Wie alt dürfen neue Reifen sein? Und so erkennen Sie das wahre Alter
Wer einen Neureifen kauft, erhält oft Exemplare mit einem älteren Produktionsdatum. Doch wie weit darf das zurückliegen? Und muss man das akzeptieren? Denn auch Reifen altern und verlieren Leistung. Die Reifenexperten des ADAC geben Antworten.
Es gibt keine gesetzlichen Vorschriften zum Reifenalter
Aber: Neureifen sollten nicht älter als zwei Jahre sein
ADAC Test zeigt: Alterung verändert die technischen Eigenschaften
Wer ein neues Produkt kauft, geht davon aus, dass es "zeitnah" hergestellt wurde. Doch bei Reifen ist das nicht immer der Fall: Die Vielzahl der Reifendimensionen und -spezifikationen zwingt die Hersteller und den Handel zu rationeller Fertigung und Lagerhaltung. Und das hat zur Folge, dass auch gut abgelagerte Reifen über den Tresen gehen. Muss man das akzeptieren? Wie weit darf das Produktionsdatum zurückliegen? Und werden Reifen im Lauf der Zeit schlechter?
Eine gesetzliche Grundlage zum Alter von Reifen gibt es nicht – weder für den Neukauf noch in puncto Dauerhaltbarkeit. Der Gesetzgeber in Deutschland und Europa regelt lediglich die Mindestprofiltiefe (1,6 mm).
So erkennen Sie das Reifenalter
Wann ein Reifen hergestellt wurde, erkennt der Autofahrer auf der Reifenflanke: Das Alter ist mehrheitlich nur an einer Seitenwand des Reifens als vierstellige Ziffernfolge meist in der DOT-Nummer eingeprägt. Die vollständige DOT-Nummer besteht aus drei Blöcken mit jeweils vier Zeichen. Für das Herstellungsdatum relevant ist der dritte und letzte Ziffernblock. Er steht meist etwas abgesetzt in einem Oval. Die ersten zwei Ziffern stehen für die Produktionswoche, die letzten zwei für das Herstellungsjahr. In unserem Bild bedeutet die Ziffernfolge 1024: 10. Produktionswoche im Jahr 2024.
Stünde dort 1020, wäre der Reifen vor 4 Jahren hergestellt worden – aus Sicht des ADAC zu alt für einen Verkauf als Neureifen. Denn Tatsache ist: Frischer Gummi greift am besten. Und Untersuchungen des ADAC mit ungenutzten Neureifen unterschiedlichen Alters haben gezeigt, dass sich die technischen Eigenschaften über die Jahre negativ verändern können.
Physik und Chemie: Warum Reifen altern
Denn Reifen altern aufgrund physikalischer und chemischer Prozesse beispielsweise durch Witterungseinflüsse wie UV-Licht, Feuchtigkeit sowie extrem hohe oder niedrige Temperaturen. Besonders schädlich ist auch z.B. ozonhaltige Atmosphäre. Sowohl Elastizität als auch Haftfähigkeit des Reifens verändert sich – und das gilt genauso für nicht oder wenig benutzte Reifen.
Deshalb ist es wichtig, beim Neukauf darauf zu achten, dass die Reifen möglichst jung sind. Natürlich kann es vorkommen, dass ein Reifen nicht erst in den letzten Monaten hergestellt wurde. Doch älter als zwei Jahre sollte kein Neureifen sein – darauf können Sie schon bei der Auftragsvergabe hinweisen.
(Fast) keine gesetzlichen Vorschriften
Dass Reifen öfter mal länger lagern, begründet der Reifenhandel damit, dass nur so die Verfügbarkeit der Reifen für den Autofahrer sichergestellt werden kann. Denn der Markt ist aufgrund der Vielfalt bei den Reifengrößen, den unterschiedlichen Varianten und Spezifikationen sehr komplex. Und die Reifenhersteller argumentieren, dass nur eine Produktion in hohen Stückzahlen eine wirtschaftliche Fertigung ermöglicht, was sich dann positiv auf den Preis auswirkt.
Eine allgemein gültige Rechtsvorschrift zum Reifenalter existiert allerdings nicht. Obwohl es sich um sicherheitsrelevante Fahrzeugteile handelt, sucht der Verbraucher ein Mindesthaltbarkeitsdatum wie bei Lebens- oder Arzneimittel auf Reifen vergebens.
Eine spezielle gesetzliche Vorgabe zum Thema Reifenalter gibt es übrigens doch: Reifen für Anhänger und Wohnwagen, die bis 100 km/h zugelassen sind, müssen ab einem Alter von 6 Jahren ersetzt werden.
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BRV: "Drei Jahre alte Reifen sind fabrikneu"
Der Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk e.V. (BRV) kann deshalb Neureifen für seine Klientel besonders freundlich definieren: "Unter der Voraussetzung einer sach- und fachgerechten Lagerung gilt ein Reifen bis zu einem Alter von 3 Jahren als fabrikneu und bis zu maximal 5 Jahren als neu. Bei ungebrauchten Reifen, die nicht älter als 5 Jahre sind, sind Kauf und Montage technisch unbedenklich. Allerdings haben sie dann nur eine begrenzte Nutzungsdauer." Der Verband empfiehlt, Reifen nach zehn Jahren durch neue zu ersetzen.
