Testfahrt im Microlino: Die elektrische Isetta

Der Microlino stehend von vorne
Moderne Interpretation der legendären Isetta: Das Schweizer E-Auto Microlino© ADAC/Wolfgang Rudschies

Wer hier einsteigt, begibt sich auf eine Zeitreise mit Grinse-Garantie: Als elektrische Neuinterpretation der revolutionären BMW Isetta wird der Microlino zum Smart der Generation Elektromobilität. Testfahrt, Daten, Reichweite, Preise.

  • Schweizer Stadt-Floh ist ab 17.990 Euro zu haben

  • Drei Akku-Größen erhältlich

  • Reichweiten zwischen 93 und 228 Kilometer

  • Zwei Versionen: Bis 45 und bis 90 km/h

Man könnte meinen, man hätte es mit einem Familienunternehmen zu tun: Die Köpfe hinter dem Microlino heißen Wim, Oliver und Merlin Ouboter – ein geschäftlich umtriebiger Vater mit seinen zwei Söhnen. Aber man darf die Firma, die die drei auf die Beine gestellt haben, nicht unterschätzen. Bei der Micro Mobility Systems AG handelt es sich um ein namhaftes in der Schweiz registriertes Unternehmen, das Millionenumsätze erwirtschaftet.

Zum Produktportfolio gehören auch Micro-Roller in vielen Farben und unterschiedlichen Ausführungen für Kids sowie E-Scooter – das sind kleine Trittbrettroller mit Elektroantrieb, wie sie überall in Großstädten zum Leihen angeboten werden. Dazu allerlei Accessoires für den mobilen Menschen wie Helme, Taschen und einiges mehr.

Das größte kleine Produkt der Micro Mobility AG ist jedoch der Microlino: ein Fahrzeug wie die legendäre Isetta, mit der BMW die individuelle Mobilität in den 1950er-Jahren erschwinglich gemacht hat. Ein vierrädriger, 2,52 Meter kurzer Kabinenroller mit einer Sitzbank für zwei Personen inklusive Fahrer und einem genauso minimalistischen Elektroantrieb. Ein putzig anzuschauendes Retromobil, dessen Inneres man durch eine vordere Klapptür erobert.

Microlino Lite ab 17.990 Euro erhältlich

Der ADC Redakteur Wolfgang Rudschies im Microlino
Merlin Ouboter (links) mit ADAC Redakteur Wolfgang Rudschies© ADAC/Wolfgang Rudschies

In der Entwicklungsphase hat das Projekt mehrfach die Partner gewechselt bzw. wechseln müssen. Der ganze Wirrwarr hat ungewollt einen Klon des Microlino hervorgebracht, der zunächst unter dem Namen Artega Karo verkauft werden und dann als Evetta von der Firma Electric Brands unters Volk gebracht werden sollte. Schnee von gestern: Inzwischen ist das hessische Unternehmen nicht mehr am Markt.

Um der missliebigen Konkurrenz eine Nase voraus zu haben, wurde der Microlino auf den letzten Metern der Entwicklung komplett umgekrempelt und bei der Crashstruktur verbessert. Zu diesem Zweck erhielt die kleine Knutschkugel eine neue selbsttragende Karosserie, die Plastikbeplankung wurde gegen Blech getauscht. Gebaut wird das Wägelchen bei einem kleinen Auftragsfertiger in Italien.

Schade, dass für das Zwergauto eine Menge Geld auf den Tisch geblättert werden muss. Aktuell wird der Microlino nämlich zum Basispreis von 17.990 Euro (Version Lite) angeboten. Wer mit dessen Höchstgeschwindigkeit von 45 km/h nicht zufrieden ist, muss mindestens 19.490 Euro für die 90-km/h-Variante mit dem kleinsten von drei Akkus ausgeben, die größeren Batterie-Packs kosten 2000 beziehungsweise 3000 Euro mehr, im teuersten Fall kostet der Winzling also 22.490 Euro.

