Tesla Cybertruck: Probefahrt in Elon Musks Elektro-Panzer
Tesla-Eigner Elon Musk ist bekannt für visionäre Ideen und Produkte. Mit dem Cybertruck soll die Generation E selbst dem Weltuntergang davon fahren. Oder auch nicht. Eine Probefahrt im elektrischen Monster-Pick-up.
Umstrittenes Design
Bis zu drei Elektromotoren und 857 PS
Schusssichere Edelstahlkarosserie
Ein Pick-up-Truck aus den USA ist der Aufreger der Saison. Denn seit Tesla – wie üblich mit einigen Jahren Verspätung – seinen Cybertruck ausliefert, spaltet der elektrische Pritschenwagen die PS-Welt in zwei Lager. Und der Riss geht diesmal sogar mitten durch die Generation E, die bis dato in Treue fest und unerschütterlich zu ihrem Messias Musk gestanden hat.
Fußgängerschutz einer Planierraupe
Denn während die einen über die futuristische Form und den überfälligen Versuch jubeln, das völlig verkrustete Fahrzeugsegment des Pick-up-Trucks neu zu erfinden, fürchten die anderen – losgelöst von den Batterien im Fahrzeugboden – die Carpokalypse, schimpfen über das endzeitliche Design des Cybertrucks und sorgen sich um den Schutz der übrigen Verkehrsteilnehmer.
Ganz gleich, ob das Edelstahlblech nun schusssicher ist oder nicht oder ob das Panzerglas inzwischen stabiler ist als bei der Premiere der Studie, als Designer Franz von Holzhausen es mit einer Art Boccia-Kugel peinlicherweise doch durchschlagen hatte: Während die Insassen sicher sein mögen wie in Abrahams Schoß, wirkt der Cybertruck auf andere Verkehrsteilnehmer so freundlich wie ein Panzer und suggeriert den Partnerschutz einer Planierraupe.
Kein Wunder, dass sich Experten bereits jetzt über die Zulassungsfähigkeit des Gefährts in Europa streiten. Dabei hat Tesla noch nicht einmal entschieden, ob der Cybertruck überhaupt in den Export gehen soll. Und muss sich damit auch nicht beeilen. Denn fürs Erste haben sie genug damit zu tun, die Produktion in der Fabrik im texanischen Austin ins Laufen und genügend Autos für den US-Markt auf die Straße zu bringen.
Eines der ersten hat sich Shaheen Badiyan gesichert, der allerdings eher Tesla-Jünger als Truck-Fahrer ist. Denn statt mit Landwirtschaft, Erdöl oder wenigstens Bauarbeiten verdient der Texaner sein Geld mit Software. Von US-Bestsellern im Pick-up-Segment wie dem Ford F-150, dem Chevrolet Silverado oder einem Ram 1500 wollte er bislang nichts wissen.
Doch auf den ersten Truck seines Lebens ist er so stolz, dass er bereitwillig auch mal einen Journalisten aus Europa ans Steuer lässt. Schließlich müsse die Botschaft dieses Autos in die Welt getragen werden, ist der Besitzer überzeugt. Und wenn Tesla schon keine Testwagen herausgibt, dann springt er gerne in die Bresche.
Cybertruck: Aufmerksamkeit garantiert
Zwar ist es schwer vorstellbar, dass sich Farmer und Rinderzüchter, Ölbohrer und Handwerker für so ein Auto erwärmen können, selbst wenn Tesla tapfer Fotos von Baustellen streut, wo Baumaterial auf der Pritsche liegt und Sägen oder Trennschleifer mit Strom aus dem Batteriepack des Cybertrucks die Funken fliegen lassen.
Doch unser Leihgeber ist der beste Beweis dafür, dass Tesla dafür umso leichter Menschen erreicht, die vom klassischen Workhorse gar nichts wissen wollen. Er braucht kein Arbeitsgerät, sondern ein Auto für die Freizeit, wenn er am Wochenende zum Fischen fährt oder zum Wandern. Und vor allem braucht er ihn, weil das Auto so cool ist und ihn jeder anstarrt. "Das klappt schon mal prima. Was der Cybertruck sonst so drauf hat, habe ich noch gar nicht ausprobiert", muss er einräumen. "Die erste Offroad-Tour zum Beispiel muss noch ein bisschen warten."
