ADAC Test: Einparken mit Notbremsfunktion

Fünf Autos stehen nebeneinander
Test: Bremsen die Fahrzeuge beim Rangieren für Fußgänger?© ADAC/Uwe Rattay

Notbremssysteme können beim Rückwärtsfahren Unfälle zwischen Pkw und anderen Verkehrsteilnehmern verhindern. Doch wie gut funktionieren sie? Der ADAC hat mehrere AEB-Systeme (Autonomous Emergency Braking) in verschiedenen Szenarien getestet. Ergebnis: Kein System arbeitet aktuell perfekt.

  • Im Test: Mercedes, Volvo, BMW, Seat, Skoda

  • 100 Prozent verlässlich bremst kein System

  • Kniffliger Extratest: Kleinkind auf Bobbycar

Bisher gibt es Assistenzsysteme, die Fußgänger schützen können, hauptsächlich an den Fronten von Fahrzeugen: Notbremsassistenten mit Fußgängererkennung werden seit 2016 im Verbraucherschutz bewertet und sollen helfen, Unfälle zu vermeiden oder zumindest zu entschärfen.

Seit dem Jahr 2020 wird auch das Bremsen beim Erkennen von Fußgängern beim Rückwärtsfahren im Euro NCAP Test bewertet. Der ADAC hat schon 2019 die Modelle von Mercedes, Volvo, Seat, Skoda und BMW in verschiedenen Szenarien getestet. Die Fahrzeugauswahl ist aktuell noch eingeschränkt, da nicht alle Hersteller Notbremssysteme für Rangiervorgänge anbieten.

Viele Unfälle passieren beim Rückwärtsfahren

Fußgänger läuft hinter einem Auto bei einem AEB Test in Penzing
Hier reagiert der Parkassistent zu spät: Es kommt zur Kollision© ADAC/Uwe Rattay

Zahlen aus der Unfallforschung zeigen jedoch, dass etwa 17 Prozent aller Fußgänger-Pkw-Kollisionen mit Personenschaden am Heck eines Fahrzeugs stattfinden und teils zu schweren Unfällen führen. Denn auch bei einem leichten Zusammenstoß und einem nachfolgenden Sturz können besonders ältere Menschen schwere Verletzungen erleiden.

Zudem könnten Notbremssysteme beim Rückwärtsfahren Sachschäden in beträchtlicher Höhe verhindern: Einer Studie der deutschen Versicherer zufolge könnten mit aktiv bremsenden Parkassistenten zwei Drittel der Park- und Rangierschäden vermieden werden – das bedeutet ein volkswirtschaftliches Einsparpotenzial von 2,1 Milliarden Euro jährlich.

Und noch ein Aspekt unterstreicht die Wichtigkeit von Parkassistenten: Unsere Messungen zeigen, dass die Rundumsicht in vielen Fahrzeugen zu wünschen übrig lässt. Breite Dachsäulen, dicke Kopfstützen und hohe Fensterlinien verdecken leicht Fußgänger oder andere Fahrzeuge, die sich am Heck des eigenen Pkw befinden. Assistenten könnten diese Defizite ausgleichen.

So funktionieren AEB-Systeme

Auto mit Bremsassistent fährt rückwärts während ein Radfahrer naht
Schwierig: Sensoren müssen den querenden Radfahrer erkennen© ADAC/Uwe Rattay

Die automatischen Notbremssysteme (AEB) funktionieren nach zwei Sensor-Konzepten: Für den Nahbereich werden eher die Ultraschallsensoren am Heck genutzt, die häufig bereits als "Parkpiepser" verbaut sind. Rückwärtiger Querverkehr erfordert Sensoren mit größerer Reichweite. Seitlich angeordnete Radarsensoren können diese liefern. Mercedes und Volvo arbeiten mit Radarsensoren seitlich im Stoßfänger, Skoda, Seat und BMW verwenden Ultraschall, kombiniert mit Radar im seitlichen Stoßfänger. Obwohl Mercedes und Volvo die Ultraschallsensoren auch verbaut haben, werden deren Signale nur für die Warnung vor Hindernissen verwendet.

