Nicht angeschnallt – Mitschuld bei Unfall möglich
Gurtmuffel aufgepasst: Wer nicht angeschnallt ist und bei einem Unfall andere verletzt, kann dafür haftbar gemacht werden. Ein Urteil des Oberlandesgerichts Köln.
Der Fall: Ein betrunkener Autofahrer verursachte einen schweren Verkehrsunfall. Er raste mit Tempo 155 (erlaubt waren 70 km/h) über eine Landstraße und geriet auf die Gegenfahrbahn. Dort stieß er mit einem entgegenkommenden Auto zusammen. In diesem wurde die Beifahrerin an der Wirbelsäule schwer verletzt. Hinter ihr saß eine Frau, die sich nicht angeschnallt hatte. Der Autofahrer überlebte den Unfall nicht, seine Haftpflichtversicherung zahlte rund 380.000 Euro Schadenersatz und Schmerzensgeld.
Nicht angeschnallt: Versicherung will Geld zurück
Die Versicherung versuchte dann aber, Geld zurückzubekommen und verklagte die Frau auf dem Rücksitz auf Zahlung von rund 270.000 Euro. Das Argument: Weil sie gegen die Gurtpflicht verstoßen habe, sei die Frau bei dem Unfall nach vorne gegen den Sitz der Beifahrerin geschleudert worden, ihre Knie hätten dabei die schweren Verletzungen ihrer Vorderfrau (mit-)verursacht. Nachdem die Klage in der ersten Instanz keinen Erfolg hatte, ging die Versicherung in Berufung.
Unfall: Gurtpflicht dient auch Schutz Dritter
Das Oberlandesgericht Köln wies die Klage ebenfalls ab. Die Gurtpflicht schütze zwar nicht nur den Anschnallpflichtigen selbst. Auch andere Fahrzeuginsassen sollten vor Verletzungen durch nicht angeschnallte Mitfahrende bewahrt werden. Wer sich nicht anschnalle, könne daher auch für die Verletzung anderer Fahrzeuginsassen haftbar gemacht werden, so das Gericht.
Die Frau auf dem Rücksitz müsse aber dennoch nicht (mit-)haften. Denn das Verhalten des fahruntüchtigen Fahrers sei maßgeblich für den Unfall und damit auch für den Schaden gewesen. Das Gericht führte aus, vor dem Hintergrund seines "strafwürdigen, grob verkehrswidrigen und rücksichtslosen Verhaltens" trete eine mögliche Mithaftung der nicht angeschnallten Frau vollständig zurück. Das Gericht ließ offen, ob diese tatsächlich die schweren Verletzungen der Beifahrerin verursacht hatte.
OLG Köln, Urteil vom 27.8.2024, Az.: 3 U 81/23
Hinweis der ADAC Juristinnen und Juristen: Die Revision gegen dieses Urteil ist nicht zugelassen, die Versicherung kann aber Nichtzulassungsbeschwerde einlegen.