Moto Guzzi Stelvio: Nicht nur für Gebirgspässe
Es gibt wieder eine Stelvio von Moto Guzzi. Italiens älteste Motorradmarke bringt mit der in der oberen Mittelklasse angesiedelten Reiseenduro ein zeitgemäßes Motorrad mit moderner Technik-Ausstattung. Testfahrt, technische Daten, Bilder, Preis.
Sportlicher Motor, gutes Fahrverhalten
Hochwertige Elektronik-Ausstattung
Preis: 16.500 Euro
Nach jahrelanger Abstinenz wendet sich Moto Guzzi wieder dem Reiseenduro-Segment der oberen Mittelklasse zu. Die erste Stelvio war nach achtjähriger Bauzeit 2016 und überschaubarem Erfolg ausgelaufen. Basis für die neue Stelvio, ebenfalls nach dem Stilfser Joch benannt und 16.500 Euro teuer, ist der seit 2023 auf dem Markt befindliche Sporttourer V100 Mandello.
Im Test: 115-PS-Motor
Dessen Motor, ein flüssigkeitsgekühlter V2 mit 1042 Kubikzentimetern Hubraum und einer Spitzenleistung von 84,6 kW/115 PS, kommt in der neuen Stelvio unverändert zum Einsatz. Der stählerne Mandello-Brückenrahmen musste nur geringfügig abgeändert werden, die Schwinge wurde etwas stärker dimensioniert, das Vorderrad ist von 17 auf 19 Zoll gewachsen, die Federwege sind länger. Von ihrer Vorfahrin unterscheidet sich die jüngste Stelvio neben dem deutlich leistungsstärkeren Motor vor allem durch ihr um fast 40 Kilo niedrigeres Gewicht und ihre topaktuelle Elektronik-Ausstattung.
Der sehr kurz geratene Endschalldämpfer auf der rechten Fahrzeugseite entlässt relativ dumpfe Töne, die gut zum sportlichen Erscheinungsbild der Stelvio passen. Der Motor mit 90-Grad-Zylinderwinkel ist, ganz gemäß der Tradition bei Moto Guzzi, längs eingebaut. Das bedeutet, dass die beiden Zylinderhauben links und rechts unterm Tank hervorragen.
Der mächtige V2 ist von der sportlichen Sorte: Sein Drehzahllimit liegt bei 9500 Umdrehungen, die Maximalleistung fällt erst bei 8700 Touren an, das maximale Drehmoment wird bei 6500 U/min realisiert. Wer nun vermutet, "untenrum" sei bei der Stelvio nix los, irrt: Der bestens abgestimmte Motor geht schon bei niedrigsten Drehzahlen fein ans Gas und ist auch unter 2000 Touren fahrbar.
Bilder: Die Moto Guzzi Stelvio im Detail
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Richtig lebendig wird das 246 Kilogramm wiegende Bike bei 3500 Umdrehungen. Wesentlich höher als bis zum Anfall des maximalen Drehmoments zu drehen, bringt nicht allzu viel, weshalb man sich bei flotter Fahrt meist im Bereich zwischen 3500 und 7000 Touren aufhält. Wer es ein wenig gemütlicher mag, kann viel im fünften und sechsten Gang erledigen. Dank 21-Liter-Tank und mäßigem Verbrauch sind mindestens 350 Kilometer Reichweite drin.
Das Sechsganggetriebe ist gut abgestimmt und mithilfe der leichtgängigen Kupplung präzise und ohne nennenswerten Kraftaufwand leicht schaltbar, der aufpreispflichtige Quickshifter für kupplungslose Gangwechsel funktioniert ab mittleren Drehzahlen tadellos.
Fünf individualisierbare Fahrmodi
Das Fahrverhalten der Moto Guzzi Stelvio ist bei schneller Geradeausfahrt ebenso untadelig wie in Kurven, auch narbige Oberflächen stören die Linie nicht. Überhaupt macht Kurvenfahren mit der Reiseenduro viel Spaß, erscheint sie doch handlicher, als es ihr Gewicht erwarten lässt. Die Federelemente weisen bei 17 Zentimetern Federweg eine gelungene Grundabstimmung auf und lassen sich zudem jeweils in der Zugstufendämpfung und Vorspannung einstellen.
