Helmpflicht für Radfahrer: Pro und contra
Eine Helmpflicht für Radfahrerinnen und Radfahrer wird immer wieder diskutiert. Die wichtigsten Fakten und die Argumente von Befürwortern und Gegnern.
Aktuell besteht für Radfahrende keine Helmpflicht
Immer mehr tragen auf dem Rad freiwillig Helm
Ein Helm schützt vor schweren Kopfverletzungen
Die Zahl getöteter Radfahrer nimmt zu
2023 registrierte das statistische Bundesamt 94.561 Verunglückte bei Fahrradunfällen. 70.903 von ihnen waren dabei auf einem nicht motorisierten Fahrrad, 23.658 Menschen mit dem Pedelec unterwegs gewesen. 444 Personen kamen ums Leben, davon 256 auf einem "normalen" Fahrrad und 188 auf dem Pedelec. Der Radverkehr folgt leider nicht dem allgemein positiven Trend der Unfallstatistik.
Unfälle mit Pedelecs gehen häufiger tödlich aus als solche mit Fahrrädern ohne Motor, wofür auch das Alter der Verunglückten ein Grund ist – bei älteren Menschen ist zudem die Wahrscheinlichkeit höher, sich bei einem Sturz schwer oder tödlich zu verletzen. Verletzte oder getötete Pedelec-Fahrende waren im Durchschnitt 53 Jahre alt, die auf einem nicht motorisierten Fahrrad 42.
Welchen Anteil Kopfverletzungen an diesen Zahlen haben, ist nicht bekannt, weil die amtliche Statistik bei einem Fahrradunfall nicht unterscheidet, welche Körperregion betroffen ist.
Jung oder alt: Wer trägt einen Helm?
Die Helmtragequote lag 2022 bei 40,3 Prozent. Dabei war sie bei Pedelecfahrern mit 60,1 Prozent deutlich höher als bei konventionellen Radfahrerinnen und -fahrern (34 Prozent). Am höchsten – 81,3 Prozent – war sie 2022 bei den Jüngsten, nämlich bei Kindern von sechs bis zehn Jahren.
Mit 31,2 Prozent liegt die Gruppe der 17- bis 21-Jährigen in der Statistik ganz hinten. Die Gesamtquote von gerade mal 40 Prozent über alle Altersklassen zeigt, dass es noch viel Aufklärungsbedarf über die schützende Wirkung eines Fahrradhelms gibt.
Die Rechtslage: Es gibt keine Helmpflicht
Derzeit besteht in Deutschland keine gesetzliche Helmpflicht für Radfahrende. Bei einem Unfall trägt er oder sie ohne Schutzhelm daher kein Mitverschulden an einer Kopfverletzung. Anders sieht es bei sportlich Ambitionierten aus, bei denen es um Schnelligkeit geht und ein höheres Gefährdungspotenzial besteht.
Konkret gilt das für Fahrerinnen und Fahrer von Rennrädern auf der Straße und von Mountainbikes im Gelände. Bei der Ausübung ihres Sports in der Freizeit und im Rahmen von Wettkämpfen wird dringend geraten, einen Helm zu tragen. Andernfalls kann die Betroffenen bei einem Unfall eine Mitschuld treffen, was mit Kürzungen der Schadensersatzansprüche durch die Versicherung verbunden wäre.
Keine gesetzliche Helmpflicht besteht auch für Pedelecs bis 25 km/h. Schnelle Pedelecs bis 45 km/h gelten als Kraftfahrzeuge und dürfen nur mit einem geeigneten Helm gefahren werden.
Auch für E-Bikes, die ohne Tretunterstützung diese Geschwindigkeiten erreichen können, gilt eine gesetzliche Helmpflicht.
Vorschriften und Erfahrungen im Ausland
Nur in einer Handvoll Staaten weltweit existiert eine Helmpflicht für Radfahrende jeden Alters, die auch kontrolliert wird. In Spanien besteht sie außerhalb geschlossener Ortschaften für alle. In weiteren Ländern, darunter Österreich, Tschechien, Kroatien und Schweden, müssen Kinder und Jugendliche grundsätzlich einen Fahrradhelm tragen. Dabei variiert die Altersgrenze von Land zu Land.
Pionier war Australien, in dessen Bundesstaaten und Territorien die Verpflichtung zum Tragen eines Helms zwischen 1990 und 1992 eingeführt wurde. Danach ging nach einer Studie im International Journal of Epidemiology von 2019 die Zahl tödlicher Unfälle von Radfahrern deutlich zurück.
Die Gegner der Helmpflicht argumentieren, dass diese das Radfahren so unattraktiv mache, dass weniger Menschen mit dem Fahrrad unterwegs seien und deshalb auch weniger tödlich verunglücken.
Wie ein Fahrradhelm schützt
Bei einem Verkehrsunfall erleiden viele Radfahrende schwere Kopf- und Hirnverletzungen. Ein Helm lässt diese deutlich weniger schwer ausfallen: Ohne Helm trifft die Aufprallkraft konzentriert auf eine kleine Fläche und kommt dadurch mit großem Druck zur Wirkung. Mit Helm aber verteilt sich die Kraft auf eine viel größere Fläche, im Optimalfall auf die gesamte Helmauflagefläche.
