Honda GL 1800 Gold Wing: Testfahrt, Daten, Preis

Mann und Frau auf der neuen Honda Goldwing GL 1800 während der Fahrt durch die Landschaft
Die Gold Wing ist das erste Bike mit serienmäßigem Airbag© Honda

Die Honda GL 1800 Gold Wing ist das Tourenflaggschiff der Marke und spricht mit ihrem kraftvollen Sechszylinder, DCT und viel Connectivity eine fahraktive Zielgruppe an. Fahrbericht, Bilder, Daten, Preis.

  • Ausgezeichnetes Fahrwerk

  • Einfach im Handling

  • Luxustourer mit beeindruckendem Motor

Nach fast zwei Jahrzehnten hat Honda sein Flaggschiff GL 1800 Gold Wing im Jahr 2018 grundlegend überarbeitet. Praktisch jede Schraube am luxuriösen Tourer ist neu. Hier die wichtigsten Eckpunkte: kompakter Sechszylinder-Boxer mit exakt quadratischem Bohrung-Hub-Verhältnis und Unicam-Vierventil-Zylinderköpfen, Vorderradführung per Doppel-Längslenker statt konventioneller Gabel, einarmige Kardanschwinge mit progressiver Prolink-Umlenkung, kräftige Kombi-Bremse, Ride-by-Wire und vier Fahrmodi, Sieben-Zoll-TFT-Display mit integriertem Navi, dazu optional ein DCT der dritten Generation mit sieben Gängen, Traktionskontrolle, elektronisches Fahrwerk. Und nicht zuletzt, darauf ist man stolz, als erstes Motorrad Apple Car Play. Yeee-haw!

Dabei schaffen es nur zwei der insgesamt fünf Varianten auf den europäischen Markt: die Basis-Variante GL 1800 (Griffheizung, Tempomat, Navi), welche mit niedriger Scheibe und ohne Topcase den Bagger F6B ersetzt, und die "Tour" mit Topcase/Beifahrerrückenlehne, zwei weiteren Lautsprechern, elektronischem Fahrwerk, Hauptständer. Doppelkupplungsgetriebe sowie Airbag und Vollausstattung.

Hoher Komfort, einfache Bedienung

Studioaufnahme des Motorrades Honda Goldwing GL 1800 von der Seite
Die Gold Wing hat als erstes Motorrad Apple Car Play© Honda

Eines der zentralen Features aber ist nicht neu hinzugekommen, sondern wurde weggelassen: gute 40 Kilogramm. Unter vollgetankten 425 Kilo ächzte die Redaktionswaage zuvor sehr bedenklich, nun gibt Honda die komplett ausgestattete Maschine fahrfertig mit 383 Kilo an – eine löbliche Fastenkur. Im Gegensatz zum Vorgängermodell, welches zur Fahrpräsentation durchs texanische Hinterland mitkam und dessen Rangierverhalten mit "Sitzstreik" am ehesten umschrieben ist, gibt sich die 2018er-GL im Stand weit weniger problematisch.

Kompakter und merklich weniger massiv sieht das neue Modell neben der riesigen alten Maschine tatsächlich beinahe filigran aus. Den Rückwärtsgang (die DCT-Variante lässt sich sogar elektrisch in Fahrtrichtung schieben) nimmt man dennoch dankend an. Paddeln ist definitiv keine Option.

Aufrecht, nein, erhaben thront man auf einer unerhört bequemen Bank, Lenker und Fußrasten liefern entspannteste Tourensessel-Ergonomie. Referenzklasse auch beim Soziuskomfort. Und hinter der elektrisch verstellbaren großen Scheibe der Tour-Version herrscht in voll ausgefahrener Stellung praktisch Windstille. Auf das extreme Schrankwand-Gefühl der alten Maschine mit ihrer besonders im Beinbereich ausladenderen, noch besser schützenden Verkleidung verzichtet die neue ein Stück weit.

Auch stellt das neue Bedienkonzept mit zentralem Drehregler, wenigen Menüpunkten und Fünf-Wege-Schalter am linken Lenkerende, verglichen mit der unter vielen Dutzend Knöpfen und Reglern begrabenen Vorgängerin, eine extreme Vereinfachung dar.

Im Test: 126-PS-Motor

Detailaufnahme von Motor und Auspuff der neuen Honda Goldwing GL 1800
Die Honda ist ordentlich motorisiert und lässt sich mühelos fahren© Honda

Mit Keyless-Schlüssel in der Tasche genügt ein Antippen des Starterknopfs, und der in die Lichtmaschine integrierte Anlasser erweckt den Flat-Six, der sich mit recht viel Standgas auf Betriebstemperatur bringt. Um das zu bemerken, muss man das Soundsystem stumm schalten – im Leerlauf säuselt der Boxer so dezent in sich ruhend wie ein Mönch vor sich hin. Mehr Laufkultur geht nicht. Auch in Fahrt behält er seinen seidigen Groove, unter Last aber schlürft es kernig, lauter als zuvor aus der Airbox.

Ein Zugeständnis an die sportlichere Zielgruppe. Echten Tourenhaudegen könnte das auf Achse etwas aufdringlich werden. Der Klang an sich wiederum hat eine musikalische Qualität: sonor, heiser, satt, obertonreich. Angesichts dieses beinahe göttlichen Motors ist das Radio eigentlich überflüssig.

