Moto Guzzi V100 Mandello S: Adler auf Höhenflug
Die Moto Guzzi V100 Mandello S ist das erste Motorrad der Marke mit wassergekühltem Motor. Eine Testfahrt mit dem topmodernen Sporttourer. Plus: Bilder, Daten, Preis.
Sehr komfortabel und einfach zu fahren
Viele Assistenzsysteme in Serie
Teuer, aber gute Preis-Leistung
Man fragt sich selbst beim x-ten Besuch des uralten Guzzi-Werksgeländes in Mandello del Lario, wie Carlo Guzzi 1921 nur auf die Idee kommen konnte, auf dem schmalen Uferstreifen an der Ostseite des Comer Sees eine Motorradfabrik aufzubauen. Doch trotz der räumlichen Enge, der über viele Jahre verschleppten Investitionen und des zeitweisen Verlusts der technischen Wettbewerbsfähigkeit hat die mittlerweile über 100 Jahre alte Motorradmarke eine treue Anhängerschar.
Die hat allen Grund, sich über den Beginn des zweiten Jahrhunderts der Existenz von Moto Guzzi zu freuen: Das erste Modell des neuen Zeitalters scheint rundum gelungen zu sein und besitzt das Potenzial, die Marke mit dem Adler zu einem neuen Höhenflug starten zu lassen. Das zeigte die erste Ausfahrt mit der S-Version der V100 Mandello.
Hightech: Viele Assistenzsysteme
Erstmals baut man am Comer See ein Triebwerk mit Wasserkühlung. Ein – für Guzzi – revolutionäres Aggregat: Mit um 90 Grad verdrehten Zylinderköpfen, vier Ventilen und Ride-by-Wire-System, sodass vier Fahrmodi zur Wahl stehen. Auch das restliche Fahrzeug strotzt nur so vor Neuem: Erstmals gibt es semiaktive Feder- und Dämpfungselemente, einen Schaltassistenten zum kupplungslosen Wechsel der sechs Gänge und eine ganze Reihe von Assistenzsystemen, weil auch eine Sechsachsen-Sensorik integriert wird. So werden Kurven-ABS, dynamische Traktionskontrolle und Kurvenlicht möglich. Urplötzlich findet sich Moto Guzzi im Kreis der Hightech-Elite des Zweiradbaus wieder.
Die Mandello geht konsequent zur Sache, ohne kapriziös zu erscheinen. Setzt Gasbefehle bei fast jeder Drehzahl in spontanen Vortrieb um, gibt sich handlich, harmonisch, gefällig. Bereits der Druck aufs Anlasserknöpfchen signalisiert Präsenz: Grollend-bollernd strömen die Abgase aus dem wohlgeformten Endschalldämpfer und deuten die Potenz der V100 an, ohne die Ohren der Umstehenden zu malträtieren.
Im Test: 115-PS-Motor
Dominant stehen die goldfarben beschichteten Zylinderhauben des 1042 Kubikzentimeter großen Triebwerks im Fahrtwind, im 90-Grad-Winkel zueinander wie eh und je. Aber der Motor arbeitet in neuen Regionen: Die Maximalleistung von knapp 85 kW/115 PS wird bei 8700 U/min bereitgestellt, die Drehzahlgrenze ist erst bei 9500 Touren erreicht. Dennoch ist dieser Motor auch "untenrum" ein Kraftprotz: Willig nimmt er schon bei 2000 U/min das Gas an, zieht souverän durch und beschleunigt das 233 Kilogramm wiegende Motorrad souverän.
Kein Wunder: 82 Prozent des Maximaldrehmoments von 105 Nm stehen schon bei 3500 U/min zur Verfügung. Der Normverbrauch von 4,7 Litern auf 100 Kilometer erscheint günstig und dürfte auch erreichbar sein – bei der ersten Ausfahrt signalisierte der Bordcomputer Werte von 4,8 bis 5,2 Liter.
