Zero DS: So fährt sich das 125er-E-Motorrad
Eine Ausfahrt mit der Zero DS lässt neben den bekannten Nachteilen elektrisch angetriebener Motorräder auch Positives erkennen. Die Reichweitenangst sinkt. Fahrbericht, technische Daten, Bilder, Preis.
Akzeptable Reichweite
Kategorie A1/B196-Leichtkraftrad
Ziemlich hoher Preis
Bislang konnte die Reichweite von E-Motorrädern nie auch nur annähernd zufriedenstellen, wenn man halbwegs biketypisch unterwegs war. Dabei spielte die Marke keine entscheidende Rolle: Das Ja zum oftmals attraktiven Fahrerlebnis bezog sich auf Modelle der mittlerweile insolventen Marke Energica (Italien) genauso wie auf Harley-Davidson (mittlerweile Livewire) oder auch Zero.
Das Aber bezog sich in der Regel markenübergreifend auf Reichweite und Ladedauer, beim einen Modell etwas ausgeprägter, beim anderen weniger. Nun eine positive Überraschung: Erstmals verschieben sich bei der Zero DS die Wertungen. Das Ja zum Stromern wird in größeren Lettern geschrieben und das Aber in etwas kleineren.
Ausreichende Reichweite
Das liegt im besseren Verhältnis von Fahrfreude zu Reichweite: Zum ersten Mal war es möglich, eine zweieinhalbstündige Landstraßentour zu absolvieren, ohne von akuter Reichweitenangst befallen zu werden. Die DS schaffte die in vollem Ladezustand angezeigten 159 Kilometer nicht nur ohne Einschränkung – sie legte trotz überwiegend sehr zügiger Fahrweise sogar noch eine Handvoll Kilometer drauf.
Da in der niederbayerischen Testregion die Verkehrsdichte auf Landstraßen überwiegend gering ist, ergab sich auf den zumeist befahrenen Straßen der zweiten und dritten Kategorie ein sehr respektabler Geschwindigkeitsdurchschnitt von gut 70 km/h. Da muss ein Motorrad schon was leisten.
Testfahrt mit dem 15-PS-Motor
Dass sich die Zero DS so gut in Szene setzen konnte, verdankt sie sowohl ihrem großen 14,4 kWh fassenden Akku als auch ihrer – auf dem Papier – bescheidenen Motorisierung. Ihre für die nötige Fahrerlaubnis entscheidende Dauerleistung beträgt 11 kW/15 PS. Damit liegt sie am Limit für eine 125er und den Führerschein A1 beziehungsweise B196. Der E-Motor des neuen Typs Z-Force 75-5 erfreut den Fahrer bzw. die Fahrerin allerdings mit einer Maximalleistung von 45 kW/60 PS, das ist rund viermal so viel wie die Dauerleistung.
Noch wichtiger ist das maximale Drehmoment von 132 Nm – das Ergebnis ist eine ziemlich rabiate Beschleunigung bis gut 100 km/h, ungefähr auf dem 75-PS-Niveau von Verbrennern, und eine Höchstgeschwindigkeit von 139 km/h. Diese Herstellerangabe von Zero konnte der Testpilot mehrfach reproduzieren. Sie stellt freilich keine Dauer-Höchstgeschwindigkeit dar, sondern ist nur kurzfristig realisierbar. Auf Dauer ist bei 105 km/h Schluss.
Bilder: Die Zero DS im Detail
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Nicht wirklich ein Leichtkraftrad
Mit dieser "125er" kann man also in der Stadt, im Umland und über Land rechtschaffen Motorrad fahren. Das gute, sorgfältig abgestimmte Fahrwerk (mit Showa-Komponenten) und die sehr ordentliche Bremsanlage (mit Bosch-ABS) verleihen Stabilität und ein gutes Sicherheitsgefühl. Wie überhaupt die DS in keiner Weise an ein "Leichtkraftrad" erinnert: Dem stehen schon das Leergewicht von 239 Kilogramm und die mögliche Zuladung von 260 Kilogramm entgegen.
Auch ihre Statur ist respektabel – niemand würde beim Betrachten vermuten, dass sie in die Kategorie der A1/B196-Leichtkrafträder fällt. Andererseits bestätigt auch die Zero DS den alten Spruch "Von nix kommt nix", denn ihr Listenpreis liegt mit 18.400 Euro etwa dreimal so hoch wie der üblicher Premium-Leichtkrafträder.