Zusammen mit der Radial-Bremsanlage von Brembo samt feinen Monoblock-Vierkolbensätteln und einem Sechsachsen-Sensor zur Steuerung von ABS und Traktionskontrolle auch in Schräglagen präsentiert die Stelvio ein rundum gelungenes Fahrwerk, das Fahrerinnen und Fahrern absolutes Vertrauen vermittelt.
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Voll auf der Höhe der Zeit ist die Stelvio in Sachen Ergonomie und Aerodynamik. Die Pilotin bzw. der Pilot ist ausgezeichnet untergebracht, die Sitzhöhe von 83 Zentimetern fällt niedrig aus, sodass der Boden leicht erreichbar ist. Die zweiteilige Bank ist bequem und groß genug auch für lange Fahrten. Der Windschutz ist einwandfrei, der Windschild lässt sich – eine Rarität in dieser Klasse – elektrisch verstellen.
Auch fürs Fahren im Stehen passen Lenker und Fußrasten. Angesichts der Gewichtsklasse erscheinen Touren jenseits von Feldwegen oder Naturstraßen nicht wirklich empfehlenswert. Leichte Offroad-Ausflüge steckt die Stelvio im gleichnamigen Fahrmodus (Hinterrad-ABS deaktiviert, die Traktionskontrolle ist ebenfalls deaktivierbar) jedoch souverän weg. Pfade, auf denen Stollenreifen nötig erscheinen, würde der Testfahrer weder der Maschine noch dem Fahrer oder der Fahrerin zumuten wollen.
Top Elektronik-Ausstattung
Einen neuen Standard für die Marke setzt die Elektronik-Ausstattung der Stelvio: Sie bietet nicht nur LED-Licht rundum und ein sehr gelungenes 5-Zoll-Farb-TFT-Display mit guter Ablesbarkeit und guter Bedienung, sondern gegen 800 Euro Zuzahlung auch ein im Mutterkonzern Piaggio entwickeltes, radarbasiertes Assistenzsystem. Es nennt sich PFF (Piaggio Fast Forward) und beherrscht vier Disziplinen: Totwinkel-Warnung, Frontkollisionswarnung sowie Spurwechselhilfe und auch eine adaptive Geschwindigkeitsregelung mit Abkürzung FCC. Letztere erfordert einen weiteren Mehrpreis in noch unbekannter Höhe. Lieferbar ist FCC wohl erst im Lauf des Jahres.
Technische Daten, Preis
Herstellerangaben | Moto Guzzi Stelvio |
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Motor | 2 Zylinder, 90°-V-Motor, 1042 ccm Hubraum, 84,0 kW bei 8700/min, max.Drehmoment 105,0 bei 6750 U/min, 4 Ventile/Zylinder, Einspritzanlage, Flüssigkeitskühlung |
Assistenzsysteme | Kurven-ABS, Traktionskontrolle, Tempomat, 5 Fahrmodi, LED-Beleuchungsanlage, Kurvenlichtfunktion |
Fahrwerk | Brückenrahmen/Stahl; 46 mm Up-Side-Down-Telegabel, 170 mm Federweg; Einarmschwinge hinten, 170 mm Federweg; |
Maße | Leergewicht k.A. kg, zul. Gesamtgewicht 463 kg; Länge/Breite/Höhe 2195 / 945 / 1400/1470 mm, Sitzhöhe 830 mm; Tankinhalt 21,0 l |
Bremsen | k.A., vorne Scheibe, 320 mm, hinten Scheibe, 280 mm |
Fahrleistungen / Verbrauch | Höchstgeschwindigkeit ca. 220 km/h, 5,1 l/100 km |
Preis | 16499 Euro |
Moto Guzzi Stelvio: Fazit
Kein Zweifel: Die Moto Guzzi Stelvio setzt sich auch ohne semiaktive Fahrwerksregelung – die ist weiterhin der V100 Mandello vorbehalten – an die Spitze der Modellpalette. Sie erscheint als in sich logisch aufgebautes Motorrad mit vielen Fähigkeiten und nur geringen Unvollkommenheiten. So könnte beispielsweise die automatische Blinkerrückstellung etwas reaktionsschneller ausfallen. Abgesehen davon: Die Stelvio dürfte für viele, die eine reichweitenstarke Kardan-Reiseenduro unterhalb der extrem hochgerüsteten und entsprechend teuren BMW GS suchen, ein überlegenswertes Angebot darstellen.
Text: Ulf Böhringer/SP-X