Aprilia RS 660: Sportives Mittelklasse-Bike im Fahrbericht
Die Aprilia RS 660 ist ein rundum gelungenes Mittelklasse-Sportbike, dem die Konkurrenz vor allem in Sachen Motor, Ergonomie und Fahrwerk wenig entgegenzusetzen hat. Fahrbericht, technische Daten, Preis.
Hervorragendes Fahrwerk
Viele Assistenzsysteme
Gute Ergonomie
Jahrelang ging es bei den Motorradherstellern nur nach oben. Frei nach dem olympischen Motto "Schneller, höher, stärker" kam eine Granate nach der anderen auf den Markt. Top-Bikes reißen mit über 210 PS am Hinterrad und beschleunigen derart vehement, dass sie keine acht Sekunden für den stehenden Start brauchen – auf 200 km/h. Auch Aprilia hat solche Modelle im Programm, und mit der RS 660 zudem ein feines Angebot eine Stufe unterhalb der ultrastarken V4-Motoren.
Leistungsstarker 100-PS-Motor
Einen solchen Elfhunderter halbierten die Ingenieure aus Kostengründen, gaben ihm aber 11,7 Millimeter mehr Hub mit auf den Weg. Dazu ein Hubzapfenversatz von 270 Grad, schon fühlt sich dieser Motor wie ein charakterstarker V2 an. Manche Bauteile teilt sich der 660er mit dem V4, beispielsweise Drosselklappen, Kolbenringe und Ventile. Aus 660 Kubikzentimetern Hubraum kitzelt Aprilia 74 kW/100 PS und 67 Nm Drehmoment, gepaart mit einem ansprechenden Drehzahlband. Besonders stolz sind die Italiener darauf, dass 80 Prozent des maximalen Drehmoments bereits bei 4000 U/min anliegen und 90 Prozent ab 6250 U/min. Erst bei 11.500 Touren setzt der Drehzahlbegrenzer ein.
Aprilia hat 2020 seine Mittelklasse-Linie mit dem Sportbike RS 660 gestartet. Die nackte Tuono 660 und die geländetaugliche Tuareg 660 folgen. Somit steht der Hersteller nun an vorderster Front mit attraktiven Midsize-Maschinen und könnte insbesondere den japanischen Herstellern eine lange Nase drehen.
Freilich nur, wenn die Motorräder was taugen. In drei Testkriterien begeistert die neue RS 660: Motor, Ergonomie und Fahrwerk. Der Twin lässt sich zivil bewegen, nimmt sauber Gas an, selbst die Seilzug-Kupplung funktioniert leichtgängig. Sobald man den elektronischen Gasgriff aufreißt und die Drehzahl über 7000 Umdrehungen schnalzt, stiebt das Bike ungestüm nach vorn.
Beim Rauf- und Runterschalten ist keine Kupplungshand vonnöten, Aprilia liefert den Quickshifter in Serie. Das funktioniert im kurvigen Geläuf einwandfrei, sogar wenn es in Haarnadelkurven zurück in den Ersten geht.
Beeindruckend: Ergonomie und Fahrwerk
Überhaupt fahren die Italiener das volle Elektronikprogramm auf: Kurven-ABS, Traktions- und Wheelie-Kontrolle, alle feinfühlig im glasklaren TFT-Cockpit einstellbar. Selbst das Motorbremsmoment kann man seinen Wünschen anpassen. Auch die Ergonomie spricht für sich. Die RS 660 ist nicht allzu hoch, selbst kleine Fahrer kommen mit ihren Füßen sicher auf den Boden, großgewachsene loben den Kniewinkel. Der schmale Rahmen erlaubt es, die Fußrasten eng und tief anzubringen, ohne dass sie in Kurven schleifen.
Oldschool wie in den 90er-Jahren sind die halbhoch angebrachten Lenkerstummel. Ausgedehnte Tagestouren gelingen mit der RS 660 ohne Muskelkater. Soll kein Beifahrer mit, muss man den serienmäßigen Soziussitz gegen das aufpreispflichtige, schnittige Solisten-Heckteil austauschen.
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Beim Thema Fahrwerk glänzt Aprilia, wie es sich für 54 Weltmeistertitel ziemt. Es gibt nur wenige Motorräder, die auf Anhieb so viel Vertrauen vermitteln. Es ist der 660er ganz egal, ob man sie durch Kreisverkehre prügelt, voll zusammenstaucht, über enge Passstraßen feuert – stets bleibt sie präzise und gelassen.
Auf Holperstrecken teilt das hintere Federbein aus, hier hat man die Volleinstellung samt Umlenkung eingespart. Aber es ist nachvollziehbar, dass bei dem Kaufpreis nicht alle Teile exquisit sein können.
Sportlich und sehr alltagstauglich
Inzwischen wurden auch Kritikpunkte abgestellt: Die rechte Schwingenseite bekam einen Schutz, damit der Fahrerstiefel nicht mehr reibt. Der Fernlichtschalter wurde gekürzt, damit man ihn nicht mehr versehentlich betätigt. Doch Kritik war in diesem Fall Jammern auf hohem Niveau, denn die praktischen Dinge überwogen. Wie die fein einstellbaren Schalt- und Bremshebel, der leicht erreichbare Seitenständer oder der herrlich kleine Wendekreis. Und das geringe Gewicht von 183 Kilogramm begeistert. Unterm Strich überzeugt die Aprilia RS 660 und hat in der Mittelklasse kaum Konkurrenz zu fürchten.
Technische Daten Aprilia RS 660
Herstellerangaben | |
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Motor/Getriebe | Flüssigkeitsgekühlter Parallel-Zweizylinder-Viertaktmotor, 659 ccm Hubraum, vier Ventile pro Zylinder, DOHC, 73,5 kW/100 PS bei 10.500 U/min., 67 Nm bei 8500 U/min; Einspritzung, 6 Gänge, Kette |
Assistenzsysteme | Kurven-ABS, dyn. Traktionskontrolle, Wheelie-Kontrolle, Motorbremse, Tempomat, fünf Ridingmodes, Quickshifter |
Fahrwerk | Aluminium-Brückenrahmen; 41 mm Upside-down-Telegabel (Kayaba) vorne, Zug- und Druckstufendämpfung sowie Vorspannung einstellbar, 120 mm Federweg; Aluminium-Zweiarmschwinge hinten, Gasdruck-Zentralfederbein, Vorspannung und Zugstufendämpfung einstellbar, 130 mm Federweg; Leichtmetallgussräder; Reifen vorne 120/70 ZR 17, hinten 180/55 ZR 17. 320 mm |
Maße und Gewichte | Radstand 1518 mm, Sitzhöhe 820 mm, Gewicht fahrfertig 183 kg, Tankinhalt 15 l |
Bremsen | Doppelscheibenbremse vorne, 220 mm Einscheibenbremse hinten |
Verbrauch | Normverbrauch 4,9 l/100 km |
Preis | 11.690 Euro |
Ulf Böhringer/SP-X