Ihr Problem als Reifenkäufer: Wissen Sie, ob der Reifen tatsächlich "sach- und fachgerecht" gelagert wurde?
Unser Tipp: Gehen Sie also schon bei der Auftragserteilung mit der 2-Jahres-Vorgabe auf Nummer sicher und lassen Sie das maximale Reifenalter von zwei Jahren verbindlich festhalten.
ADAC Test: Alte Reifen verlieren Grip
Im Rahmen einer ADAC Untersuchung wurden je fünf Sommer- und Winterreifen, frisch produziert, mit ihren drei Jahre alten unbenutzten Gegenstücken verglichen, die quasi im Lager alt werden durften. Die Testingenieure prüften das Bremsverhalten auf Nässe, den Rollwiderstand sowie (Winterreifen) das Verhalten auf Schnee.
Hierbei zeigte sich, dass sich die technischen Eigenschaften im Laufe der Jahre negativ verändern können – das gilt natürlich auch für Reifen, die im täglichen Alltagsbetrieb fahren, und insbesondere für den Grip von Winterreifen. Hintergrund: Die Gummimischung des Reifens härtet über die Zeit aus, was vor allem Grip und Bremsweg bei Nässe verschlechtert.
ADAC Empfehlung: Zehn Jahre sind genug
Der Einfluss der Alterung wurde bei Winterreifen besonders deutlich, weil die auch bei tiefen Temperaturen "weich" bleiben müssen. Sie büßen bereits ab ca. sechs Jahren einen Teil ihrer Wintereigenschaften ein, weshalb wir von einer Nutzung von Winterreifen, die älter als acht Jahre sind, abraten. Sommerreifen sollten nicht älter als acht bis zehn Jahre sein.
Pkw-Reifen sollten also generell nur bis zu einem Alter von zehn Jahren genutzt werden. Besonders bei Fahrzeugen, die regelmäßig auf Winterreifen umgerüstet werden, bei Zweitwagen mit niedriger Jahresfahrleistung und auch bei Liebhaberfahrzeugen bzw. Fahrzeugen mit Saisonkennzeichen müssen die Reifen dann oft nicht wegen des Verschleißes, sondern einfach aus Altersgründen ersetzt werden.
Nachkauf beim Reifenschaden
Probleme kann es geben, wenn ein kaputter Reifen ersetzt werden muss. Für einen beispielsweise sieben Jahre alten, defekten Reifen ist es schwierig, einen "passenden" Ersatz, also einen baugleichen Reifen zu bekommen. Dann müssen gleich zwei neue Reifen gekauft werden. Denn der ADAC empfiehlt aus Sicherheitsgründen dringend, mindestens auf einer Achse gleiche Reifen zu fahren!
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Die Meinung der Reifenhersteller
Interview mit René Siebeneicher, Ingenieur beim technischen Kundendienst des Reifenherstellers Continental. Er erklärt den chemischen Prozess der Reifenalterung, warum der Kunde nicht immer fabrikfrische Ware bekommen kann und wie die Art der Lagerung den Alterungsprozess beeinflusst. Sein Fazit: "Längere Lagerungszeiten stellen die Verfügbarkeit der Reifen sicher".
Frage: Wie lassen sich die chemischen Prozesse der Reifenalterung beschreiben?
Antwort: Unter der Alterung von Reifen werden alle Prozesse verstanden, die im Laufe der Zeit in den Reifenmaterialien zu irreversiblen Eigenschaftsveränderungen führen. Die Alterung wird dabei durch chemische und physikalische Vorgänge verursacht.
Die chemische Alterung des Reifens erfolgt durch die Oxidation verschiedener Reifenbauteile durch den Einfluss von Sauerstoff/Ozon, UV-Strahlung (Sonnenlicht), Temperatur, Feuchtigkeit und Zeit.
Der Prozess: Die Polymerketten des Reifens werden durch die vom Sauerstoff (O2) bzw. Ozon (O3) ausgelöste Oxidation aufgespalten, wodurch sich neue Vernetzungen bilden ("Nachvernetzung"). Diese setzt über die Zeit die Bauteilhaftung und -elastizität und damit auch die Reifengebrauchseigenschaften herab.
Höhere Temperaturen und Feuchtigkeit begünstigen den Prozess. Äußerlich wird dies am Reifen durch die sogenannten Ozonrisse sichtbar.
Kann der Hersteller den Alterungsprozess technisch beeinflussen?
Um den chemischen Alterungsvorgängen entgegenzuwirken, werden den Reifenmischungen statische und dynamische Alterungsschutzmittel zugesetzt. Die statischen Alterungsschutzmittel bilden an der Oberfläche einen Schutzfilm aus Wachs und hemmen so u.a. die oberflächliche Ozonrissbildung. Die dynamische Alterungsschutzmittel reagieren mit Sauerstoff bzw. Ozon schneller als die Polymere und schützen diese dadurch.
