EU-Gesetz überwacht Kraftstoff- und Stromverbrauch
Seit Anfang 2021 müssen alle neuen Pkw eine "Überwachungseinrichtung für den Kraftstoff-/Stromverbrauch" (OBFCM) an Bord haben. Doch wie lassen sich diese Werte an aktuellen Fahrzeugen auslesen? Wer liest sie aus? Und welche Rechte haben Autofahrer?
Verbrauchsdaten werden fürs ganze Autoleben gespeichert
Schlüsselnummer verrät, ob das Fahrzeug betroffen ist
Dem Auslesen der Daten kann widersprochen werden
Seit dem 1. Januar 2021 müssen alle neu zugelassenen Pkw-Modelle (Klasse M1) verpflichtend mit einer fahrzeuginternen "Überwachungseinrichtung für den Kraftstoff-/Stromverbrauch" ausgerüstet sein, der sog. OBFCM-Einrichtung (engl. On-Board Fuel Consumption Monitoring).
Die Daten aus dem OBFCM dienen dem Gesetzgeber zur Feststellung von Abweichungen zwischen den Laborwerten und den Verbrauchswerten im tatsächlichen Fahrbetrieb. Damit soll die Lücke zwischen Prüfstandsmessungen und Realemissionen weiter reduziert werden.
Die OBFCM-Einrichtung speichert den realen Kraftstoff-/Stromverbrauch über die gesamte Lebensdauer im Fahrzeug. Doch wie leicht und sicher lassen sich die Daten auslesen? Wer bekommt die Messwerte? Und welche Rechte hat der Autofahrer an seinen Daten? Der ADAC hat die wichtigsten Aspekte zusammengestellt.
Die Gesetzesgrundlagen
Laut der EU-Verordnung 2017/11511 müssen Automobilhersteller sicherstellen, dass Pkw mit einer Einrichtung zur Überwachung des Kraftstoff-/Stromverbrauchs ausgestattet sind. Die "fahrzeuginterne Überwachungseinrichtung für den Kraftstoff-/Stromverbrauch" OBFCM wird als Konstruktionselement (Software und/oder Hardware) definiert. Es gewährt einen standardisierten und unbeschränkten Zugriff auf Informationen wie Kraftstoffverbrauch, Fahrgeschwindigkeiten und weitere wichtige Einsatzbedingungen über die gesamte Lebensdauer des Fahrzeugs.
Um diese Fahrzeuge geht es
Die Ausrüstungspflicht mit einer OBFCM-Einrichtung sowie die Vorgaben für die fahrzeuginterne Überwachung des Kraftstoff-/Stromverbrauchs und deren Datenübertragung gelten aktuell nur für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor sowie Plug-in-Hybridfahrzeuge, die mit Diesel, Biodiesel, Benzin oder Ethanol betrieben werden. Reine Elektrofahrzeuge sowie gasbetriebene Fahrzeuge (CNG, LPG) werden mit der künftigen Euro 7-Verordnung mit einbezogen.
Ob das Auto OBFCM unterstützt, ob es also fähig ist, die Verbrauchsdaten zu speichern, erkennt man an dem Eintrag in den Zulassungsdokumenten "Euro 6d-ISC-FCM" (Teil 1, Feld 14.1) mit der Emissionsschlüsselnummer "36AP" sowie den folgenden Euro 6e-Emissionsschlüsselnummern "36EA" (Euro 6e), "36EB" (Euro 6e-bis) und "36EC" (Euro 6e-bis-FCM).
So liest OBFCM die Daten aus
Seit Januar 2021 sind die Fahrzeughersteller zur Erhebung der Daten aus dem praktischen Fahrbetrieb sowie der Fahrzeugidentifikationsnummer (Vehicle Identification Number – VIN) verpflichtet. Dies kann entweder "over-the-air" durch eine direkte Datenübertragung aus dem Fahrzeug per Mobilfunk erfolgen oder durch Vertragshändler und Vertragswerkstätten im Zuge jeder Wartung oder Reparatur des Fahrzeugs. Seit Mai 2023 erfolgt die Datenerhebung und -übermittlung auch im Rahmen der Hauptuntersuchung (HU).
Diese Daten werden gespeichert
Folgende Daten werden aufgezeichnet oder gespeichert – manche sogar das ganze Autoleben lang.
Bei allen Fahrzeugen:
Kraftstoffverbrauch (Lebensdauer, in Litern)
Zurückgelegte Strecke (Lebensdauer, in Kilometern)
Kraftstoffdurchsatz des Motors (Gramm pro Sekunde)
Kraftstoffdurchsatz des Motors (Liter pro Stunde)
Kraftstoffdurchsatz des Fahrzeugs (Gramm pro Sekunde)
Fahrzeuggeschwindigkeit (Kilometer pro Stunde)
Zusätzlich bei Plug-in-Hybriden:
Kraftstoffverbrauch insgesamt im Betrieb bei Entladung (Lebensdauer, in Litern)
Kraftstoffverbrauch insgesamt im vom Fahrer wählbaren Betrieb der Ladungserhöhung (Lebensdauer, in Litern)
Zurückgelegte Strecke insgesamt im Betrieb bei Entladung bei abgeschaltetem Verbrennungsmotor (Lebensdauer, in Kilometern)
Zurückgelegte Strecke insgesamt im Betrieb bei Entladung bei eingeschaltetem Verbrennungsmotor (Lebensdauer, in Kilometern)
Zurückgelegte Strecke insgesamt im vom Fahrer wählbaren Betrieb der Ladungserhöhung (Lebensdauer, in Kilometern)
Der Batterie zugeführte Netzenergie insgesamt (Lebensdauer, in kWh)
Dafür werden die Verbrauchsdaten genutzt
Seit 2022 müssen die Fahrzeughersteller der EU-Kommission jedes Jahr zum 1. April alle im Vorjahr erhobenen OBFCM-Daten inkl. VIN melden. Die nationale Datenspeicherstelle ist das Kraftfahrt-Bundesamt. Der Stichtag gilt für das vorangegangene Kalenderjahr auch für die Daten, die im Rahmen der HU ausgelesen werden. Gespeichert werden die Daten im Datenspeicher der Europäischen Umweltagentur EEA (European Environment Agency). Ab Eintrag in die Datenspeicher dürfen die VINs über einen Zeitraum von 20 Jahren aufbewahrt werden.