Bilder: Moto Guzzi V100 Mandello S
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Angenehmes, komfortables Handling
Nicht ein Kompromiss aus Sportbike und Tourer soll die V100 sein, sondern sie soll beide Bereiche vollständig abdecken. Sagen die Marketing-Gurus des Piaggio-Konzerns, zu dem die Marke Moto Guzzi seit 2004 gehört. Wir meinen: Sie ist ein feiner Sporttourer – handlich, stabil und vertrauenerweckend in Kurven, dazu durchaus bequem und komfortabel. Aerodynamisch weist sie eine Neuheit auf. Es gibt zwei Deflektoren seitlich am Tank, die den Luftstrom umleiten. Je nach Fahrmodus aktivieren sich diese Flügelchen automatisch, wobei sich das Tempo, bei dem sie sich entfalten, über den Bordcomputer vorwählen lässt. Die Sitzposition ist entspannt, das Fahrgefühl ausgezeichnet, egal ob auf der Geraden oder in Serpentinen und weiten Kurven.
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Ordentliches Display
Als insgesamt gelungen ist das neue TFT-Display zu bezeichnen. Es bietet zahlreiche Informationen, ohne überfrachtet oder italienisch verspielt zu sein. Die Bedienung des umfangreichen Bordcomputers ist relativ einfach und logisch, die Einstellungsmöglichkeit der Assistenzsysteme überzeugt. Wer die vier Grundmodi verändern will, kann das, muss aber teils häufig Knöpfchen drücken. Wir haben aber schon deutlich schlechtere Lösungen gesehen.
Nicht alles ist perfekt
Das ABS arbeitet, wie die gesamte Bremsanlage, untadelig. Guzzi verwendet dafür beste Brembo-Ware. Auch wenn es bislang so scheinen mag: Perfekt ist die V100 Mandello nicht. Der sich automatisch rückstellende Blinker tut das erst nach gefühlten Ewigkeiten, eine USB-Buchse im Cockpit kostet Aufpreis, ein Serien-Stromanschluss findet sich nur unterm Soziussitz. Und auch der Quickshifter erledigt seine Arbeit nicht durchgängig auf höchstem Niveau, manchmal "hakt" es spürbar. Doch das sind Kleinigkeiten; sie trüben das insgesamt sehr positive Bild nicht wirklich.
Technische Daten Moto Guzzi V100 Mandello S
Herstellerangaben | Moto Guzzi V100 Mandello S |
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Motor | 2 Zylinder, 90°-V-Motor, 1042 ccm Hubraum, 84,6 kW bei 8700/min, max.Drehmoment 105,0 bei 6750 U/min, 4 Ventile/Zylinder, Einspritzanlage, Flüssigkeitskühlung |
Assistenzsysteme | verschiedene hochwertige Assistenzsysteme |
Fahrwerk | Stahlrohrrahmen; 43 mm Up-Side-Down-Telegabel, 130 mm Federweg; Einarmschwinge hinten, 130 mm Federweg; |
Maße | Leergewicht ca. 235 kg, zul. Gesamtgewicht 443 kg; Länge/Breite/Höhe 2125 / 835 / 1210/1300 mm, Sitzhöhe 815 mm; Tankinhalt 17,5 l |
Bremsen | Kombibremssystem, vorne Scheibe, 320 mm, hinten Scheibe, 280 mm |
Fahrleistungen / Verbrauch | Höchstgeschwindigkeit k.A. km/h, 4,7 l/100 km |
Preis | 17999 Euro |
Fazit: Gelungener Sporttourer
Mit 18.000 Euro ist die S-Version der V100 Mandello nicht billig, doch bietet sie eine Menge fürs viele Geld. Wer 2500 Euro sparen will, kann auch das: Bei der Standardversion muss man auf das semiaktive Fahrwerk, den serienmäßig verbauten Quickshifter und auf heizbare Griffe sowie die Reifendruckkontrolle verzichten. Dennoch ein zeitgemäßes Charakterbike. Insbesondere in Rot, der Guzzi-Urfarbe.
Der neue Motor, aber auch die Gesamtkonzeption der V100, erscheinen als prächtige Basis für weitere Varianten: Wir könnten uns ein künftiges Naked-Bike genauso vorstellen wie eine V100 TT, also eine Reiseenduro. Man darf gespannt sein, welche Höhen der Adler aus Mandello im zweiten Guzzi-Jahrhundert erreichen wird.
Text: Ulf Böhringer/SP-X