Sono Motors: „E-Mobilität weiter denken als bis zum Stecker“
Der Sion von Sono Motors soll ein Elektroauto werden, das besonders nachhaltig und trotzdem preisgünstig ist. Im Interview mit dem ADAC erklären die beiden Gründer, was das heißt, und wie das geht.
ADAC Redaktion: Ihr habt euch entschieden, den Sion, ein familientaugliches Elektroauto mit fünf Sitzen, großem Kofferraum und einer weniger guten Umweltbilanz zu entwickeln. Wäre ein zweisitziger Kleinwagen nicht nachhaltiger?
Laurin Hahn: Es ging uns darum, das Elektroauto in die breite Masse zu bringen. Der Markt für einen Zweisitzer ist nicht sonderlich groß. Und für eine Familie mit Kindern kommt ein Zweisitzer wohl kaum infrage. Wir wollten mit dem Sion aber von Anfang an ein Elektroauto, das für jedermann bezahlbar und gleichzeitig familientauglich ist.
Achtet ihr besonders auf die Effizienz, also darauf, dass das Auto möglichst wenig Strom verbraucht?
Jona Christians: Natürlich achten wir darauf, aber der Sion wird keinen Cw-Wert von unter 0,2 erreichen. Der Wagen verbraucht 14 bis 16 kWh pro 100 Kilometer. Und das ist gut.
Laurin: Effizienz ist extrem wichtig für ein Elektroauto, keine Frage. Aber wenn man versucht, irgendwo absolute Spitze zu sein, dann kostet das sehr viel Geld in der Entwicklung. Wir sind da sehr pragmatisch und versuchen überall besonders gut zu werden, wo wir es können. Wir müssen aber nicht die Effizienz-Könige werden.
Sono Motors auf der IAA Mobility 2021 München
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Design ist in der Community zweitrangig
Wird der Sion schaltbare Rekuperationsstufen haben zur Energierückgewinnung?
Laurin: Nein, denn auch hier wären die Entwicklungskosten sehr hoch. Der Sion rekuperiert in einer Stufe, und wir glauben, dass wir die richtige Abstimmung bei der Rekuperation gefunden haben: nicht so hart wie ein BMW i3 und nicht so soft wie beim Renault Zoe.
Tatsächlich ist ja Segeln besonders effizient. Gibt es eine Segelfunktion beim Sion?
Jona: Nein, wir werden keine dezidierte Segelfunktion anbieten. Mit etwas Gefühl und Übung ist das Segeln aber auch mit dem Gaspedal möglich.
Stichwort Design, habt ihr keine Befürchtungen, dass die etwas kastige Karosserie Kaufinteressenten abschreckt?
Laurin: Überhaupt nicht. Unserer Zielgruppe sind neben der Effizienz vor allem die Nutzbarkeit des Fahrzeugs, die Solarintegration und die unterschiedlichen Lademöglichkeiten wichtig. Im intensiven Austausch mit unserer Community wird deutlich, dass Motorleistung und Design weit hinten rangieren. Und bei der konkreten Frage nach der Gefälligkeit des Sion bewerten ihn die Reservierungshalter auf einer Skala von 1 bis 10 mit einer 7 – damit können wir gut leben.
Der Sion von Sono Motors: Technik und Daten des Solar-Elektroautos
Trotz einiger Rückschläge scheint der Sion von Sono Motors nun auf der Zielgeraden zu sein. Gefertigt wird der Van vom Partner NEVS in der ehemaligen Saab-Fabrik in Trollhättan. Und laut Sono Motors laufen die Vorbereitungen der Produktionsanlagen für die Vorserienproduktion 2022 und die Serienproduktion des Sion im ersten Halbjahr 2023 planmäßig. Geplante Produktion: 43.000 Fahrzeuge pro Jahr.
Solartechnologie wurde patentiert
Der Sion ist ein solarelektrischer Van, abgekürzt SEV. Ein Auto, das seinen Strom zum Fahren durch Solarpanels am Auto quasi selbst erzeugt, zum Teil jedenfalls. Habt ihr das Gefühl, dass die etablierten Autohersteller auch in das Thema einsteigen wollen?
Jona: Ja, klar. Wir bekommen viele Anfragen für unsere patentierte Solartechnologie. Und zwar nicht nur von Lkw-Herstellern, sondern auch von Firmen aus dem Shuttle- und Pkw-Bereich. Außerdem sehen wir Hersteller, die wie wir bidirektionales Laden ermöglichen wollen. Auch unser zentrales Anliegen, das Sharing von Fahrzeugen, wird immer wichtiger bei anderen Marken.
