sucht man vergeblich

Das manuelle Schiebedach erzeugt ein wenig Cabrio-Feeling © ADAC/Wolfgang Rudschies

Nur bei der Ausstattung des Microlino muss man einige Abstriche machen: Zwar rühmt Ouboter die Sicherheitszelle des zweiten Entwurfs als deutlich stabiler gegenüber dem bisherigen Gitterohrrahmen, doch Airbags oder ESP sind bei diesem Preis nicht drin. Und in der gewählten Fahrzeug-Kategorie auch nicht vorgeschrieben, selbst wenn Ouboter diese für das erste Update des Microlino in einigen Jahren ankündigt.

Stattdessen gibt es schon heute schmuckes Veloursleder ringsum und eine kräftige Lüftung. Stufen im Gebläse oder gar eine Temperatureinstellung gibt es indes nicht. Entweder es bläst mit voller Heizleistung oder gar nicht. Auch eine Sitzheizung bringt die Serienversion zumindest bis auf Weiteres nicht mit. Dafür verströmt das – je nach Version inkludierte – Schiebedach ein bisschen Cabrio-Feeling in der Sommerzeit.

Bezahlbarer Zweit- oder Drittwagen für die Stadt

Putzig: Die Schweinwerfer fungieren gleichzeitig auch als Außenspiegel © ADAC/Wolfgang Rudschies

Das Konzept der minimalistischen Mobilität für große Metropolen kennt man so ähnlich vom Opel Rocks-e und irgendwie auch vom Smart. Doch die Schweizer haben die Aufgabe mit ihrem Auto schlauer gelöst. Denn während die Rüsselsheimer mit ihrer Beschränkung auf 45 km/h beim Fahrer eher für Frust sorgen als für Freude und der knuffige Kunststoffwürfel in der Stadt mehr Hindernis ist als Hingucker, schwimmt der Microlino mit seinen bis zu 90 km/h locker im Verkehr mit.

Und wo der Smart für einen Kleinstwagen viel zu teuer ist und deshalb ohne große Chance mit echten Kleinwagen konkurrieren muss, bewahren die Schweizer Bodenhaftung und positionieren den Microlino als bezahlbaren Zweit- oder besser Drittwagen. Und als solcher passt er mit seinem charmanten Design in der Garage selbst neben einen Porsche oder einen Mercedes, ohne dass man sich dafür schämen müsste.

Microlino: Technische Daten, Reichweiten, Preise

Technische Daten (Herstellerangaben)

Micro Microlino (6 kWh) Urban (ab 04/23)

Micro Microlino (10,5 kWh) Pioneer Series (ab 12/22)

Micro Microlino (14 kWh) Dolce (ab 01/23)

Motorart

Elektro
Elektro
Elektro

Leistung maximal in kW (Systemleistung)

13
13
13

Leistung maximal in PS (Systemleistung)

17
17
17

Drehmoment (Systemleistung)

89 Nm
89 Nm
89 Nm

Antriebsart

Hinterrad
Hinterrad
Hinterrad

Höchstgeschwindigkeit

90 km/h
90 km/h
90 km/h

Reichweite WLTP (elektrisch)

91 km
177 km
230 km

CO2-Wert kombiniert (WLTP)

0 g/km
0 g/km
0 g/km

Batteriekapazität (Brutto) in kWh

6,0
10,5
14,0

Ladeleistung (kW)

AC:1,4
AC:2,6
AC:2,6

Kofferraumvolumen normal

230 l
230 l
230 l

Leergewicht (EU)

496 kg
513 kg
n.b.

Zuladung

n.b.
n.b.
n.b.

Länge x Breite x Höhe

2.519 mm x 1.473 mm x 1.501 mm
2.519 mm x 1.473 mm x 1.501 mm
2.519 mm x 1.473 mm x 1.501 mm

Grundpreis

14.990 Euro
20.990 Euro
19.890 Euro

Text: Thomas Geiger, Wolfgang Rudschies

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