Dauertest Opel Ampera-e: Unrühmliches Ende
Dem Opel Ampera-e mit Elektroantrieb wurde nach 65.000 Kilometern im Dauertestbetrieb der Stecker gezogen. Was war passiert? Und was bedeuten die Rückrufe für die Käufer?
Nur rund 1500 Fahrzeuge in Deutschland zugelassen
Alltagstaugliche Reichweiten zwischen 250 und 400 Kilometern
Restriktionen hinsichtlich Akkuladung bedeuten zwischenzeitliche Stilllegung
Entschädigung nur aufgrund von Beantragung
Große Hoffnungen wurden zu Beginn in den Ampera-e gesetzt: 520 Kilometer NEFZ-Reichweite zum Preis von weniger als 40.000 Euro – da kam die Konkurrenz nicht mit. Ob Nissan Leaf, BMW i3, Hyundai Ioniq Elektro oder VW e-Golf: Sie alle sahen im Vergleich ziemlich alt aus. Einzig der Tesla Model S – allerdings ein Elektroauto für Besserverdiener – kam weiter. General Motors war mit der Entwicklung des Chevrolet Bolt für die USA und seines europäischen Schwestermodells Opel Ampera-e ein beachtlicher Erfolg gelungen.
Elektroauto mit guten Noten im ADAC Autotest
Auch die ersten Testergebnisse des Ampera-e fielen sehr überzeugend aus. Im ADAC Ecotest schafft der elektrische Kompaktwagen bei einem Verbrauch von 19,7 kWh 342 Kilometer – das entsprach nahezu dem Praxiswert von 380 Kilometern, den Opel neben dem NEFZ-Wert angab. Damit wurde die psychologische Angstschwelle im Aktionsradius um 80 Kilometer übersprungen. Das war enorm wichtig. Weiter heißt es im ADAC Testbericht: "Das Fahrwerk bietet einen ordentlichen Komfort und eine sichere Abstimmung. Man kann bequem ein- und aussteigen, und der Innenraum bietet angemessen Platz für Passagiere und Gepäck." So das positive Gesamturteil.
Was also hätte man falsch machen können mit einer Entscheidung für den Ampera-e? Hätte man das unrühmliche Ende erwarten können, als der Ampera-e in den Dauerdienst beim ADAC gestellt wurde? War es ein schlechtes Omen, dass General Motors im Begriff war, Opel an den französischen PSA-Konzern zu verkaufen? Im Nachhinein ist man immer schlauer.
Opel Ampera-e: Im Alltag 250 bis 400 km Reichweite
Der Opel Ampera-e kam Ende 2017 in den ADAC Fuhrpark, wurde die ersten 15.000 Kilometer als Poolfahrzeug eingesetzt, bevor er im Juli 2019 in den Dauertest für Elektroautos aufgenommen wurde. In den folgenden etwas mehr als zwei Jahren legte der Ampera-e dann weitere 50.000 Kilometer zurück.
Die Nutzer im ADAC Technikzentrum lobten durchweg das großzügige Platzangebot und luftige Raumgefühl des Elektro-Kompaktwagens. Dank seines 150-kW-Elektromotors bewegte sich der Ampera-e wie ein Wolf im Schafspelz im Verkehr. Der Verbrauch hielt sich mit 19,5 kWh nach Bordcomputer insgesamt im Rahmen, die realistische Reichweite lag dabei je nach Fahrbedingungen und Außentemperatur zwischen 250 Kilometern an kalten Wintertagen bis hin zu 400 Kilometern bei angenehmen Temperaturen und gemäßigten Einsatzbedingungen.
Kurios: Seinen Reichweitenrekord erzielte der Ampera-e bei einer sommerlichen E-Rally zum Gletscher nach Sölden auf 2830 Meter Höhe und zurück, als er nach 384 Kilometern Fahrstrecke immer noch eine Restreichweite von über 100 Kilometern anzeigte.
Heute schon überholt: DC-Laden mit 55 kW
Auf der Kritikseite standen bei den Nutzern besonders die unbequeme Rücklehne des Fahrersitzes sowie die schlecht regelnde Klimaautomatik. Sie fand häufig keine Wohlfühltemperatur, es war entweder zu kalt oder zu warm. Auch die maximale DC-Ladeleistung von 55 kW war irgendwann nicht mehr wirklich zeitgemäß. Das einphasige Bordladegerät ist in den USA völlig normal und kann dort bis zu 7,2 kW (32 A) laden bei Wechselstrom, in Deutschland sind einphasig jedoch nur 4,6 kW (20 A) erlaubt. Und dann dauert eine Vollladung der leeren Batterie 15 Stunden.
