Rundumsicht: SUV mit Defiziten beim Durchblick

Frau am Steuer
Breite A-Säulen und hohe Seitenfenster-Linien schränken die Rundumsicht erheblich ein.© stock.adobe.com/Yakobchuk Olena

Klein schlägt Groß: Klein- und Kleinstwagen haben eine größere Rundumsicht als Fahrzeuge der Oberklasse. Breite A-Säulen und hohe Seitenlinien, die SUV und andere schwere Fahrzeuge aus Gründen der Crash-Sicherheit brauchen, schränken den Durchblick ein. Das ist ein Ergebnis aus unserer Untersuchung von 200 aktuellen Pkw.

Obwohl Autos immer sicherer werden, ist die Rundumsicht durch modernes Design gleichzeitig immer eingeschränkter. Dabei zählen laut ADAC Unfallforschung Einbiege-, Kreuzungs- und Abbiegeunfälle zu den häufigsten Unfalltypen, mit dem Übersehen eines anderen Verkehrsteilnehmers als Hauptursache. Um einen Vergleich zu haben, wurden die Pkw nach Fahrzeugklassen und Karosserieformen eingeteilt und bewertet. Ein besonderer Fokus lag dabei auf der A-Säule.

Airbags, Steifigkeit der Karosserie, aber auch das Fahrzeugdesign und eine verbesserte Aerodynamik stehen oft im direkten Konflikt mit der Übersichtlichkeit von modernen Pkw. So sind z.B. große Frontscheiben-Neigungswinkel für eine gute Aerodynamik nötig, der Sicht aber abträglich. Durch die veränderten Sichtachsen „verschwinden“ andere Verkehrsteilnehmer hinter der A-Säule.

So haben wir getestet

Die Datenbasis sind 200 ADAC Fahrzeugtests, die aktuelle Modelle beinhaltet. Mit Hilfe einer Kameralinse auf einer Messpuppe wird die Sicht des Fahrers wiedergegeben. Eine spezielle Software erstellt ein 360-Grad-Panoramabild, sämtliche relevanten Hindernisse im Sichtfeld werden erfasst und automatisch ausgewertet. Eine Gesamtnote der Sichtverhältnisse nach vorne ergibt sich aus dem Mittelwert der Sichteinschränkung von linker und rechter A-Säule.

Rundumsicht nach Fahrzeugklassen: Klein schlägt Groß

Der Vergleich der Fahrzeugklassen zeigt den Konflikt aus Fahrzeuggröße und Dachsäulenkonstruktion. Klein- und Kleinstwagen schneiden daher durchschnittlich besser ab (ADAC Note 3,4) als große Fahrzeuge aus der Oberklasse (ADAC Note 4,6). Für die Bewertung der Oberklasse liegen uns jedoch lediglich fünf Testergebnisse vor, eine aussagekräftige Bewertung ist somit nur bedingt zu machen.

Fahrzeugklasse

Rundumsicht

Kleinst-, Kleinwagen

3,4

Untere Mittelklasse

3,7

Mittlere Mittelklasse

3,7

Obere Mittelklasse

3,8

Oberklasse

4,6

Rundumsicht nach Karosserieart: Van ist Top, Stufenheck ist Flop

Die Rundumsicht ist bei den Vans zwar auch nur befriedigend (ADAC Note 3,5), das ist aber gleichzeitig der beste Wert. Alle weiteren Karosseriearten erreichen nur die Durchschnittsnote ausreichend. SUV schneiden bei der Rundumsicht relativ schlecht ab, denn die schweren und großen Fahrzeuge haben zumeist besonders breite Dachsäulenkonstruktionen, was sich negativ auf die Sichtverhältnisse auswirkt. Schlusslicht der Tabelle bilden die Stufenheck-Karossen. Besonders der flache Heckscheibenwinkel, die nach hinten abfallende Dachlinie und die schrägen C-Säulen erzeugen hier große Abdeckungsflächen. Die im Allgemeinen kleinen Unterschiede zeigen jedoch, dass unterschiedliche Karosseriearten nur eine geringe Auswirkung auf die Rundumsicht haben. Für Fahrzeughersteller ist es somit möglich, für alle Karosserieformen eine gute Rundumsicht zu erzielen.