Das ist kein Sonderangebot: Den sehr erwachsenen ë-C3 von Citroën bekommt der Kunde ab 23.300 Euro. Und den mit dem Microlino vergleichbaren Silence Nanocar, den Nissan in Deutschland vertreibt, gibt es schon ab 11.995 (45 km/h) und ab 13.995 Euro (70 km/h).

Die Energiespeicher des Microlino haben eine Kapazität von 5,5, 10,5 oder 15 kWh. Das bedeutet laut Hersteller Reichweiten von 93, 177 oder 228 Kilometern.

Barockes Elektroauto mit moderner Technik

Der Microlino stehend von hinten
Zweifarblackierung und Schiebedach machen das Wägelchen sympathisch© ADAC/Wolfgang Rudschies

Als Isetta-Nachfahre ist der Microlino auf den ersten Blick zu erkennen. Daran ändern auch die wie Fühler an die Flanke geschraubten Scheinwerfer mit LED-Technik nichts. Wirklich gewachsen ist die elektrische Neuinterpretation der barocken BMW-Knutschkugel auch nicht: 2,52 Meter lang ist der Microlino und 1,47 Meter breit – die Räder sind mit 13 Zoll eher Rädchen. Wie früher die Isetta ist auch der Microlino vorn breiter als hinten. Und wie damals in den 1950er-Jahren ist die einzige Tür vorn an der Karosserie angeschlagen.

Wer durch sie einsteigt und um die feststehende Lenksäule auf die durchgehende Sitzbank klettert, macht allerdings einen Zeitsprung – und landet im Hier und Jetzt: Über dem Lenkrad thront ein kleiner Bildschirm, bedient wird die Isetta 2.0 über einen Touchscreen am Dashboard – und natürlich fährt die moderne Auflage der Isetta rein elektrisch.

Microlino: E-Antrieb mit 17 PS

Der Bordcomputer des Microlino
Digitalanzeigen mit Akkufüllstand in Prozent© ADAC/Wolfgang Rudschies

Das Akku-Paket verbirgt sich im Boden des Fahrzeugs, quasi unter der Sitzbank. Die im Testwagen verbaute Batterie mit 10,5 kWh Kapazität lässt sich mit maximal 2,2 kW in rund vier Stunden zu 80 Prozent aufladen, heißt es im Konfigurator.

Angetrieben wird das Retromobil von einem im Heck montierten Elektromotor mit 12,4 kW/17 PS, der maximal 90 km/h ermöglicht. Mehr ist auch nicht erlaubt in der Kategorie L7E, für die der Microlino konstruiert ist. Weil die Zulassung aber zugleich das Gewicht auf 750 Kilo limitiert, hat der Heckmotor mit dem Zweisitzer keine Mühe, sprintet in fünf Sekunden auf Tempo 50 und kann gut im Stadtverkehr mitschwimmen.

Sportliche Einlagen, wie sie etwa beim Fiat 500e möglich sind, hat der Microlino nicht zu bieten, nicht mal, wenn man den Turboknopf drückt. Schließlich ist der Kleine gemacht für die urbane Mobilität, traut sich nur ausnahmsweise mal aufs Land und fühlt sich auf der Autobahn ziemlich verloren.

Doch für die Stadt ist er perfekt: Der Microlino ist handlich, flink und findet überall einen Parkplatz – zur Not eben quer. Bei höherem Tempo wird er ganz schön laut. Und ein wenig hoppelig. Angesichts der L7e-Auslegung und des engen Gewichtskorsetts ist ein feinfühliges Fahrwerk mit aufwendig konstruierten Mehrlenker-Achsen oder eine große Menge Dämmmaterial natürlich illusorisch.

