Harley-Davidson Road Glide Special: Schön, aber nicht perfekt

Die attraktive Harley-Davidson Road Glide Special überzeugt mit ihrem prächtigen Motor, hoher Fahrsicherheit und stimmigen Design auf ganzer Linie. Doch beim Fahrkomfort braucht ihr Fahrer Nehmer-Qualitäten. Fahrbericht, Daten, Preis.

• Ausreichend motorisiert, Fahrleistungen gut

• Hohe Qualität, jede Menge Zubehör

• Schlechte Federung

Seit dem Modelljahr 2020 ist die Rode Glide Special neben weiteren Touring-Modellen serienmäßig mit einem umfangreichen Fahrsicherheitssystem ausgestattet, genannt "Reflex Defense Rider System", kurz RDRS. Wir haben das Motorrad bei einer Testfahrt ausführlich unter die Lupe genommen. In Konkurrenz steht sie übrigens mit der Indian Challenger, für die vom Hersteller intensiv getrommelt wird.

Mit ihrem überaus stimmigen Bagger-Design, dem in Sachen Leistung und Laufkultur voll überzeugenden luft- und wassergekühlten Zweizylinder-V-Motor sowie der soliden Ausstattung überzeugt das rund 31.000 Euro kostende Schmuckstück im rabenschwarzen Outfit auf (fast) ganzer Linie.

Sparsamer Motor, gute Reichweite

Für die Beschleunigung der inklusive Fahrer knapp eine halbe Tonne schweren Road Glide Special stehen zwar nur 69 kW/93 PS zur Verfügung, doch mehr braucht es dank des enormen Drehmoments von 158 Newtonmetern auch gar nicht. Hubraum, in diesem Fall sagenhafte 1868 Kubikzentimeter, ist eben durch nichts zu ersetzen. Bereits aus 1500 Touren schiebt die mit einer fantastischen Gasannahme ausstaffierten Road King davon, dass es eine Freude ist. Nur selten ertappt man sich dabei, die 3000er-Marke zu überschreiten.

Trotz seiner Schrankwandfront verbraucht der Motor des Tourers erstaunlich wenig: Maximal 5,9 Liter pro 100 Kilometer sind es bei der Testfahrt im gemischten, stets zügig absolvierten Betrieb – immerhin ein halber Liter weniger als der Normwert. Man kann also leicht 350 Kilometer ohne Tankstopp fahren.

Nicht wirklich Spaß macht der Ritt auf dem Highway-Koloss jenseits von Tempo 120. Zwar ist der Windschutz dank der voluminösen Shark-Nose-Verkleidung (deutsch "Haifischnase") effektiver als auf der ähnlich konzipierten Street Glide, aber richtig gut ist er nicht. Autobahn-Richtgeschwindigkeit erscheint auf Dauer anstrengend und zu laut.

Zwar können die zwei 25 Watt starken Riesen-Boxen des Boom Box GTS-Infotainmentsystems erstaunlich gut gegenhalten, aber lange Strecken ziehen sich dann doch. Das ist schade, denn Sitzposition, Sitzqualität und auch die Armhaltung am breiten, griffigen Lenker sind für durchschnittsgroße Fahrer perfekt.

Gute Fahrleistungen, miese Federung

Liefern, und zwar schnellstens, sollte Harley eine wirksamere Federung. Das Ansprechverhalten der montierten Federelemente wie auch die Absorption von Stößen und sogar Stößchen ist nämlich miserabel – und das passt so gar nicht zu einem Bike dieser Klasse. Mal fährt eine Brückenfuge ins Kreuz, mal zucken und wackeln die Unterarme am Lenker, wenn das Vorderrad auf unebenem Asphalt unterwegs ist. Das Absolvieren nicht-perfekter Strecken gerät so zum Härtetest.

Dabei ist die Fahrwerksauslegung ganz und gar nicht übel und das Fahrvergnügen auf perfektem Untergrund fulminant: Die Road Glide zieht auf Feinasphalt souverän ihre Spur, lässt sich leicht in Kurven einlenken und hält stabil den gewählten Radius.

Ein dickes Lob ist auch der sehr leistungsfähigen, bestens ansprechenden Bremsanlage zu zollen. Dass das Rangieren einer Road Glide Special keine Freude ist, überrascht wohl niemanden. Doch dank des guten Bodenkontakts lässt sich bei Manövern auf engem Raum gut "mitfußeln". Insofern erweist sich die niedrige Sitzhöhe von 69,5 Zentimetern als Segen. Und obwohl die Füße relativ weit vorne ruhen dürfen, ist die Fahrer-Haltung nicht inaktiv, eine ausgezeichnete Lösung also.

Viele Assistenzsysteme, gute Ausstattung

Schon seit Jahrzehnten bietet Harley-Davidson umfangreiche Möglichkeiten, reichlich Geld in Zubehörteile zu investieren. Zu den besonders empfehlenswerten Teilen zählt die Schaltwippe, mit deren Hilfe die Gangwechsel beim Hinaufschalten lässig per Hacke erfolgen können. Ansonsten ist alles Wichtige an Bord: das Sicherheitsnetz des RDRS mit Kurven-ABS, elektronischer Bremskraftverteilung, dynamischer Traktionskontrolle, Antriebsschlupfregelung sowie dem Fahrzeughalteassistenten. High-Tech, wie andere Hersteller sie auch nicht besser beherrschen. Harleys automatische Blinkerrückstellung hingegen ist unübertroffen.

Zudem gibt es eine sehr leistungsfähige LED-Doppelscheinwerferanlage, ein (leider nicht intuitiv bedienbares) Navigationssystem und einen Haufen (leider nicht hinterleuchteter) Bedienungsknöpfe, -tasten und Joysticks.

Top-Priorität haben bei der Kultmarke Harley-Davidson die tadellose Verarbeitung und die Optik. Nicht auszudenken, wie genussvoll sich eine Road Glide Special fahren ließe, wenn ihr Fahrkomfort auf dem Niveau des Designs läge…

Technische Daten Harley-Davidson Road Glide Special

Text: Ulf Böhringer/SP-X