Helmpflicht für Radfahrer: Was spricht dafür, was dagegen

Ein junger Mann mit Fahrradhelm lächelt
Ein Fahrradhelm schützt bei einem Unfall vor schweren Kopfverletzungen© Shutterstock/Africa Studio

Eine Helmpflicht für Radfahrende wird immer wieder diskutiert. Die wichtigsten Fakten und die Argumente von Befürwortern und Gegnern.

  • Aktuell besteht für Radfahrende keine Helmpflicht

  • Immer mehr tragen auf dem Rad freiwillig Helm

  • Ein Helm kann vor Kopfverletzungen schützen

Die Zahl getöteter Radfahrer nimmt zu

Ein Fahrrad liegt nach einem Unfall auf der Straße
Nach einem Fahrradunfall – 2022 wurden dabei fast 98.000 Menschen verletzt© imago images/Fotostand

2022 registrierte das statistische Bundesamt 97.856 Verletzte bei Fahrradunfällen. 75.345 von ihnen waren dabei auf einem nicht motorisierten Fahrrad, 22.511 Menschen mit dem Pedelec unterwegs gewesen. 474 Personen kamen ums Leben, davon 266 auf einem "normalen" Fahrrad und 208 auf dem Pedelec. 2021 lag die Zahl verstorbener Radfahrender noch bei 372. Damit liegt der Radverkehr nicht im allgemein positiven Trend der Unfallstatistik.

Ein Geisterrad in Berln
Dieses "Geisterrad" erinnert an ein Todesopfer im Straßenverkehr© dpa/ Wolfram Steinberg

Besorgnis erregend ist die Entwicklung der Unfallsituation bei Pedelecs. Von 2014 auf 2021 stieg wegen deren zunehmenden Verbreitung die Zahl der damit Verunglückten auf fast das Acht-, die Zahl der Getöteten auf mehr als das Dreifache. Und allein von 2021 auf 2022 nahm die Zahl der Unfalltoten hier noch einmal um fast 59 Prozent zu.

Unfälle mit Pedelecs gehen häufiger tödlich aus als solche mit Fahrrädern ohne Motor, wofür auch das Alter der Verunglückten ein Grund ist – bei älteren Menschen ist die Wahrscheinlichkeit höher, sich bei einem Sturz schwer oder tödlich zu verletzen. Verletzte oder getötete Pedelec-Fahrende waren im Durchschnitt 55 Jahre alt, die auf einem nicht motorisierten Fahrrad 41.

Fahrradfahrer mit E-bike
Aufs Pedelec? Nur gut geschützt, denn hier steigen die Unfallzahlen stark© Shutterstock/Lucigerma

Welchen Anteil Kopfverletzungen an diesen Zahlen haben, ist nicht bekannt, weil die amtliche Statistik bei einem Fahrradunfall nicht unterscheidet, welche Körperregion betroffen ist.

Immer mehr Radfahrende tragen Helm

Kleines Mädchen fährt auf ihrem Fahrrad
So ist’s richtig – von Anfang an mit Helm aufs Rad© imago images/Addictive Stock

Die Helmtragequote unter Radfahrerinnen und Radfahrern stieg innerorts laut einer Studie der Bundesanstalt für Straßenwesen von 2021 im Vergleich zum Vorjahr von 26,2 auf 31,7 Prozent an. Am höchsten – 76,6 Prozent – war sie 2021 bei den Jüngsten, nämlich bei Kindern von sechs bis zehn Jahren. Mit 20,8 Prozent deutlich unterdurchschnittlich lag sie in der Gruppe der 17- bis 21-Jährigen. Die Quote von weniger als einem Drittel Helmtragender über alle Altersklassen zeigt, dass es noch viel Aufklärungsbedarf über die schützende Wirkung eines Fahrradhelms gibt.

Die Rechtslage – gibt es eine Helmpflicht?

Zwei Rennradfahrer fahren auf einer mit Bäumen besäumten Strasse
Rennradfahrenden ist ein Helm dringend zu empfehlen© Shutterstock/SasinTipchai

Derzeit besteht in Deutschland keine gesetzliche Helmpflicht für Radfahrende. Bei einem Unfall trägt er oder sie ohne Schutzhelm daher kein Mitverschulden an einer Kopfverletzung. Anders sieht es bei sportlich Ambitionierten aus, bei denen es um Schnelligkeit geht und ein höheres Gefährdungspotenzial besteht.