Honda befindet die Motorleistung als "adäquat", macht ganz auf Understatement und in der Pressemappe erst gar keine Angabe dazu. Wen es dennoch interessiert: Sie beträgt 126 PS und damit neun mehr als zuvor. Bedeutender als schnöde Spitzenleistung: Der 1833-Kubik- Sechszylinder zapft sein Drehmoment (maximal 170 Newtonmeter bei 4500/min) wie ein gut aufgelegter Wiesn-Wirt: unaufgeregt, aber effektiv, aus endlosem Vorrat in volle Krüge, gold-perlend und mit schaumiger Krone. Wahrlich adäquat.

Motorrad und Roller: Neuheiten, Tests, Fahrberichte

Dazu passt, dass die Gesamtübersetzung sowohl beim Sechsgang-Schalter wie auch beim automatisierten Doppelkuppler nun länger ausfällt. Das Drehzahlniveau auf dem Highway sinkt spürbar. Hervorragend schaltet sich das manuelle Getriebe, weich und präzise, die hydraulische Kupplung erfordert für einen derart starken Motor wenig Kraft.

Was ernsthaft Kauflustige aber mehr interessieren dürfte: Das neueste DCT der dritten Generation sortiert seine sieben Stufen flutsch-geschmeidig, schnell und ruckfrei, harmoniert sensationell mit dem elastischen Sechszylinder. Eine wirklich erhabene Antriebseinheit. Bleibt die Frage "DCT oder Schalter?" also bei den anderen Hondas eine des Glaubens, dürfte die nächste Generation Winger sich wohl mehrheitlich für DCT entscheiden. Schade, dass der Doppelkuppler der heftig teuren "Tour Airbag" vorbehalten ist.

Sehr gutes Fahrwerk, vier Fahrmodi

Seitliche Ansicht der grauen Honda Goldwing GL 1800 geparkt an Wald und Landstraße
Bequemer kann man es auf einem Bike kaum haben© Honda

Alle GL-Fahrer kommen in den Genuss einer neuen, sehr viel kräftigeren Kombibremse, vor allem aber der geänderten Vorderradführung. Während die konventionelle Telegabel der Vorgängerin eher dem Komfort als der Stabilität verpflichtet war, vereint die aufwendige, duolever-ähnliche Doppel-Längslenkerkonstruktion beides auf hohem Niveau. Auch die übelsten texanischen Hinterlandpisten bügelt das Fahrwerk glatt wie einen Spiegel, was sich an den wohl bewusst in Fahrersicht platzierten Spurstangenköpfen unterhaltsam ablesen lässt: Während die auf Schlechtwegstrecken wie irre auf und ab hüpfen, ruhen die Fahrerhände wie am Lenkrad eines Cadillac.

Bildergalerie: Die Honda GL 1800 Gold Wing im Detail

Das Weniger an Rückmeldung stört in einer Gold Wing nun wirklich nicht. Trotz des enorm geschmeidigen Gleitens nimmt die GL 1800 selbst forsch gefahrene Kurven – auch dank ausreichender Schräglagenfreiheit und zumindest bei trockenen Bedingungen achtbar haftender Bridgestone Exedra-Dauerläufer – ohne jegliches Drama. Mehr muss sie auch nicht können.

Von den vier verfügbaren Fahrmodi – Rain, Econ, Tour und Sport –, welche Ansprechverhalten und, falls vorhanden, Traktionskontrolle, elektronisches Fahrwerk und Schaltstrategie des DCT beeinflussen, arbeitet der höchst gelungene Tour-Mode am überzeugendsten. Sport bringt eine Unruhe ins DCT, die zum Charakter der Gold Wing einfach nicht passen möchte. Unterm Strich also wird die Neuauflage der Gold Wing in der Tat jünger, fahraktiver, ja aufregender. Einmal abgesehen von der etwas fragwürdigen Ausstattungspolitik stimmt alles.

Technische Daten Honda GL 1800 Gold Wing

HerstellerangabenHonda GL 1800 Gold Wing DCT
Motor6 Zylinder, Boxer, 1833 ccm Hubraum, 93,0 kW bei 5500/min, max.Drehmoment 170,0 bei 4500 U/min, 4 Ventile/Zylinder, PGM-FI Einspritzanlage, Flüssigkeitskühlung
Assistenzsystemeu.a. 4 verschiedene Fahrmodi m. Auswirkung auf Dämpfung u. Bremskraft, Berg-Anfahr-Hilfe, Start-Stop-Automatik, 7-Zoll-TFT-Display usw.
FahrwerkBrückenrahmen/Aluminium; 0 mm Doppel-Querlenker-Aufhängung, 110 mm Federweg; Pro-Link-Einarmschwinge hinten, 105 mm Federweg;
MaßeLeergewicht ca. 365 kg, zul. Gesamtgewicht 572 kg; Länge/Breite/Höhe 2475 / 925 / 1340 mm, Sitzhöhe 745 mm; Tankinhalt 21,0 l
BremsenCombined ABS, vorne Scheibe, 320 mm, hinten Scheibe, 316 mm
Fahrleistungen / VerbrauchHöchstgeschwindigkeit k.A. km/h, 5,5 l/100 km
Preis29500 Euro

Text-Copyright: MOTORRAD* Heft 4/2018, Motor Presse Stuttgart GmbH & Co. KG,

* Durch Anklicken des Links werden Sie zu einer externen Internetseite weitergeleitet, für deren Inhalte der jeweilige Seitenbetreiber verantwortlich ist.