BMW G 310 R: Testfahrt, Daten, Preis

Die in Indien gebaute BMW G 310 R mit ihrem 34-PS-Einzylinder ist ein grundsolides Naked Bike für die breite Masse. Fahrbericht aus der Zeitschrift MOTORRAD 21/2016. Technische Daten und Preis: Stand 5/2023.
Ein Premium-Motorrad für die breite Masse
Ausgezeichnetes Fahrverhalten, einfaches Handling
Hochmoderner neuer Motor, Euro-5-konform
Was groß ist und was klein, ist oft eine Frage der Perspektive. So auch bei der BMW G 310 R. Betrachtet man die nämlich aus der uns nahen, sagen wir einmal, westeuropäischen Perspektive, ist der 313-Kubik-Roadster ein kleines Motorrad. 34 PS, nicht mal 160 Kilo fahrfertig, 785 Millimeter Sitzhöhe, rund 6000 Euro – das ist was für (Wieder-)Einsteiger, Kleingewachsene, für die Stadt et cetera.
Geht man aber einen Schritt zurück und betrachtet den weltweiten Markt motorisierter Zweiräder, sieht die Sache anders aus. In den Massenmärkten wie Südostasien und Südamerika, wo Hubräume bis 150 Kubik die Regel sind, gilt so eine 300er als große Maschine. Und mit der in Indien gefertigten G 310 R gibt es ein Modell, das für eine breite Masse erschwinglich ist.
Die G 310 R ist also zweierlei: für den hiesigen Markt ein kleiner, günstiger A2-Klasse-Roadster. Und global die Aufgabe, neue Märkte mit großem Potenzial zu erschließen, den Premiumanspruch der Marke dort neuen Käuferschichten zugänglich zu machen. Ein kleines Motorrad für Deutschland also, ein großes für BMW und die Welt.
Einsteiger-Bike mit nur 34 PS

Als Einsteiger- oder Stadt- oder Wie-auch-immer-Naked für den hiesigen Markt steht da allerdings erst einmal ein großes Fragezeichen. 34 PS? Bekanntermaßen sind für Führerschein-Neulinge 48 PS erlaubt, und dahin lässt der kleine Bayern-Single deutlich mehr Respektabstand als die ebenso leichte Konkurrenz aus Japan und Österreich. Bis zu zehn Pferdchen oder rund 30 Prozent mehr leisten die. Wäre es nicht sinnvoller, den Hubraum etwas aufzustocken und die Leistung näher ans erlaubte Limit zu hieven? Genau diese Frage brennt uns zur Testfahrt in München natürlich unter den Fingernägeln. Die Verantwortlichen bei BMW Motorrad geben sich selbstbewusst...
BMW G 310 R: Grundsolide Maschine

Einmal in Bewegung, verfliegen die Zweifel ob der Sinnhaftigkeit dieses Fahrzeugkonzepts im Handumdrehen. Im Gegenteil, nach einer sportlich verfahrenen Tankfüllung rund um den schönen Ammersee wird aus dem Fragezeichen ein Punkt, denn das Fahrverhalten des kleinen Roadsters ist ausgezeichnet. Klar, dass ein fahrfertig vollgetanktes 164 Kilo (Werksangabe) leichtes, mit 110 bzw. 150 Millimeter schmalen Reifen besohltes Motorrad eichhörnchenflink einlenkt. Bemerkenswert hingegen, dass diese Agilität grundsolide, gänzlich unkippelig daherkommt.
Die G 310 R lenkt neutral ein und hält die Radien von selbst, ist damit extrem gutmütig und vergnüglich fahrbar. Auch ein Verdienst anständiger Michelin-Pneus, mehr aber einer ausgewogenen Geometrie und äußerst akkurat arbeitender Federelemente. Besonders die vordere Upside-down-Gabel überzeugt durchweg.
Mit sauberem Ansprechverhalten und sämiger Dämpfung über den gesamten Federweg wäre sie auch eine Klasse drüber nicht fehl am Platz. Das Geheimnis? Tauch- und Gleitrohre kommen günstig aus China, ihr Innenleben von Kayaba aus Japan. Das gleiche Prinzip (sparen, wo es nicht auffällt, Geld ausgeben, wo es zählt) bei der Bremse. 300er-Scheibe und Radialbremssattel der indischen Brembo-Tochter Bybre sind nichts Besonderes, aber Sintermetallbeläge und Stahlflexleitung geben diesem Stopper Zähne. Druckpunkt, Dosierbarkeit, sehr gutes Continental-ABS – alles für eine 300er mehr als angemessen.
Speziell konstruierter Einzylinder-Motor