ADAC: Die drei Test-Szenarien

Der ADAC hat drei reale Situationen beim Ausparken nachgestellt. Der zu testende Pkw fährt rückwärts zu auf

  • eine stehende Fahrzeugattrappe

  • eine stehende Person bzw. einen Fußgänger

  • einen querenden Fahrradfahrer bzw. querenden Pkw

Das Ausparken erfolgt jeweils mit zwei Geschwindigkeiten, einmal mit vier und einmal mit acht Stundenkilometern. Bewertet wurden die Qualität und der Zeitpunkt der automatischen Bremsung. Warnungen wurden ignoriert.

Die fünf Testautos

Tabelle: Die Testergebnisse im Überblick

Plus/Minus: Die Testergebnisse im Detail

BMW 5er

BMW adressiert mit dem „Active PDC“ im 5er die meisten der ausgewählten Testszenarien. Es erfolgt ein automatischer Bremseingriff sowohl auf stehende Hindernisse als auch auf bewegte Fußgänger. Dabei werden die kostengünstigen Ultraschallsensoren genutzt.

  • Plus: zuverlässige Bremsung auf stehende Hindernisse , System adressiert alle Testszenarien

  • Minus: keine optische Anzeige bei Bremsung , bewegter Fußgänger: Probleme bei 8 km/h , Szenario rückwärtiger Querverkehr: etwas unzuverlässig, späte Bremsung

Mercedes A-Klasse

Mercedes nutzt Radarsensoren seitlich am Stoßfänger. Beim Zufahren auf stehende Hindernisse erfolgt kein Eingriff. Zwar erfolgt eine Bremsung bei Fußgängern und das teilweise sogar sehr früh, in kritischen Situationen kann das System jedoch nicht mehr reagieren. Die Ultraschallsensoren sollten mitverwendet werden, um den Systemnutzen zu steigern.

  • Plus: Bremsung beim Erkennen von Fußgängern , früher Eingriff

  • Minus: kein Eingriff bei stehenden Hindernissen , Schwächen im Nahbereich: kein Eingriff in kritischen Situationen , Eingriff auf rückwärtig querendes Fahrzeug unzuverlässig , sehr kleine optische Warnung

Seat Ateca

Die ultraschallbasierte Rangierbremsfunktion vermeidet robust das Auffahren auf stehende Hindernisse. Auf sich bewegende Fußgänger reagiert der Seat zu spät. Die optische Anzeige während der automatischen Bremsung informiert den Fahrer sehr klar und differenziert sogar zwischen Rangierbremsfunktion und Notbremsung bei rückwärtigem Querverkehr.

Obwohl der Seat dasselbe System wie der Skoda besitzen sollte, ist seine Leistung merklich besser. Auf sich bewegende Fußgänger erfolgt die Reaktion jedoch zu spät. Da ein später Eingriff erfolgt und der Fußgänger deswegen nicht überrollt wird, schneidet der Seat im Gesamtergebnis etwas besser ab als der Skoda.

  • Plus: zuverlässige Bremsung bei stehenden Hindernissen , sehr gute Anzeige bei und nach Bremseingriff

  • Minus: Eingriff auf sich bewegende Fußgänger zu spät

Skoda Kodiaq

Die ultraschallbasierte Rangierbremsfunktion vermeidet robust das Auffahren auf stehende Hindernisse. Auf sich bewegende Fußgänger reagiert der Skoda nicht. Die optische Anzeige während der automatischen Bremsung informiert den Fahrer sehr klar und differenziert sogar zwischen Rangierbremsfunktion und Notbremsung bei rückwärtigem Querverkehr.

  • Plus: zuverlässige Bremsung bei stehenden Hindernissen , sehr gute Anzeige bei und nach Bremseingriff

  • Minus: kein Eingriff bei sich bewegendem Fußgänger

Volvo V60

Volvo nutzt CTA (Cross Traffic Alert) mit Bremsautomatik durch Radarsensoren seitlich am Stoßfänger. Bei stehenden Hindernissen oder Fußgängern erfolgt kein Eingriff. Die Ultraschallsensoren sollten mitverwendet werden.

  • Plus: CTA-Funktion greift früh und zuverlässig ein , Anzeige bei Eingriff der CTA-Funktion

  • Minus: kein Eingriff bei Fußgängern , kein Eingriff bei stehenden Hindernissen

Extratest: Werden auch kleine Kinder erkannt?