Sehr anschaulich wird dies beim sogenannten Melonentest: Wenn die Frucht ungeschützt aus 1,50 Metern fällt, zerbricht sie. In einen – ausgemusterten – Fahrradhelm gelegt, richtig befestigt und aus der gleichen Höhe fallen gelassen, bleibt sie unbeschädigt.
Die Verkehrsministerien Baden-Württembergs und Thüringens ließen von der HFC-Human-Factors-Consult GmbH zwischen 2014 und 2017 Fragestellungen rund um Fahrradhelm und Fahrradhelmpflicht untersuchen. Nach dieser Studie war bei einem Viertel aller Fahrradunfälle der Kopf betroffen, und Helme konnten 20 Prozent der leichten und 80 Prozent der schweren Kopfverletzungen verhindern.
Die Dekra Fahrzeugtechnik testete und bewertete 2020 das Nutzenpotenzial von Fahrradhelmen in realen Unfallszenarien. Als Fazit der zahlreichen Crashversuche stellte sie fest, dass richtig getragene Fahrradhelme das Risiko schwerer Kopfverletzungen bei einem Unfall – sowohl mit einem Unfallgegner als auch bei einem Sturz ohne Fremdbeteiligung – deutlich reduzieren.
Die ADAC Unfallforschung belegt, dass ein Helm beim Sturz effektiv vor vielen Kopfverletzungen schützen kann. Empfehlenswerte Produkte sind im ADAC Test von Fahrradhelmen für Erwachsene und für Kinder zu finden. Eines der Resultate: Sogar ein schlechter Helm kann im Ernstfall Leben retten, wenn er richtig getragen wird.
Tipps zum Helmkauf und zum Tragen
Die wichtigste Empfehlung ist, auch für jede noch so kurze Strecke auf dem Rad einen Helm zu tragen. Denn auch auf kurzen Strecken können Unfälle passieren.
Tipps zum Fahrradhelm
Damit ein Fahrradhelm im Fall des Falles seine schützende Wirkung entfalten kann, ist einiges zu beachten:
Vor dem Kauf sollte man ihn unbedingt anprobieren. So lassen sich Passform und Einstellmöglichkeiten prüfen und Fehlkäufe vermeiden.
Dass der Helm den geltenden Anforderungen genügt, zeigt das CE-Kennzeichen als Mindestanforderung.
Der Helm sollte mit einer LED-Beleuchtung und reflektierenden Elementen an der gesamten Helmschale sowie im Kinnriemen ausgestattet sein. Noch besser wird die Sichtbarkeit mit einem hellen Design in auffälligen Farben.
Vor dem Aufsetzen ist darauf zu achten, dass die Riemen nicht verdreht sind. Beim aufgesetzten Helm sollen sie vor und hinter dem Ohr vorbeilaufen. Das Kinnriemenschloss darf bei straff gespanntem Riemen nicht direkt auf dem Unterkieferknochen aufliegen, sondern unter dem Kinn.
Der Helm soll mittig auf dem Kopf sitzen und die Hälfte der Stirn bedecken. Bei geschlossenem Kinnriemen darf er sich nicht verschieben lassen.
Der TÜV empfiehlt ebenso wie der ADAC, einen Helm nach fünf Jahren auszumustern.
Nach einem Sturz ist der Helm zu entsorgen und zu ersetzen. Denn es können nicht sichtbare Schäden entstanden sein, die seine Schutzfunktion teilweise oder ganz beeinträchtigen.
Daher gilt auch: Helme nicht gebraucht kaufen!
So kann Radfahren sicherer werden
Die Infrastruktur für den Radverkehr in Deutschland ist nicht immer optimal. Um die Verkehrssicherheit für Radfahrer zu erhöhen, müssen die Kommunen, Landkreise und Bundesländer für sichere Radverkehrsanlagen sorgen. Dazu gehört – auch wegen der starken Zunahme von Pedelecs – die Realisierung durchgängiger Radverkehrsnetze mit ausreichend breiten Radwegen und sicheren Führungen über Knotenpunkte und Einmündungen. Auch Radschnellwege und Fahrradstraßen sind hilfreiche Maßnahmen.
Wichtig ist mehr Aufklärungsarbeit, damit alle Verkehrsteilnehmenden, also Auto- und Radfahrende, Fußgänger und Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel, mehr Verständnis füreinander entwickeln. Gefordert sind mehr gegenseitige Rücksichtnahme und die Einhaltung der Verkehrsregeln.
Der Standpunkt des ADAC
Rad- und Autofahrer können vieles tun, Unfälle zu vermeiden, doch ein Risiko bleibt. Unter diesen Rahmenbedingungen bieten Helme den Radfahrenden den bestmöglichen Schutz.
Vor allem aus versicherungstechnischen Gründen wird die Einführung einer Helmpflicht aber als nicht zielführend angesehen. Eine effektive Überwachung erscheint kaum durchsetzbar, und es ist ein Rückgang der Fahrradnutzung im Allgemeinen und von Leihsystemen im Speziellen zu erwarten.
Der ADAC empfiehlt – unabhängig vom gefahrenen Tempo und der Länge des Weges – ausdrücklich das Tragen eines Fahrradhelms.
Den vollständigen Standpunkt des ADAC können Sie hier herunterladen: