Daten im Auto: Fluch oder Segen?

Vernetzt am Steuer: Moderne Autos speichern Unmengen an Informationen
Vernetzt am Steuer: Moderne Autos speichern Unmengen an Informationen© AUDI AG

Moderne Autos speichern riesige Datenmengen. Welche Informationen sie genau erfassen und welche ohne Wissen des Fahrers zum Hersteller fließen, hat der ADAC untersucht – Juristen schlagen Alarm. Die Rechtslage und wie sich der ADAC für Autofahrende einsetzt.

  • Moderne Pkw speichern Informationen zu Nutzung und Fahrstil

  • Kundinnen und Kunden haben keinen Zugriff auf die Fahrzeugdaten

  • Werkstätten wird der Diagnosezugang erschwert

  • ADAC fordert Datentransparenz, EU-Gesetz ist auf dem Weg

In Echtzeit sehen, wo sich ein Stau befindet, das aktuelle Wetter abrufen oder den automatischen eCall im Fall eines Unfalls nutzen: Aktuelle Autos sind vernetzte Autos. Die damit verbundenen Dienste können von großem Nutzen sein. Gleichzeitig entstehen dabei viele Daten. Die Digitalisierung macht Autos zu Datenzentren, die nahezu alles verarbeiten, was gerade geschieht.

Manche Daten müssen sogar verpflichtend gespeichert werden: Mit der Erfassung des Kraftstoffverbrauchs etwa kontrolliert der Gesetzgeber die Einhaltung von Emissionsvorgaben. Neu zugelassene Autos müssen seit 6. Juli 2022 über einen Unfall-Datenspeicher verfügen. Und künftig dürften gespeicherte Daten beim automatisierten Fahren in Streitfällen verraten, ob Mensch oder Maschine gesteuert hat.

Das Problem: Autofahrerinnen und Autofahrer wissen nicht, welche Fahrzeugdaten darüber hinaus gespeichert werden und haben auch keinen Zugriff darauf. Bislang kann der Autohersteller allein entscheiden, für wen die vom Auto generierten Daten zugänglich sind.

Diese Fahrzeugdaten werden gesammelt

Video: Welche Daten ein Auto alles speichert ∙ Bild: © ADAC/Uwe Rattay, Video: © ADAC e.V.

Doch welche Daten werden erfasst? Der ADAC ließ bereits 2016 vier Fahrzeugmodelle beispielhaft von den externen Experten Stefan Nürnberger (CISPA/DFKI) und Dieter Spaar untersuchen. Ihr Fazit: Bei den vier Beispielautos werden ständig Daten erfasst, die Rückschlüsse auf das Nutzungsprofil, die Intensität der Nutzung, die Anzahl der Fahrer oder sogar den Fahrstil erlauben. Gespeichert wurden zum Beispiel gefahrene Strecken, GPS-Daten, Gurtstraffungen oder die Betriebsstunden der Fahrzeugbeleuchtung.

Bei der Untersuchung der vier Fahrzeuge wurden folgende Daten gefunden, die im Interesse des Verbraucherschutzes aufgefallen sind. Wichtig: Die Untersuchungsumfänge der Autos waren nicht identisch und können daher nicht direkt verglichen werden.

Die Ergebnisse im Detail:

Bislang haben nur die Hersteller vollen Zugriff auf die Daten. Aus Sicht von Dienstleistern und Verbraucherschützern behindert das auch den freien Wettbewerb. "Eine gesetzliche Regelung muss sicherstellen, dass Fahrzeugbesitzer selbst über ihre Daten verfügen, die Freigabe an Dritte steuern und von der Vermarktung für datenbasierte Geschäftsmodelle profitieren", fordert ADAC Technikpräsident Karsten Schulze. Nur dann könnten Werkstätten, Mobilitätsdienstleister wie der ADAC sowie Start-ups Angebote zum Nutzen von Fahrzeugbesitzern und -besitzerinnen entwickeln.

Das ist die Idee des sogenannten Data Act der EU-Kommission. Der Entwurf, der wohl bis 2025 in Kraft tritt, sieht Regeln vor, die sicherstellen: Die Daten gehören den Autobesitzern, nur sie legen fest, mit wem sie geteilt werden dürfen.