Der Vierventil-Einzylinder ist eine Neukonstruktion speziell für die G-Baureihe und weist einige technische Schmankerl auf. Der Kopf ist um 180 Grad gedreht (Einlass vorne, Auslass hinten), der Zylinder neigt sich nach hinten. Dies erlaubt eine leistungsfördernde Führung des Luft-Kraftstoff-Gemischs und eine schwerpunktgünstige Einbaulage. DLC-beschichtete Schlepphebel, Nikasilbeschichtung des Zylinders, gleitgelagerte Kurbelwelle – die Konstruktion ist hochmodern, was sich auch bemerkbar macht.
Für einen Einzylinder ist die Laufkultur über den gesamten Drehzahlbereich dank einer Ausgleichswelle hervorragend, erst ganz oben kribbelt es fein in den Fußrasten. Trotz wenig Schwungmasse läuft er früh rund und nimmt Gas an, über Land allerdings darf und sollte kräftig gedreht werden. Ab etwa 6000 Touren legt sich das Motörchen schön ins Zeug, knurrt hungrig aus der Airbox und rackert sich mit Elan und spritziger Freude bis in beachtliche Drehzahlregionen vor.
Knackig kurz übersetzt haben sie ihn, was auf der Landstraße richtig Spaß macht, auf der Autobahn allerdings ein wenig mit dem Triebwerk leiden lässt. Da gehört die G 310 auch nicht unbedingt hin. Sagen wir so: Die 34 PS machen Laune, aber einige Extra-Pferdchen wären schon auch nett.
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Nicht ganz Premium: Das Getriebe
Jedenfalls fühlt sich der Motor dank feiner Manieren und geschmeidiger Gasannahme, wie überhaupt die ganze G 310 R, nach Premium an. Nur das Getriebe macht da eine kleine Ausnahme. Die Schaltwege sind kurz, und die Kupplung extrem leichtgängig, ein Leerlauf hat sich aber nicht an jeder Ampel gefunden. Etwas gehässig könnte man festhalten: Schön, dass sich BMW da treu bleibt.
Davon abgesehen hinterließen die Präsentationsmaschinen in puncto Verarbeitung und Materialanmutung einen blitzsauberen Eindruck. Sicher, Karbon hier und gebürstet da sucht man vergebens. Aber für schicke Gussräder, eine schöne Aluschwinge, saubere Schweißnähte, wertige Oberflächen und sauberes Finish rundum hat es gereicht.
Nicht unbedingt selbstverständlich, schließlich kann man das gleiche Geld auch für eine 125er ausgeben. Die entscheidende Frage ist natürlich, ob denn auch die tausendste oder zehntausendste Maschine noch so geleckt vom Band rollt und wie es um die Langlebigkeit bestellt ist. BMW verweist auf die enge Kooperation und hohen Qualitätsstandards beim indischen Fabrikanten TVS.
Technische Daten BMW G 310 R
Herstellerangaben | |
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Motor | Wassergekühlter Einzylinder-Viertakt-Motor, eine Ausgleichswelle, zwei obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile, Schlepphebel, Anti-Hopping-Kupplung, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, 1 x Ø 42 mm, geregelter Katalysator mit Sekundärluftsystem (Euro 5), Lichtmaschine 330 W, Batterie 12 V/8 Ah, Mehrscheiben Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette.
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Fahrwerk | Gitterrohrrahmen aus Stahl, Upside-down-Gabel, Ø 41 mm, Zweiarmschwinge aus Aluminium, Federbein, direkt angelenkt, verstellbare Federbasis, Scheibenbremse vorn, Ø 300 mm, Vierkolben-Festsattel, Scheibenbremse hinten, Ø 240 mm, Doppelkolben-Schwimmsattel, ABS.
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Maße und Gewichte | Radstand 1374 mm, Lenkkopfwinkel 64,9 Grad, Nachlauf 102 mm, Federweg v/h 131/140 mm, Sitzhöhe 785 mm, Leergewicht fahrfertig vollgetankt 164 kg, zulässiges Gesamtgewicht 345 kg, Tankinhalt 11 Liter |
Garantie & Preis | Gewährleistung: 2 Jahre
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Fazit: Ausgewogenes Naked-Bike
Die G 310 R ist modern konstruiert, günstig, fährt, federt, dämpft und bremst toll. Das macht sie zu einem ausgewogenen kleinen Paket für alle, denen 34 PS reichen.