Weder Airbags noch ESP

Das Dach des Microlino
Das manuelle Schiebedach erzeugt ein wenig Cabrio-Feeling© ADAC/Wolfgang Rudschies

Auch bei der Ausstattung des Microlino muss man einige Abstriche machen: Zwar rühmt Ouboter die Sicherheitszelle des zweiten Entwurfs als deutlich stabiler gegenüber dem bisherigen Gitterohrrahmen, doch Airbags oder ESP sind bei diesem Preis nicht drin. Und in dieser Fahrzeugkategorie (Leichtfahrzeug L7e) auch nicht vorgeschrieben. Die Sicherheit lässt sich also nicht mit der eines "richtigen" Pkw vergleichen, Euro-NCAP-Crashtests nach Pkw-Maßstäben müssen sich solche Fahrzeuge nicht unterziehen.

Stufen im Gebläse oder gar eine Klimaanlage mit Temperatureinstellung gibt es ebenfalls nicht. Entweder es bläst mit voller Heizleistung oder gar nicht. Auch eine Sitzheizung bringt die Serienversion zumindest bis auf Weiteres nicht mit. Dafür verströmt das – je nach Version inkludierte – Schiebedach ein bisschen Cabrio-Feeling in der Sommerzeit.

Zweit- oder Drittwagen für die Stadt

Der Microlino stehend frontal von vorne
Putzig: Die Schweinwerfer fungieren gleichzeitig auch als Außenspiegel © ADAC/Wolfgang Rudschies

Das Konzept der minimalistischen Mobilität für große Metropolen kennt man vom Opel Rocks-e und seinen Technikbrüdern bei Citroën und Fiat. Doch die Schweizer haben die Aufgabe mit ihrem Auto schlauer gelöst. Denn während die Rüsselsheimer mit ihrer Beschränkung auf 45 km/h beim Fahrer eher für Frust sorgen als für Freude und der knuffige Kunststoffwürfel in der Stadt mehr Hindernis ist als Hingucker, schwimmt der Microlino in der Version L7e mit bis zu 90 km/h auch im Verkehr auf der Landstraße mit.

Insofern mag der Microlino für Design-Liebhaber (mit gut gefülltem Bankkonto) infrage kommen. Möglicherweise auch als Zweit- oder Drittwagen.

Verkauf und Service in Deutschland

Was den Verkauf und den Service in Deutschland betrifft, war die Situation bei Microlino anfangs noch etwas undurchsichtig. Inzwischen ist klar, dass das Wägelchen nicht ausschließlich online bestellbar ist, sondern dass es auch bundesweit Autohändler gibt, bei denen man das Auto besichtigen, Probe fahren, bestellen und später, wenn nötig, reparieren lassen kann. Zurzeit (Stand Dezember 2024) gibt es gut 30 solcher Handelspartner in Deutschland.

Technische Daten, Reichweiten, Preise

Technische Daten (Herstellerangaben)

Micro Microlino (5,5 kWh) (ab 06/24)

Micro Microlino (10,5 kWh) (ab 06/24)

Micro Microlino (15 kWh) (ab 06/24)

Motorart

Elektro
Elektro
Elektro

Leistung maximal in kW (Systemleistung)

12
12
12

Leistung maximal in PS (Systemleistung)

17
17
17

Drehmoment (Systemleistung)

89 Nm
89 Nm
89 Nm

Antriebsart

Hinterrad
Hinterrad
Hinterrad

Höchstgeschwindigkeit

90 km/h
90 km/h
90 km/h

Reichweite WLTP (elektrisch)

93 km
177 km
228 km

CO2-Wert kombiniert (WLTP)

0 g/km
0 g/km
0 g/km

Batteriekapazität (Brutto) in kWh

5,5
10,5
15,0

Ladeleistung (kW)

AC:2,2
AC:2,2
AC:2,2

Kofferraumvolumen normal

230 l
230 l
230 l

Leergewicht (EU)

496 kg
513 kg
530 kg

Zuladung

254 kg
237 kg
220 kg

Länge x Breite x Höhe

2.519 mm x 1.473 mm x 1.501 mm
2.519 mm x 1.473 mm x 1.501 mm
2.519 mm x 1.473 mm x 1.501 mm

Grundpreis

19.490 Euro
21.490 Euro
22.490 Euro

Text: Thomas Geiger, Wolfgang Rudschies mit Material von SP-X

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