Davon sollen besonders die Autofahrenden profitieren. Schließlich haben sie die Daten "produziert". Tatsächlich bieten Vernetzung und Datenanalyse Verbraucherinnen und Verbrauchern zahlreiche Vorteile: Neben vielen Komfortfunktionen, geht es vor allem um Sicherheit. Der gesetzlich vorgeschriebene europäische Notruf eCall rettet zum Beispiel Menschenleben, indem er nach einem Crash automatisch Hilfe über die 112 ruft. Dank Sensordaten können Autos automatisch den Abstand halten und Notbremsungen durchführen.

Pannenhilfe 2.0: ADAC Smart Connect

ADAC Smart Connect: Der kleine Dongle wird in die OBD-Schnittstelle des Autos gesteckt und liefert der ADAC Pannenhilfe wertvolle Infos © ADAC/Theo Klein

Und selbst überwachen können sich moderne Autos selbstverständlich auch. Schwächelt die Batterie, kann diese Information für Autofahrende, aber auch für Dienstleister wie den ADAC sehr wichtig sein. So lässt sich möglicherweise eine Panne bereits im Vorfeld via Ferndiagnose vermeiden oder gezielter helfen. Auch welche Ersatzteile der Gelbe Engel mitbringen muss, könnte er beim Blick in den Fehlerspeicher von der Ferne aus bereits im Vorfeld checken – natürlich nur mit der Zustimmung des Mitglieds.

Der ADAC testet daher gerade im Projekt "ADAC Smart Connect" mit mehr als 7500 Nutzern, welche Daten für die Pannenhelfer und damit auch für das ADAC Mitglied von Vorteil sein könnten. Ein Diagnosestecker für den On-Board-Diagnose-Anschluss im Auto und eine App genügen, um das Auto fit für die Ferndiagnose zu machen. Beides erhalten Mitglieder kostenlos, wenn sie ADAC Smart Connect im Entwicklungsstadium testen und so helfen, die Pannenhilfe zur "Pannenhilfe 2.0" weiterzuentwickeln.

Hersteller schränken Diagnosezugang ein

Über die OBD-Buchse kann man den Fehlerspeicher auslesen © ADAC/Ralph Wagner

Doch auch freie Werkstätten oder Dienstleister haben das Nachsehen und entweder keinen Zugang zu digitalen Infos oder sie müssten hohe Preise dafür zahlen – selbst wenn sie nur einen "normalen" Kundendienst durchführen wollen und die Daten des Fahrzeugs benötigen. Bei der Fahrzeugdiagnose OBD (On-Board-Diagnose) werden schließlich während des Fahrbetriebs viele relevante Systeme überwacht und auftretende Fehler gespeichert – für die Werkstatt sind das wertvolle Informationen, die für Kundendienst oder Reparatur gebraucht werden.

Die Ergebnisse der On-Board-Diagnose können durch spezielle Software von jeder Werkstatt, also auch von freien Werkstätten ausgelesen werden. Doch immer mehr Fahrzeughersteller schränken den Diagnosezugang (OBD) zu ihren Autos ein. Das führt zu Mehrkosten für freie Werkstätten und Verbraucher.

Meist können Fehlerspeicher nur gelesen und Fehler noch nicht einmal direkt gelöscht werden. Mehr Zugriff haben freie Werkstätten nur noch mit digitalen Zertifikaten, die von den Herstellern mit unterschiedlichen Bezahl- und Abrechnungsmodalitäten bezogen werden müssen.

Die Nachteile sind klar: Für freie Werkstätten entstehen zusätzliche Kosten, oft verbunden mit einem hohen Verwaltungsaufwand, weil jeder Hersteller einen anderen, meist komplizierten Prozess für die Anmeldung verwendet. Das kann zu einer deutlichen Verteuerung von Werkstattarbeiten für Verbraucher führen.