Bobbycar-Dummy fährt hinter einem Auto
Testszenario: Der Seat rollt auf den Kleinkind-Dummy zu© ADAC/Test und Technik

Es war ein tragischer Unfall, der die ADAC Ingenieure Anfang März 2021 beunruhigte: In einer Marktgemeinde im niederbayrischen Landkreis Kehlheim war ein dreijähriges Mädchen von einem rückwärts fahrenden Transporter überrollt und tödlich verletzt worden. Denn aus ihrer Testerfahrung wussten sie: Solche Unfälle wären mit der einfachen Technik eines automatisch bremsenden Parkassistenten leicht vermeidbar.

Das Problem: Euro NCAP berücksichtigt zwar seit 2020 in seinem Testprogramm den Schutz von Fußgängern beim Rückwärtsfahren. Doch im Testverfahren wird der übliche Erwachsenen-Dummy verwendet, der auf Basis der Unfallstatistik klar die höchste Relevanz hat. Und deshalb ist leider nicht sichergestellt, dass auch kleinere Verkehrsteilnehmer erkannt werden.

Um das auszuprobieren, besorgten sich die ADAC Tester einen neuartigen Kleinkinder-Dummy, den sie in einer Entfernung von zwei Metern hinter einem Seat Arona auf ein Bobbycar setzten. Der Test-Seat war mit der Rangierbremsfunktion ausgestattet und rollte im Standgas langsam auf das Dummy-Gespann zu.

Das Ergebnis: Auch wenn der Dummy bei jedem Versuch leicht berührt wurde, konnte das System zuverlässig die Bremse aktivieren. Ein Überrollen wäre in jedem Fall verhindert worden. Ein sehr positives Ergebnis – auch wenn es noch Verbesserungspotenzial gibt.

Mit einfacher Ultraschalltechnik, die sich in sehr vielen Pkw findet, wären wirksame Systeme leicht umsetzbar. Und auch wenn sie noch keine hundertprozentige Erkennung zulassen, ist dies ein erster wichtiger Schritt.

Ein wichtiges Etappenziel auf dem Weg zum Schutz der Kinder ist schon erreicht: Auf Empfehlung des ADAC wird Euro NCAP ab 2023 auch Kinder-Dummys beim Test der rückwärtigen Bremsfunktionen berücksichtigen, um diesen Fall abzusichern.

Der VW-Konzern verbaut in vielen Modellen bereits die ultraschallbasierte "Rangierbremsfunktion". Der ADAC ermutigt deshalb auch alle anderen Fahrzeughersteller, dem Beispiel von VW zu folgen und die bereits häufig verbaute Einparkhilfe um eine automatische Bremsfunktion zu erweitern. Damit tödliche Unfälle wie in Niederbayern hoffentlich bald Vergangenheit sind.

Fazit: Weiterentwicklung ist nötig

Auto mit Bremsassistent fährt rückwärts auf ein parkendes Auto
Gut, wenn es beim Blechschaden bleibt© ADAC/Uwe Rattay

Der Test zeigt, dass die automatisch bremsenden Parkassistenten viel Potenzial haben, aber längst noch nicht optimal sind. Selbst das System des Spitzenreiters BMW arbeitet noch nicht zu 100 Prozent zuverlässig. Ideal ist eine Kombination aus Radar- und Ultraschallsensoren, wobei bereits die kostengünstigen Ultraschallsensoren effektiv sind, obwohl deren Reichweite mit drei Metern deutlich geringer ist als die der Radarsensoren.

Die Hersteller sollten ihre Fahrzeuge serienmäßig mit einem wirksamen Parkassistenten mit Bremsfunktion ausstatten. Die dazu nötige Technik ist in den meisten Pkw schon vorhanden: Die Heck-Ultraschallsensoren müssten lediglich mit der Bremsfunktion verknüpft werden, die das in Neuwagen obligatorische ESP-System bereits beherrscht.

Käufer sollten sich beim Händler gut über den Funktionsumfang informieren und sich die oft unübersichtliche Preisliste erläutern lassen. Vorsicht: Ausprobieren sollte man die technischen Helfer vorab nicht, das endet oft im selbst verschuldeten Schaden.

Fachliche Beratung: Andreas Rigling, ADAC Technik Zentrum

Hier testet der ADAC moderne Assistenzsysteme: Das Testzentrum Mobilität in Penzing