Konkret gilt das für Fahrerinnen und Fahrer von Rennrädern auf der Straße und von Mountainbikes im Gelände. Bei der Ausübung ihres Sports in der Freizeit und im Rahmen von Wettkämpfen ist ihnen dringend anzuraten, einen Helm zu tragen. Andernfalls kann sie bei einem Unfall eine Mitschuld an der Schwere ihrer Kopfverletzung treffen, was mit Kürzungen der Schadensersatzansprüche durch die Versicherung verbunden wäre.

Keine gesetzliche Helmpflicht besteht auch für Pedelecs bis 25 km/h. Schnelle Pedelecs bis 45 km/h gelten als Kraftfahrzeuge und dürfen nur mit einem geeigneten Helm gefahren werden.

Auch für E-Bikes, die ohne Tretunterstützung diese Geschwindigkeiten erreichen können, gilt eine gesetzliche Helmpflicht.

Vorschriften und Erfahrungen im Ausland

Nur in einer Handvoll Staaten weltweit existiert eine Helmpflicht für Radfahrende jeden Alters, die auch kontrolliert wird. In Spanien besteht sie außerhalb geschlossener Ortschaften für alle. In weiteren Ländern, darunter Österreich, Tschechien, Kroatien und Schweden, müssen Kinder und Jugendliche grundsätzlich einen Fahrradhelm tragen. Dabei variiert die Altersgrenze von Land zu Land.

Fahrradfahrer in Australien
Helmpflicht und Linksverkehr – für Radfahrer ist in Australien einiges anders© Shutterstock/Shuang Li

Pionier war Australien, in dessen Bundesstaaten und Territorien die Verpflichtung zum Tragen eines Helms zwischen 1990 und 1992 eingeführt wurde. Danach ging nach einer Studie im International Journal of Epidemiology* von 2019 die Zahl tödlicher Unfälle von Radfahrern deutlich zurück. Die Gegner der Helmpflicht argumentieren, dass sie das Radfahren so unattraktiv mache, dass weniger Menschen mit dem Fahrrad unterwegs seien und deshalb auch weniger tödlich verunglücken.

In den Niederlanden existiert keine Helmpflicht. Laut dem Dekra Verkehrssicherheitsreport 2020* tragen in dem Fahrradland nur wenige einen Helm, in Amsterdam etwa nur 1,1 Prozent der Radfahrenden. Dennoch sind die Niederlande – nach Dänemark – das zweitsicherste Land, wenn man die Unfallzahlen mit der Gesamtfahrleistung ins Verhältnis setzt.

Wie ein Fahrradhelm schützt

Vergleich Melone und Fahrradhelm fallen zu Boden
Extrem anschaulich: Ein Helm schützt empfindlichen Inhalt© ADAC Test und Technik

Bei einem Verkehrsunfall erleiden viele Radfahrende schwere Kopf- und Hirnverletzungen. Ein Helm lässt diese deutlich weniger schwer ausfallen: Ohne Helm trifft die Aufprallkraft konzentriert auf eine kleine Fläche und kommt dadurch mit großem Druck zur Wirkung. Mit Helm aber verteilt sich die Kraft auf eine viel größere Fläche, im Optimalfall auf die gesamte Helmauflagefläche. Sehr anschaulich wird dies beim sogenannten Melonentest: Wenn die Frucht ungeschützt aus 1,50 Metern fällt, zerbricht sie. In einen – ausgemusterten – Fahrradhelm gelegt, richtig befestigt und aus der gleichen Höhe fallen gelassen, bleibt sie unbeschädigt.

Die Verkehrsministerien Baden-Württembergs und Thüringens ließen von der HFC Human-Factors-Consult GmbH* zwischen 2014 und 2017 Fragestellungen rund um Fahrradhelm und Fahrradhelmpflicht untersuchen. Nach dieser Studie war bei einem Viertel aller Fahrradunfälle der Kopf betroffen, und Helme konnten 20 Prozent der leichten und 80 Prozent der schweren Kopfverletzungen verhindern.

Die Dekra Fahrzeugtechnik* testete und bewertete 2020 das Nutzenpotenzial von Fahrradhelmen in realen Unfallszenarien. Als Fazit der zahlreichen Crashversuche stellte sie fest, dass richtig getragene Fahrradhelme das Risiko schwerer Kopfverletzungen bei einem Unfall – sowohl mit einem Unfallgegner als auch bei einem Sturz ohne Fremdbeteiligung – deutlich reduzieren.

Die ADAC Unfallforschung belegt, dass ein Helm beim Sturz effektiv vor vielen Kopfverletzungen schützen kann. Empfehlenswerte Produkte sind im ADAC Test von Fahrradhelmen für Erwachsene und für Kinder zu finden. Eines der Resultate: Sogar ein schlechter Helm kann im Ernstfall Leben retten, wenn er richtig getragen wird.

Tipps zum Helmkauf und -tragen

Frau fährt auf einem Fahrrad
Damit der Helm gut schützen kann, müssen seine Riemen straffer sitzen als hier© Shutterstock/antoniodiaz

Die wichtigste Empfehlung ist zunächst, auch für jede noch so kurze Strecke auf dem Rad einen Helm zu tragen.

Tipps zum Fahrradhelm

Damit ein Fahrradhelm im Fall des Falles seine schützende Wirkung entfalten kann, ist einiges zu beachten:

  • Vor dem Kauf sollte man ihn unbedingt anprobieren. So lassen sich Passform und Einstellmöglichkeiten prüfen und Fehlkäufe vermeiden.

  • Dass der Helm den geltenden Anforderungen genügt, zeigt das CE-Kennzeichen als Mindestanforderung.

  • Der Helm sollte mit einer LED-Beleuchtung und reflektierenden Elementen an der gesamten Helmschale sowie im Kinnriemen ausgestattet sein. Noch besser wird die Sichtbarkeit mit einem hellen Design in auffälligen Farben.

  • Vor dem Aufsetzen ist darauf zu achten, dass die Riemen nicht verdreht sind. Beim aufgesetzten Helm sollen sie vor und hinter dem Ohr vorbeilaufen. Das Kinnriemenschloss darf bei straff gespanntem Riemen nicht direkt auf dem Unterkieferknochen aufliegen, sondern unter dem Kinn.

  • Der Helm soll mittig auf dem Kopf sitzen und die Hälfte der Stirn bedecken. Bei geschlossenem Kinnriemen darf er sich nicht verschieben lassen.

  • Der TÜV empfiehlt ebenso wie der ADAC, einen Helm nach fünf Jahren auszumustern.

  • Nach einem Sturz ist der Helm zu entsorgen und zu ersetzen. Denn es können nicht sichtbare Schäden entstanden sein, die seine Schutzfunktion teilweise oder ganz beeinträchtigen.

  • Daher gilt auch: Helme nicht gebraucht kaufen!

So kann Radfahren sicherer werden

Fahrradweg mit Radfahrer
Eine deutliche Markierung trägt zur Sicherheit von Radwegen bei© Shutterstock/Axel Bueckert

Die Infrastruktur für den Radverkehr lässt in Deutschland oft zu wünschen übrig. Um die Verkehrssicherheit für Radfahrer zu erhöhen, müssen die Kommunen, Landkreise und Bundesländer für sichere Radverkehrsanlagen sorgen. Dazu gehört – auch wegen der starken Zunahme von Pedelecs – die Realisierung durchgängiger Radverkehrsnetze mit ausreichend breiten Radwegen und sicheren Führungen über Knotenpunkte und Einmündungen. Auch Radschnellwege und Fahrradstraßen sind hilfreiche Maßnahmen.

Wichtig ist mehr Aufklärungsarbeit, damit alle Verkehrsteilnehmenden, also Auto- und Radfahrende, Fußgänger und Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel, mehr Verständnis füreinander entwickeln. Gefordert sind mehr gegenseitige Rücksichtnahme und die Einhaltung der Verkehrsregeln.

Der Standpunkt des ADAC

Rad- und Autofahrer können vieles tun, Unfälle zu vermeiden, doch ein Risiko bleibt. Unter diesen Rahmenbedingungen bieten Helme den Radfahrenden den bestmöglichen Schutz.

Vor allem aus versicherungstechnischen Gründen wird die Einführung einer Helmpflicht aber als nicht zielführend angesehen. Eine effektive Überwachung erscheint kaum durchsetzbar, und es ist ein Rückgang der Fahrradnutzung im Allgemeinen und von Leihsystemen im Speziellen zu erwarten.

Der ADAC empfiehlt – unabhängig vom gefahrenen Tempo und der Länge des Weges – ausdrücklich das Tragen eines Fahrradhelms.

Den vollständigen Standpunkt des ADAC können Sie hier herunterladen:

Helmpflicht für Radfahrer (ADAC Standpunkt)
PDF, 72,4 KB
PDF ansehen

* Durch Anklicken des Links werden Sie auf eine externe Internetseite weitergeleitet, für deren Inhalt der jeweilige Seitenbetreiber verantwortlich ist.