Karosserieart

Rundumsicht

Van

3,5

Schrägheck

3,6

Kombi

3,7

SUV

3,7

Stufenheck

3,9

Toter Winkel durch A-Säule

Toter Winkel durch A-Säule
© ADAC e.V.

Einbiege- bzw. Kreuzungsunfälle kommen mit mehr als 60 Prozent durch eine Kollision mit einem von links kommenden Verkehrsteilnehmer zustande. Grund ist die Distanz des Fahrers zur linken A-Säule, da durch den kurzen Abstand der Säulen zum Augenpunkt des Fahrers diese deutlich breiter erscheinen, als das auf der rechten Fahrzeugseite der Fall ist. Die Sichteinschränkung, unterteilt in linke und rechte Abdeckung durch die A-Säule, ergibt die Note über die Sichtgüte nach vorne.

Nur wenige Fahrzeuge erzielen eine akzeptable Benotung bei der Sicht nach vorne. Auffällig gut schneiden wieder die Kleinstfahrzeuge und Kleinwagen ab. Der Suzuki Jimny zeigt besonders gelungene Sichtverhältnisse. Der steile Windschutzscheibenwinkel, die schmalen A-Säulen und die dünne Dachsäulenkonstruktion erzeugen besonders gute Sichtverhältnisse, der Insassenschutz ist jedoch grenzwertig (s.o.). Auch der Smart Fortwo hat mit seinem kleinen Windschutzscheibenrahmen besonders wenig Abdeckungsflächen. Der Toyota Prius zeigt auf, dass auch eine aerodynamisch optimierte Fahrzeugform eine gute Sicht bieten kann. Kia Picanto und Kia Rio finden sich auch noch unter den Spitzenreitern.

Marke und Baureihe

Sicht nach vorne

Suzuki Jimny

1,5

Smart Fortwo Cabrio

1,8

Toyota Prius Plug-In

1,9

Kia Picanto

2,0

Kia Rio

2,0

Vans, SUV und exotische Fahrzeuge erzielen zum größten Teil die schlechtesten Bewertungen bei der Bewertung der Sichtverhältnisse in Bezug auf die A-Säule. Hochaufbauende Vans wie der BMW 2er Active Tourer verfügen über eine doppelte A-Säulenkonstruktion. In Kombination mit dem flachen Neigungswinkel dieses Dachsäulenaufbaus entsteht eine außergewöhnlich hohe Sichteinschränkung nach vorne. Der BMW i8 Roadster verfügt über für einen Sportwagen typischen, sehr flachen Scheibenwinkel. Die Windschutzscheibenoberkante und der Punkt, an dem die A-Säule mit dem Dach angebunden ist, befindet sich somit sehr nahe am Augenpunkt des Fahrers. In Kombination mit der zum Fahrer verhältnismäßig hohen Position der Seitenspiegel ergibt sich eine äußerst große Sichteinschränkung nach vorne.

Hier geht's zu den Euro NCAP-Crashtests 2018: So sicher sind unsere Autos

Marke und Baureihe

Sicht nach vorne

Tesla Model S

4,4

Tesla Model X

4,5

Peugeot 2008

4,5

BMW i8 Roadster

5,0

BMW 2er Active Tourer

5,0

Kleinwagen haben besten Durchblick

VW Up GTI
Der VW up! GTI hat die beste Rundumsicht über alle Fahrzeugklassen hinweg.© ADAC/Test und Technik

