Anschnallpflicht in Deutschland: Regeln, Ausnahmen und Bußgelder

Zwei Frauen sitzen in einem Auto und schnallen sich an
Der Sicherheitsgurt ist Lebensretter Nummer eins, deshalb sollte man sich immer anschnallen© iStock.com/fotostorm

Immer noch schnallen sich viele Autofahrerinnen und -fahrer nicht an. Trotz Gurtpflicht und mit schlimmen Folgen bei einem Unfall. Alles zum Thema Anschnallpflicht und die Ausnahmen.

  • In Deutschland gilt Anschnallpflicht

  • Ausnahmen nur für wenige Einzelfälle

  • Unfallfolgen ohne Sicherheitsgurt gravierend

Was ist die Anschnallpflicht?

Die Anschnallpflicht, auch Gurtanlegepflicht genannt, gilt bis auf wenige Ausnahmen für alle Kraftfahrzeuge mit vorgeschriebenen Sicherheitsgurten. Sicherheitsgurte müssen während der gesamten Fahrt, also auch bei Stop-and-go-Verkehr oder verkehrsbedingtem Warten, angelegt sein. Wird der Gurt nicht ordentlich angelegt, verliert er seine Schutzwirkung. Er muss also beispielsweise auf die Körpergröße angepasst sein, sodass vor allem die Schutzfunktion im Schulter- und Beckenbereich vorliegt.

Darauf müssen Sie beim Angurten achten:

  • Niemals zu zweit anschnallen. Dies gilt für das Nebeneinandersitzen ebenso wie für das Sitzen auf dem Schoß eines anderen Passagiers

  • Den Gurt nicht unter der Achsel hindurchführen. Das mag bequemer sein, weil dann der Gurt nicht am Hals kratzt, ist bei einem Unfall aber lebensgefährlich

  • Einen verdrehten Gurt immer entwirren

  • Verschleißstellen oder Einrisse im Gurt nie selbst reparieren oder nähen

  • Gurte immer wieder straff ziehen

  • Kopfstütze richtig einstellen (Oberkante Kopfstütze gleich Kopfoberkante)

  • Erst dann losfahren, wenn alle Insassen angeschnallt sind

  • Vor allem Kinder regelmäßig kontrollieren

  • Dicke Winterjacke oder dicken Mantel unbedingt vor dem Anschnallen ausziehen. Das ist besonders bei Kindern wichtig!

Im Video: Vorsicht bei dicken Jacken im Auto. Hier besteht Lebensgefahr! ∙ Bild: © ADAC/Ralph Wagner, Video: © ADAC e.V.

Anschnallpflicht: Ausnahmen?

Tatsächlich gibt es Ausnahmen von der Gurtpflicht, allerdings nur unter strengen Bedingungen. Wer sich aus gesundheitlichen Gründen von der Gurtanlegepflicht befreien lassen will, muss einen entsprechenden Antrag bei der Straßenverkehrsbehörde stellen.

Zusätzlich ist eine ärztliche Bescheinigung nötig. Sie muss belegen, dass der Antragstellende wegen einer Erkrankung zwingend von der Gurtpflicht befreit werden muss und ob diese Krankheit vorübergehend oder dauerhaft ist. Auch bei einer Körpergröße von weniger als 150 Zentimetern (Vorlage Personalausweis) kann eine Ausnahme von der Gurtpflicht gemacht werden.

Keine Anschnallpflicht haben:

  • Personen beim Haus-zu-Haus-Verkehr, wenn sie im jeweiligen Leistungs- oder Auslieferungsbezirk regelmäßig ihr Fahrzeug verlassen müssen. Dazu gehören Paketzusteller

  • Fahrten mit Schrittgeschwindigkeit wie Rückwärtsfahren, Fahrten auf Parkplätzen

  • Fahrten in Kraftomnibussen, bei denen die Beförderung stehender Fahrgäste zugelassen ist

  • Das Betriebspersonal in Kraftomnibussen und das Begleitpersonal von besonders betreuungsbedürftigen Personengruppen während der Dienstleistungen, die ein Verlassen des Sitzplatzes erfordern

  • Fahrgäste in Kraftomnibussen mit einer zulässigen Gesamtmasse von mehr als 3,5 Tonnen beim kurzzeitigen Verlassen des Sitzplatzes

Bußgelder für das Nichtanschnallen?