Und das ist nur der Basispreis, denn gegen 3000 Euro Aufpreis plus 400 Euro fürs Kabel kann man beispielsweise das serienmäßige 3-kW-Ladegerät durch eines mit 6 kW ersetzen oder einen Zusatzakku integrieren. Die Fünfjahres-Garantie ist dagegen serienmäßig.
Trotz exzellenter Fahreindrücke, immerhin zufriedenstellender Reichweite und ihrer sehr erwachsenen, respektgebietenden Statur, guter Verarbeitung und guter Ausstattung gibt es allerdings auch bei der Zero DS ein deutliches Aber: Für 16-Jährige wird sie wegen ihrem Preis und ihrer Abmessungen und dem Gewicht nur in Ausnahmefällen passen.
Anders ist das für Klasse-B-Inhaberinnen und -Inhaber, die sich die B196-Erweiterung gegönnt haben: Für sie ist die Zero DS derzeit die einzige Möglichkeit, legal ein absolut landstraßengeeignetes Motorrad zu fahren. Es gibt kein Verbrenner-Bike der 11-kW-Klasse, das ihr gewachsen wäre. Und jenseits der 25 Jahre, dem Mindestalter für den Erwerb der B196-Zusatzlizenz, steht ja oftmals auch mehr Geld zur Verfügung.
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Das Laden ist unkompliziert
Das Lade-Prozedere der Testmaschine war unkompliziert, obwohl sie mit zwei Ladekabeln kam. Grund dafür war der zusätzlich integrierte Schnelllader. Statt dieses Power Chargers besteht die Möglichkeit einer Akku-Erweiterung "Power Tank" für 3500 Euro zur Erhöhung der Reichweite.
Power Tank und Power Charger lassen sich nicht kombinieren, weil sie nicht zugleich im Ablagefach Platz finden können. Es befindet sich dort, wo Benzin-Bikes den Tank haben. Dieses Fach ist im täglichen Einsatz übrigens überaus praktisch, wird aber mit einer der genannten Zusatzausstattungen deutlich kleiner.
Das konventionelle Laden an der Haushaltssteckdose erforderte stets fast fünf Stunden – nach rund 2,5 Stunden zügiger Fahrt erschien das dem Testpiloten nicht total unangemessen, auch wenn Benziner nach fünf Minuten an der Tanke wieder fit zur Weiterfahrt sind.
Wer mittels der Zero Betriebskosten sparen will, braucht einen langen Atem: Statt 5 Euro Spritkosten bei einer 125er mit Verbrennungsmotor kam die Zero mit 3 Euro Stromkosten (bei 40 Ct. pro kWh) aus.
Zero DS: Technische Daten, Preis
Herstellerangaben | |
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Motor/Getriebe | Luftgekühlter bürstenloser Permanentmotor, Maximalleistung 45 kW/60 PS bei 3650 U/min., Dauerleistung 11 kW/15 PS bei 3800 U/min; 600 A Drei-Phasen-Controller mit regenerativem Bremssystem. Kraftübertragung durch kupplungslosen Direktantrieb ohne Schaltung; Sekundärantrieb durch Zahnriemen |
Fahrleistungen | Höchstgeschwindigkeit max. 139 km/h, auf Dauer 105 km/h |
Akku | Lithium-Ionen-Batterie, maximale Leistung 14,4 kWh, nutzbare Leistung 12,6 kWh; integriertes Ladegerät 3 kW; Ladezeit total 4:45 Stunden (Haushaltssteckdose), Norm-Reichweite 157 km |
Assistenzsysteme | Kurven-ABS, dyn. Traktionskontrolle, Berganfahrhilfe, Rangierhilfe (vor- und rückwärts), fünf Fahrmodi, Offroad-Bremsmodus, Tempomat, Konnektivität |
Fahrwerk | Stahlgitterrohrrahmen; USD-Gabel (voll einstellbar), Federweg 190 mm; hinten Zweiarmschwinge aus Leichtmetallguss, Zentralfederbein (voll einstellbar), 190 mm Federweg; 320-mm-Doppelscheibenbremse vorne, 265-mm-Einscheibenbremse hinten. Reifen Pirelli Scorpion Trail II, 120/70-19 vorne, 170/60-17 hinten |
Maße und Gewichte | Radstand 1525 mm, Sitzhöhe 828 mm, Gewicht 239 kg, Zuladung 260 kg |
Preis | 18.400 Euro; Zusatzakku (3,6 kWh) für 3519 Euro oder zusätzlicher Schnelllader 2975 Euro + EVSE-Kabel 395 Euro |
Text: Ulf Böhringer/SP-X