Beim Vergleich über alle Fahrzeugklassen und Hersteller hinweg ergibt sich: Klein- und Kleinstwagen haben aufgrund ihrer Proportionen durchschnittlich die besten Sichtverhältnisse. Oftmals bedienen die Kleinfahrzeuge auch keine außergewöhnlichen Designaspekte. Und die Crashsicherheit kann bei leichten Fahrzeugen auch mit schmalen Fahrzeugsäulen gewährleistet sein. Der VW up! GTI ist hier der Spitzenreiter, weil die Sicht im gesamten Rundumfeld am wenigsten eingeschränkt wird. Auch der Zweitplatzierte Suzuki Jimny schneidet gut ab, da er schmale Dachsäulen, gepaart mit steilem Front- und Heckscheibenfenster, hat. Empfehlen können wir ihn trotzdem nicht, weil der Suzuki nur drei von maximal fünf Sternen beim NCAP-Crashtest erreicht. Der Insassenschutz ist grenzwertig, das Verletzungsrisiko für Erwachsene teilweise hoch. Den dritten Platz ergattert der Mini wegen der großen Seitenscheiben und der guten Sicht nach hinten. Auch sitzt der Fahrer weit vor der aufrechten Frontscheibe und den A-Säulen und hat so einen guten Überblick nach vorne. Allgemein gut schneiden insbesondere dreitürige Fahrzeuge ab. Grund hierfür sind die weit nach hinten versetzten B-Säulen. Die dadurch besonders großen Freiflächen verbessern die Sicht zur Seite.

Marke und Modell

Rundumsicht

VW up! GTI

2,1

Suzuki Jimny

2,4

Mini F56

2,5

Opel Adam

2,5

Fiat 500

2,6

SUV, Coupés und Exoten haben schlechteste Rundumsicht

Freisteller eines blauen Chevrolet Camaro Coupe
Der Chevrolet Camaro Coupe bietet dem Fahrer den schlechtesten Durchblick über alle Fahrzeugklassen hinweg. © ADAC Test und Technik

Bei den Schlusslichtern zeigen sich oft besonders ungünstige Proportionen. Z.B. sorgen ansteigende bzw. hohe Seitenlinien (und damit schmale Fenster) für ein sportlicheres Erscheinungsbild, schränken die Sicht dagegen erheblich ein. Auch müssen insbesondere schwere und große Fahrzeuge mit breiten und steifen Konstruktionen der Crashsicherheit genügen. Deshalb erzielen SUV, Coupés und exotische Fahrzeuge die schlechtesten Bewertungen bei der Rundumsicht. Der Chevrolet Camaro, der Mazda 6 und der BMW i8 Roadster haben besonders flache Neigungswinkel in Front- und Heckscheibe und eine äußerst hohe Fensterlinie. 

Marke und Modell

Rundumsicht

Chevrolet Camaro Coupe

5,0

Mazda 6

5,0

BMW i8 Roadster

4,9

Infiniti Q30

4,9

Renault Koleos

4,9

Tipps für die Verbraucher

Wir empfehlen, vor dem Fahrzeugkauf die Rundumsicht im Auto zu testen und zu vergleichen. Körpergröße und die individuell bevorzugte Sitzposition können Einfluss auf die Sichtverhältnisse haben. 

Forderungen an die Hersteller

Hersteller sollten Autofahrern ein Höchstmaß an abdeckungsfreier Sicht bieten. Denn die gesetzlichen Vorschriften werden zwar von allen Fahrzeugherstellern eingehalten, trotzdem ereignen sich ständig Unfälle, die auf unzureichende Sicht zurückzuführen sind. Der ADAC fordert deshalb eine Umsetzung von Strategien, um die Sichtverhältnisse der Fahrzeugführer zu verbessern. 

Virtuelle A-Säule von Conti

Virtuelle A-Säule von Continental
Kameras in der A-Säule überbrücken die Sichteinschränkung. © Continental

Continental hat eine Studie zur „virtuellen A-Säule“ gemacht: Die A-Säulen bieten dem Fahrer einen regelrechten Durchblick durch die Abdeckungsflächen, indem ein in der Säule integrierter Monitor das abgedeckte Sichtfeld darstellt. Kameras senden hierfür Aufnahmen von der Fahrzeugumgebung an die in der A-Säule integrierten OLED-Displays. Gleichzeitig erfasst eine Innenraum-Kamera die Kopfbewegungen des Fahrers, um so eine dynamische Perspektive des Fahrzeugumfelds zu kreieren. Der VW up! GTI und der Mini F56 zeigen, wie gut eine moderne Fahrzeugkonstruktion die Sichteinschränkungen auf ein Mindestmaß bringen kann.

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Katja Legner
Redakteurin
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