Laurin: Die Industrie nimmt gerade Fahrt auf und fängt an, Elektromobilität weiter zu denken als nur bis zum Stecker.
Jona: Ein Beispiel ist Volkswagen, die, wie ich finde, auf einem guten Weg bei der Transformation hin zur Elektromobilität sind. Und jemand wie Volkswagen-Chef Herbert Diess, der die Elektromobilität vorantreibt, tut der Branche richtig gut.
Statt einer 35 kWh großen Batterie soll der Sion nun eine 54-kWh-Batterie bekommen – und das zum gleichen Preis. Wie habt ihr das denn hinbekommen?
Laurin: Noch vor drei Jahren wäre der Preis so nicht möglich gewesen. Die Preisstruktur für den Sion mit der neuen 54-kWh-Batterie begründet sich allerdings nicht mit einem neuen Zellpreis, wie man vermuten könnte, sondern mit einem attraktiven Preis für die Batterie-Module.
Die Firma Sono Motors steht auf drei Säulen
Gibt es, abgesehen von weiteren Fahrzeugen, noch andere Zukunftsperspektiven bei euch?
Laurin: Wir haben Sono Motors auf drei Säulen gestellt. Die erste Säule ist der Sion, die zweite sind die digitalen Services mit Sharing-Modellen und die dritte ist die Solarintegration. Gerade das Thema Solar ist aktuell sehr spannend. Besonders Logistikfirmen kommen häufig auf uns zu, da ja auch sie ihre Emissionen stark reduzieren müssen und nach entsprechenden Technologien suchen. Wir können hier mit unserem Know-how zu einer Lösung beitragen. Da steckt aktuell viel Musik drin.
Habt ihr euch auch mal in Richtung Wasserstoff und Brennstoffzelle Gedanken gemacht? Was haltet ihr davon?
Laurin: Für mich ist die Brennstoffzellen-Technologie kein Gegenentwurf zum Elektroauto, sie ermöglicht nur ein anderes Elektroauto. Das wird in der Öffentlichkeit und in den Medien leider oft nicht klar gesagt.
Jona: Wasserstoff wird schon ewig als die Zukunft bezeichnet. Ich habe langsam den Eindruck, das wird nur gemacht, um Elektromobilität vernachlässigen zu können. Frei nach dem Motto: Okay, fahren wir halt weiter Verbrenner, bis der Wasserstoff da ist. Aber das ist der völlig falsche Weg. Ich denke, Wasserstoff und die Brennstoffzelle haben ihre Berechtigung. Im Schwerlastverkehr zum Beispiel kann ich mir vorstellen, dass die Technik kommt.
Elektroauto und Carsharing gehören zusammen
Bekommt ihr in der Diskussion das Argument zu hören, dass das Elektroauto nicht das Allheilmittel im Verkehrssektor sei?
Jona: Natürlich, und das Argument stimmt auch. Man muss sich vorstellen, dass weltweit fast 80 Millionen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor pro Jahr neu hergestellt werden. Es ist keine nachhaltige Lösung, diese Millionen Autos künftig mit Elektroantrieb auszuliefern. Wir müssen Autos smarter einsetzen. Sie dürfen nicht mehr rund 23 Stunden am Tag nur rumstehen. Sie müssen geteilt und möglichst viel und von vielen genutzt werden, damit unterm Strich weniger Fahrzeuge benötigt werden.
Laurin: Wenn ich in München unterwegs bin, nutze ich alle Möglichkeiten, von A nach B zu kommen. Natürlich auch den ÖPNV. Ich habe alle gängigen Sharing-Apps, denn ich besitze gar kein eigenes Auto. Diese Multimodalität, wie man das Neudeutsch nennt, funktioniert ganz wunderbar. Multimodale Mobilität darf aber nicht nur eine Lösung für ein paar hippe Leute in der Großstadt bleiben. Wir wollen Elektromobilität und Carsharing in die breite Masse bringen. Und deswegen ist jeder Sion serienmäßig mit einer Sharing-App ausgerüstet. Der Sion wird mit anderen als Fortbewegungsmittel geteilt, er teilt mit anderen den Strom, und er erzeugt den Strom zum Teil sogar selbst. Das gehört alles zusammen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Erfolg oder scheitern: "Aufgeben ist keine Option"
In einem früheren Interview erklären die Gründer von Sono Motors, warum sie sich von ihrem Großinvestor trennten, wie sie es schafften, das finanzielle Aus abzuwenden, und warum sie glauben, dass sie den Sion tatsächlich auf die Straße bringen.