Mängel und Nerviges im Betrieb
Im Großen und Ganzen erwies sich der Opel Ampera-e im Dauertestbetrieb als recht zuverlässiges Fahrzeug. Nicht einmal blieb der Elektro-Opel auf den gefahrenen 65.000 Kilometern mit einem technischen Defekt liegen. Die Tester waren mit ihm auch deshalb so einhellig zufrieden, weil er sowohl als kompaktes Familienauto überzeugt wie auch eine ordentliche Prise Fahrspaß liefert. Frei von Problemen war der Alltag mit dem Ampera-e aber nicht.
Immerhin fünfmal kam es vor, dass die Starterbatterie leer war. Jedes Mal brauchte es eine Starthilfe. Und die kostet nicht nur Zeit, sondern auch Nerven. Die Ursache wurde in einer offensichtlichen Inkompatibilität mit der DC-Ladestation des ADAC gefunden. Das Problem trat nämlich nur dann auf, wenn das Fahrzeug über lange Zeit, zum Beispiel über Nacht, an dem ADAC-eigenen DC-Lader angeschlossen blieb. Im Alltag der meisten Nutzer würde diese Situation sicherlich nicht vorkommen.
Dazu gesellten sich Fehlmeldungen des Totwinkelwarners. Dass der fahrerseitige Außenspiegel hin und wieder ausgehängt war, erschien nicht so schlimm, weil er sich nach Anklappen und Ausfahren wieder arretierte. Mehr Unmut erzeugte die Tatsache, dass nach jedem Winter-/Sommer-Reifenwechsel die Reifendrucksensoren – obwohl jeweils neu kalibriert – alsbald Fehler meldeten. Die Sensoren mussten immer wieder neu angelernt werden.
Beim TÜV wäre der Ampera-e durchgefallen
Bei der ersten Hauptuntersuchung nach drei Jahren wäre der Ampera-e durchgefallen, wenn nicht vorher die hinteren Bremsscheiben und Beläge erneuert worden wären. Diese waren so stark verrostet, dass sie kaum noch eine Bremswirkung erzielten. Dieser Mangel ist beim Pkw generell ungewöhnlich, von Elektroautos inzwischen aber bekannt. Das Problem hängt mit der Bremsenergie-Rückgewinnung zusammen, die dazu führt, dass die mechanische Bremse nur selten zum Einsatz kommt. Dann verrostet sie schneller, als dass sie abnutzen könnte. Kosten in der Werkstatt: happige 900 Euro. Der ADAC empfiehlt E-Auto-Fahrern deswegen, die Bremsen regelmäßig zu kontrollieren und hin und wieder durch kräftigere Bremsbetätigung – sofern es die Verkehrssituation zulässt – freizubremsen.
Details aus dem Dauertestbetrieb
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Rückrufe von Opel: Risiko des Akku-Brands
Dramatisch wurde die Situation, seitdem der Ampera-e vom Hersteller mit Rückrufen in die Werkstatt beordert wurde. Hintergrund: Im Jahr 2019 kam es zu ersten Brandfällen an Chevrolet-Bolt-Fahrzeugen in den USA, 2020 folgten weitere Brände, welche zu Untersuchungen durch die US-Verkehrsbehörden führten. Infolgedessen gab es mehrere Warnungen und Rückrufe, mit Zeitverzug auch für das Schwestermodell Opel Ampera-e in Europa.
Der erste Rückruf fand im Januar 2021 statt. Dabei musste der Wagen zum Software-Update in die Werkstatt, wo der maximale Ladestand der Batterie auf 90 Prozent limitiert wurde. Es bestand der Verdacht, dass das Brandrisiko nur bei vollgeladener Batterie erhöht war. Eine Entschädigung für die reduzierte Akku-Nutzbarkeit sowie eine finale Abhilfe wurde in Aussicht gestellt.
Nachdem trotz Sofortmaßnahme weitere Brände in den USA aufgetreten waren, wurde die Nutzbarkeit der Hochvoltbatterie mit einem zweiten Rückruf im September 2021 massiv eingeschränkt. Opel forderte die Kunden auf, den Akku nicht unter 110 Kilometer Restreichweite zu entladen und das Fahrzeug nach dem Laden unbedingt im Freien abzustellen. Für den, der das nicht konnte, war der Ampera-e nun praktisch unbrauchbar. Für alle anderen war die Nutzbarkeit der Batterie auf etwa die Hälfte reduziert.