Und das hilft?
Die Alterungsschutzmittel sorgen dafür, dass bei sachgerechter Nutzung und Lagerung die Verschleißgrenze deutlich vor der Alterungsgrenze erreicht wird. Spürbare Auswirkungen von Alterungsprozessen auf die Fahrleistungen sind deshalb nicht zu erwarten.
Gibt es beim Thema Reifenalter Unterschiede bei Sommer-, Winter- oder Ganzjahresreifen?
Nur insofern, als die angesprochenen Einflussfaktoren wie UV-Strahlung (Sonnenlicht), Temperatur oder Feuchtigkeit saisonalen Schwankungen unterliegen. Daraus ergeben sich relativ geringe Abweichungen im Alterungsprozess, doch die werden bei allen Reifenarten durch die erwähnten Alterungsschutzmittel aufgefangen.
Ab welchem Alter empfiehlt Continental die Reifen auszutauschen? Und gibt es dann Unterschiede bei der Bauart oder dem Geschwindigkeitsindex?
Es gibt keine technischen Daten, die den Austausch von Reifen ab einem bestimmten Alter fordern. Continental empfiehlt, dass alle Reifen (einschließlich des Reservereifens), die vor mehr als zehn Jahren hergestellt wurden, unabhängig von Bauart und Geschwindigkeitssymbolaus durch neue Reifen ersetzt werden.
Diese Empfehlung gilt auch, wenn die Reifen älter als zehn Jahre sind und noch immer fahrtauglich erscheinen. Denn Autofahrer können sich nicht allein auf eine visuelle Prüfung auf Gummirisse, Laufflächenverschleiß oder andere altersbedingte Erscheinungen verlassen.
Darüber hinaus empfiehlt Continental, dass die Profiltiefe bei Sommerreifen nicht unter 3 mm und bei Winterreifen nicht unter 4 mm liegen sollte, da ansonsten Grip und Traktion spürbar beeinträchtigt werden. Das sagt auch der BRV.
Apropos BRV: Schließt sich Continental der BRV-Sicht an, dass 3 Jahre alte Reifen "fabrikneu" und 5 Jahre alte "neuwertig" sind?
Ja.
Warum bekommt man nicht immer die neuesten Reifen? Wurst kauft man ja auch frisch…
Es gibt mehrere Faktoren, weshalb sich zur Sicherstellung der Verfügbarkeit längere Reifenlagerzeiten ergeben können.
Generell ist die Komplexität des Artikels durch die enorme Profil- und Dimensionsvielfalt, unterschiedliche Lastindex- und Geschwindigkeitssymbol-Varianten sowie abweichende OE-Spezifikationen ohnehin sehr hoch.
Dazu kommen saisonbedingte Nachfrageschwankungen oder nicht immer vorhersehbare Marktbedeutungen. Und dann muss die Auslastung der Fabriken ja auch möglichst wirtschaftlich organisiert werden – was für den Kunden eine positive Auswirkung auf den Kaufpreis hat.
Durch die in der Praxis bei Neureifen übliche Lagerungsdauer entstehen aber auch rechtlich keine Nachteile: Die Gewährleistungspflicht gegenüber dem Verbraucher beginnt mit dem Zeitpunkt des Reifenkaufs und nicht mit dem Zeitpunkt der Produktion des Reifens.
Sollte es gesetzliche Regelungen zum Reifenalter geben?
Dies ist wenig ratsam, da Nutzungsdauer und Laufleistung von der Summe der Lagerungs-, Betriebs- und Servicebeanspruchungen abhängig sind. Ein Reifen wird im Laufe seines Lebens unterschiedlichen Belastungen ausgesetzt. Ich denke da an Beladung, Geschwindigkeit, Fülldruck, Längs- und Querkraftanteile, Verletzungen und vieles mehr.
Da diese Bedingungen stark variieren können, ist eine Lebensdauerprognose bzw. gesetzliche Einsatzgrenze allein aufgrund des chronologischen Reifenalters nicht möglich.
Beeinflusst die Lagerung den Alterungsprozess? Und was wären die idealen Lagerbedingungen?
Eine sachgerechte Lagerung führt zu einem stark verlangsamten Alterungsprozess, so dass die Reifenalterung praktisch erst mit dem Fahrbetrieb beginnt.
Ideale Lagerbedingungen sind: Eine niedrige Umgebungstemperatur und Luftfeuchtigkeit mit möglichst wenig Luftwechsel, keine ozon-erzeugenden Einrichtungen wie z.B. elektrische Maschinen im Lagerbereich, möglichst keine direkte Sonneneinstrahlung sowie die Vermeidung von Berührung mit Lösungsmitteln, Kraft- und Schmierstoffen, Chemikalien, Säuren oder Desinfektionsmitteln. Die Lagerung muss im spannungsfreien Zustand ohne Druck, Zug oder sonstige Verformungen erfolgen, bei einer Langzeitlagerung aufrecht stehend in dafür vorgesehenen Regalgestellen mit mindestens 10 cm Abstand zum Fußboden.