In der sog. "CO₂ post 2020 Grenzwerte-Verordnung" wird festgelegt, dass die Typgenehmigungsbehörden (z.B. das Kraftfahrt-Bundesamt in Deutschland) auf der Grundlage von Stichproben prüfen müssen, ob die in den Übereinstimmungs-Bescheinigungen angegebenen CO₂-Emissions- und Kraftstoffverbrauchswerte mit denen von in Betrieb befindlichen Fahrzeugen übereinstimmen. Dabei sollen zukünftig auch die verfügbaren Daten der im Fahrzeug eingebauten OBFCM-Einrichtungen berücksichtigt werden.
Die Typgenehmigungsbehörden sind verpflichtet, der EU-Kommission unverzüglich alle Abweichungen der CO₂-Emissionen in Betrieb befindlicher Fahrzeuge von den in den Übereinstimmungsbescheinigungen angegebenen spezifischen CO₂-Emissionen zu melden.
Die EU-Kommission erhebt für jedes Kalenderjahr von einem Hersteller eine Abgabe wegen Emissionsüberschreitung, wenn die durchschnittlichen spezifischen CO₂-Emissionen dieses Herstellers dessen Zielvorgabe für die spezifischen Emissionen überschreiten.
Seit 2022 veröffentlicht die EU-Kommission jedes Jahr auch anonymisierte aggregierte OBFCM-Datensätze zu den einzelnen Fahrzeugmodellen. Damit sollen den Verbrauchern Informationen zur Verfügung gestellt werden, um bewusst klimafreundliche Kaufentscheidungen treffen zu können.
Die Rechte der Autofahrer
Die Vorschriften richten sich an die Fahrzeughersteller und dienen nicht zur Überwachung des Autofahrers. Da die VIN als personenbezogenes Datum dem besonderen Schutz der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) unterliegt, wurde aber dem Fahrzeughalter die Möglichkeit eingeräumt, einer solchen Datenerhebung/-übermittlung zu widersprechen:
Gemäß §2 Abs. 4 ist dem Fahrzeughalter von der die Hauptuntersuchung durchführenden Stelle die Möglichkeit einzuräumen, der Erhebung der Daten zu widersprechen. Widerspricht der Fahrzeughalter der Erhebung der Daten, unterbleibt diese.
Gemäß §2 Abs. 6 hat die die Hauptuntersuchung durchführende Stelle dem Fahrzeughalter auf Nachfrage die erhobenen Daten unentgeltlich zur Verfügung zu stellen.
Die Forderungen des ADAC
Grundsätzlich begrüßt der ADAC das Ziel der EU-Kommission, mit den Vorschriften zu OBFCM die Lücke zwischen Laborwerten und den Verbrauchswerten im tatsächlichen Fahrbetrieb zu schließen. Die Regelung darf jedoch nicht zu einem gläsernen Autofahrer führen: Datenschutz und informelle Selbstbestimmung müssen auch im weiteren Verfahren berücksichtigt werden.
Um die tatsächliche Repräsentativität der CO₂-Emissionen der Flotten sowie des Kraftstoff-/Stromverbrauchs zu bewerten, müssen die im OBFCM erfassten und übermittelten Parameter in plausible Beziehungen zu individuellem Fahrverhalten, Außentemperatur, Streckenprofil usw. im realen Fahrbetrieb gesetzt werden. Nur auf dieser Grundlage können Unregelmäßigkeiten beim Hersteller angemessen entdeckt werden.
Wichtig ist, dass die Zweckbindung sichergestellt ist. Die Vorschriften richten sich an die Fahrzeughersteller und dienen nicht zur Überwachung des Autofahrers.
Datenschutz und Datensicherheit müssen hinsichtlich Datenspeicherung und Verwertung gewährleistet sein. Kfz-Verbrauchsdaten müssen während der Übermittlung vom Fahrzeug bis zur Europäischen Kommission bzw. der Europäischen Umweltagentur so verschlüsselt und geschützt werden, dass sie weder vom Kfz-Hersteller noch von Dritten manipuliert werden können.
Es muss jedoch auch sichergestellt werden, dass jeder Fahrzeughalter Informationen über die individuellen Daten seines Fahrzeuges bekommt, unabhängig davon, ob diese während eines Werkstattaufenthalts oder bei der Hauptuntersuchung ausgelesen bzw. wie zukünftig geplant, direkt via Mobilfunk übermittelt werden.
Aus Sicht des ADAC muss klargestellt werden, wem gegenüber dem Fahrzeughalter seine Willenserklärung abgeben muss, in welcher Form und ob sie vor jeder potenziellen Übertragung und Verarbeitung der Daten – vor allem bei Werkstattterminen und Hauptuntersuchungen – erfolgen muss oder dauerhaft wirksam ist.
Fachliche Beratung: Manuel Griesmann, ADAC Technik Zentrum