Aus Sicht des ADAC sollten sich freie Werkstätten nur einmalig und unkompliziert registrieren müssen, um Zugang zu allen Marken zu erhalten. Nur so bleiben freie Werkstätten wettbewerbsfähig. Und natürlich sollte auch der Fahrzeugbesitzer freien (Lese-)Zugang zu den Daten seines Autos haben.

Fahrzeugdaten: Das fordert der ADAC

Moderne Autos sind immer online und können auch "over the air" upgedatet werden. Auch hier fließen Daten © BMW AG

Viele Daten, die das Auto sammelt, liefern Informationen über den technischen Zustand des Fahrzeugs sowie Mobilitätsgewohnheiten des Nutzers. Diese Daten unterliegen als personenbezogene Daten besonderem Schutz – die Daten sollten nach Meinung des ADAC dem gehören, der sie "produziert" hat, also dem Fahrer oder der Fahrerin. Um den Autofahrenden die Kontrolle über ihre Daten zu geben, sollte schnellstmöglich auf EU-Ebene ein rechtlicher Rahmen für den Zugang zu im Fahrzeug generierten Daten geschaffen werden.

Es besteht politischer Handlungsbedarf bei

  • Datentransparenz: Verbraucherinnen und Verbraucher müssen wissen, welche Daten ihre Autos erzeugen, speichern und senden.

  • Datenhoheit: Autofahrende müssen Datenverarbeitung und -weiterleitung unkompliziert abschalten können.

  • Datensicherheit: Zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher muss IT-Sicherheit über die gesamte Lebensdauer des vernetzten Fahrzeugs gewährleistet sein.

  • Wahlfreiheit: Autofahrende sollen entscheiden, wer Zugang zu ihren Fahrzeugdaten bekommt.

Die aktuelle ADAC Position zu "Daten im Auto" (pdf).

Die ADAC Forderungen im Detail:

EU-Datengesetz "Data Act": Aktueller Stand

Dass sich der ADAC seit Jahren mit Nachdruck für die Rechte der Verbraucher einsetzt und ein entsprechendes EU-Datengesetz fordert, zeigt erste Wirkung: Nun wurde von der EU-Kommission ein Entwurf für ein umfassendes Datengesetz vorgelegt, der sogenannte "Data Act".

Diesen begrüßt der ADAC grundsätzlich, doch der Data Act gilt für sämtliche Bereiche, zum Beispiel auch für vernetzte Heimelektronik (Fernseher, Kühlschränke etc.) – und ist damit zu allgemein für die besonderen Herausforderungen im Fahrzeugbereich mit komplexen Datenströmen und einer Vielzahl an Marktbeteiligten. Der ADAC plädiert daher für eine Regelung speziell für Fahrzeuge im Rahmen einer Novelle der sogenannten Typgenehmigung.

Hier können Sie die Stellungnahme des ADAC zum Entwurf des EU-Datengesetzes nachlesen
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Und wo sollen künftig die Daten eines Autos gespeichert werden, damit sie auch Drittfirmen wie freie Werkstätten oder Dienstleister für ihre Kunden nutzen können? Auch diese Frage wird derzeit in Brüssel diskutiert. Die Autohersteller wollen die Daten am liebsten auf ihren Servern verwalten – das schlagen der deutsche Automobilverband VDA und sein europäisches Pendant ACEA mit dem Konzept „ADAXO“ (automotive data access, extended and open) vor.

Der ADAC hält davon wenig. Eine faire und wettbewerbsneutrale Nutzung von Fahrzeugdaten wäre mit dem Hersteller als „Gatekeeper“ nicht gegeben: Dienstleister hätten so keinen direkten Zugriff auf die Daten im Auto, sondern müssten sie beim Autohersteller und über dessen Server abfragen. Das Problem: Die Hersteller könnten die Daten im Vorfeld filtern, wären an jeder Transaktion oder Dienstleistung beteiligt und hätten detaillierte Kenntnis über sie. Freier Wettbewerb Fehlanzeige. Die ausführliche ADAC Position können Sie hier nachlesen:

Hier können Sie das Positionspapier des ADAC zum Thema ADAXO nachlesen
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Technische Beratung: Arnulf Thiemel, ADAC Technik Zentrum

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