Im März 2022 gab es einen dritten Rückruf. Das Ziel: eine Diagnose-Software mit einer verbesserten Ladeüberwachung installieren. Die maximale Ladung wird dabei auf 80 Prozent limitiert, die Beschränkungen bezüglich 110 Kilometern Restreichweite und Parken in Innenräumen entfallen wieder. Diese Maßnahme greife, bis eine neue Hochvoltbatterie verfügbar sei. Die neue Software soll Unregelmäßigkeiten in den Batteriezellen erkennen und rechtzeitig warnen, damit solche Fahrzeuge in die Werkstatt kommen.
Wer eine Entschädigung haben möchte, muss sich an die Opel-Kundenbetreuung wenden. Dann wird für die Zeit zwischen zweitem und drittem Software-Update eine Entschädigung von 10 Euro pro Tag gutgeschrieben. Wer sich nicht rührt, bekommt kein Geld. Das Problem: Entschädigungsleistungen und Batterietausch werden über General Motors mit Sitz in den USA geregelt und können daher zur zähen Angelegenheit werden.
Schon der Marktstart 2017 war in Anbetracht des Opel-Verkaufs und wenig verfügbaren Fahrzeugen sehr holprig. Der Ampera-e war laut PSA ein "Verlustauto", wurde jedoch aufgrund der CO₂-Flottenziele dringend benötigt und avancierte zum "ungeliebten Stiefkind" des PSA-Konzerns. So wurden von dem einstigen Hoffnungsträger zwischen 2017 bis 2021 lediglich knapp 1500 Exemplare in Deutschland zugelassen.
Der Ampera-e wird als Neufahrzeug nicht mehr angeboten. Den obligatorischen ADAC Autotest hat der Opel Ampera-e gleich nach seinem Markteintritt mit Bravour gemeistert. Alle Details zu den Stärken, aber auch den Schwächen lesen Sie im PDF, das hier für Sie kostenlos abrufbar ist.
Opel Ampera-e: Technische Daten
Technische Daten (Herstellerangaben) | Opel Ampera-e First Edition (07/17 - 01/18) |
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Motorart | Elektro |
Leistung maximal in kW (Systemleistung) | 150 |
Leistung maximal in PS (Systemleistung) | 204 |
Drehmoment (Systemleistung) | 360 Nm |
Antriebsart | Vorderrad |
Beschleunigung 0-100km/h | 7,3 s |
Höchstgeschwindigkeit | 150 km/h |
Verbrauch Gesamt (NEFZ) | 14,5 kWh/100 km |
Batteriekapazität (Brutto) in kWh | 60,0 |
Batteriekapazität (Netto) in kWh | 58,0 |
Ladeleistung (kW) | AC:2,3-22,0 DC:50,0 |
Kofferraumvolumen normal | 381 l |
Kofferraumvolumen dachhoch mit umgeklappter Rücksitzbank | 1.274 l |
Leergewicht (EU) | 1.691 kg |
Zuladung | 365 kg |
Garantie (Fahrzeug) | 2 Jahre |
Länge x Breite x Höhe | 4.164 mm x 1.765 mm x 1.594 mm |
Grundpreis | 44.060 Euro |
ADAC Messwerte
ADAC Messwerte (Auszug) | Opel Ampera-e First Edition |
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Überholvorgang 60 – 100 km/h | 3,8 s |
Bremsweg aus 100 km/h | 34,3 m |
Wendekreis | 11,3 m |
Verbrauch/CO₂-Ausstoß ADAC Ecotest | 19,7 kWh/100 km, 114 g CO₂/km (Well-to-Wheel) |
Bewertung ADAC Ecotest (max. 5 Sterne) | ***** |
Reichweite | 340 km |
Innengeräusch bei 130 km/h | 69,3 dB(A) |
Leergewicht / Zuladung | 1625 / 431 kg |
Kofferraumvolumen normal / geklappt / dachhoch | 310 / 630 / 1110 l |
ADAC Testergebnis
ADAC Testergebnis | Opel Ampera-e First Edition (07/17 - 01/18) |
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Karosserie/Kofferraum | 3,0 |
Innenraum | 2,4 |
Komfort | 2,9 |
Motor/Antrieb | 1,2 |
Fahreigenschaften | 2,7 |
Sicherheit | 2,5 |
Umwelt/EcoTest | 1,3 |
Gesamtnote | 2,2 |
sehr gut
0,6 - 1,5
gut
1,6 - 2,5
befriedigend
2,6 - 3,5
ausreichend
3,6 - 4,5
mangelhaft
4,6 - 5,5
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