Wer im Fahrzeug mit vorgeschriebenen Sicherheitsgurten nicht angeschnallt ist, muss mit einem Verwarnungsgeld in Höhe von 30 Euro rechnen. Nimmt man Kinder ohne vorschriftsmäßige Sicherung, also zum Beispiel ohne Kindersitz, mit, muss man ebenfalls 30 Euro bezahlen. Wer Kinder ohne jegliche Sicherung befördert, dem droht ein Bußgeld in Höhe von 60 Euro, sowie ein Punkt in Flensburg.

Auch die Kfz-Haftpflichtversicherung kann Probleme bereiten: Wenn Sie bei einem Unfall nicht angeschnallt sind, können Ihre Schadenersatzansprüche im Einzelfall wegen Mithaftung gekürzt werden. Hier muss allerdings nachgewiesen werden, dass Verletzungen, die der oder die Fahrzeugführende oder die verletzten Insassen beim Verkehrsunfall erlitten haben, durch das Anlegen des Sicherheitsgurts hätten verhindert oder zumindest verringert werden können.

Muss man sich hinten anschnallen?

Die Anschnallpflicht gilt auf allen Sitzen mit vorgeschriebenen Sicherheitsgurten. Sind diese im Fahrzeug auch hinten vorgeschrieben, müssen Insassen auch hinten angeschnallt sein.

Kinder: Ab wann mit normalem Gurt?

Alles zur Kindersicherung in Fahrzeugen im Video der ADAC Juristin Ellen Stamer ∙ Bild: © ADAC/David Klein/Shutterstock, Video: © ADAC e.V.

Besonders gefährdet sind Kinder, die auf dem Platz eines Erwachsenen sitzen und mit einem Dreipunktgurt gesichert wurden. Sie können bei einem Unfall schwere Verletzungen erleiden. Kinder dürfen ab dem zwölften Geburtstag oder wenn sie größer als 1,50 Meter sind ohne Kindersitz im Fahrzeug mitfahren – natürlich mit entsprechendem Sicherheitsgurt. Davor müssen sie mit einem geeigneten Kindersitz gesichert sein.

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Gurtpflicht in Oldtimer, Bus & Wohnmobil?

Da die Gurtpflicht erst Anfang der 1970er-Jahre eingeführt wurde, sieht man gerade bei Oldtimern häufig, dass diese hinten oder auch vorn über keine Gurte verfügen. Wenn diese Fahrzeuge vor den jeweiligen Stichtagen erstmalig zugelassen wurden, besteht keine Pflicht, die Wagen mit Gurten auszurüsten. Dabei handelt es sich um den sogenannten Bestandsschutz. Gurte müssen daher auch nicht nachgerüstet werden, und es darf ohne Sicherheitsgurt gefahren werden.

Aber Achtung! Die Ausnahme von der Gurtpflicht gilt hier nicht uneingeschränkt. Kinder ab drei Jahren, die kleiner als 1,50 Meter sind, dürfen nur auf den Rücksitzen mitgenommen werden. Kinder unter drei Jahren dürfen in Fahrzeugen ohne Sicherheitsgurte überhaupt nicht mitgenommen werden.

Auch im Wohnmobil und Bus kommt es darauf an, ob die Sitze vorgeschriebene Gurte haben oder nicht.

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Seit wann gilt die Anschnallpflicht?

Auf den Vordersitzen sind Gurte in Pkw ab einer Erstzulassung nach dem 1. April 1970 vorgeschrieben, sofern Verankerungspunkte vorhanden waren, spätestens jedoch seit 1. Januar 1974. Für die hinteren Sitzplätze kam die Pflicht ab einer Erstzulassung vom 1. Mai 1979 an. Seit 1. Oktober 2004 ist für Neuzulassungen auf allen Sitzplätzen ein Dreipunktgurt vorgeschrieben.

In Omnibussen über 3,5 Tonnen (mehr als neun Sitzplätze) müssen bei neuen Fahrzeugen seit 1999 Zweipunktgurte verbaut werden. Ausgenommen sind Busse mit Stehplätzen für den Linienverkehr. In Lkw über 3,5 Tonnen sind seit 1. Januar 1992 Sicherheitsgurte vorgeschrieben.

Muss ich mich im Ausland anschnallen?

Mittlerweile herrscht in den meisten Ländern der Welt Gurtpflicht. Für Kinder gelten oftmals besondere Bestimmungen. Der ADAC empfiehlt deshalb allen Urlaubern, sich vor Reiseantritt über die genauen Vorschriften des Reiselands zu erkundigen.

Übrigens: Wer im Ausland mit einem Mietwagen unterwegs ist, sollte vor Fahrtantritt die Funktion der Gurte kontrollieren.