Mehr Reichweite dank Akku-(Hucke-)Pack
Doch ganz egal, ob Arbeit, Sport oder Spiel – an der Reichweite soll es nicht liegen. Zwar macht Tesla wie immer keine Angaben zur Batteriegröße. Aber schon das Basismodell hat einen Aktionsradius von 400 Kilometern, im besten Fall (mit der allradgetriebenen Dual-Motor-Version) sind fast 550 Kilometer drin.
Und wer auch dann noch nicht mit 250 kW Ladeleistung an den Supercharger will, der bekommt erstmals bei Tesla auch einen Range Extender. Nein, keinen Verbrenner, der wie beim seligen BMW i3 oder beim aktuellen Mazda MX-30 einen Generator antreibt. Die Amerikaner schnallen einfach einen weiteren Akku auf die Ladefläche und legen damit nochmal 200 Kilometer drauf. Geschätzte Reichweite dann: rund 755 Kilometer.
Bilder: Der Tesla Cybertruck im Detail
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Zwar hat Elon Musk mit reichlich Verspätung im November 2023 die Produktion gestartet, doch bislang sind die Cybertruck-Stückzahlen gering, und der silberne Sonderling ist noch ein Exot auf den US-Straßen. Wo immer er auftaucht, steht er deshalb sofort im Zentrum des Interesses, und die Passanten sind wahlweise fasziniert oder irritiert. Aber niemand, wirklich niemand geht gleichgültig an dem matt schimmernden Wagen vorbei, dessen dreieckige Silhouette eher an Algebra erinnert als an Automobildesign, und der sich allen Größenvergleichen widersetzt.
Denn eigentlich ist er mit seinen knapp 5,70 Metern Länge eine halbe Nummer kleiner als seine klassischen Konkurrenten, die alle weit über die Sechs-Meter-Marke hinaus ragen. Doch wo das Auge keinen Halt findet, fällt das Abschätzen schwer. Und die Fahrzeugfront, die senkrecht aufragt wie das Schild einer Planierraupe, macht es einem auch nicht leichter.
Das Design? Pure Provokation
Natürlich ist das Design pure Provokation – und funktioniert in dieser Disziplin perfekt. Schließlich wirken selbst hoffnungslos überzeichnete Lamborghini fast lieblich neben dem Cybertruck, und nach einem Bugatti dreht sich plötzlich keiner mehr um.
Aber die Form ist auch der Produktion geschuldet. Denn der Cybertruck wird nicht aus gebogenem Blech gebaut, sondern aus gestanztem Edelstahl. Der ist zwar – selbst wenn erste Internetvideos nach Wasserdurchfahrten das Gegenteil suggerieren – rostfrei und muss deshalb nicht lackiert werden, was cool aussieht und zugleich einen extrem teuren Fertigungsschritt spart und damit Musks Ruf als Kostenkiller fördert. Doch dafür lässt sich das Material nur schwerlich biegen, und der Cybertruck ist deshalb kantiger als jedes andere Auto – fast, als hätte ihn ein kleines Kind aus Karton gebastelt.
Steriler Look im Innenraum
So fremd der Cybertruck von außen wirkt, so typisch für Tesla ist sein Innenraum: Nüchtern, kahl, ja fast steril ist die Kabine und wo Pick-ups in der alten Welt gemütlich sind wie das Wohnzimmer einer Südstaaten-Villa mit durchgesessenen Ledermöbeln, wirkt der Innenraum des Cybertruck wie eine Suite im Designerhotel – stylisch, aber unbehaglich. Das liegt auch daran, dass es weder viele Ablagen gibt, noch irgendwelche Schalter.
Im Cybertruck wird Tesla-typisch alles nur über den riesigen Bildschirm in der Mittelkonsole bedient. Selbst den Blinker und den Wählhebel für die verschiedenen Fahrstufen haben sie sich gespart. Und der winzige Rückspiegel im Innenraum ist auch nur eine pflichtschuldige Reminiszenz an den Gesetzgeber.
Denn zumindest solange das Rollo schräg über der Ladefläche liegt und das Hab und Gut so vor neugierigen Blicken schützt, ist es nichts mit dem Blick nach hinten. Aber wer schaut schon nach hinten, wenn er die Zukunft so fest im Blick hat wie Elon Musk? Immerhin ist der Cybertruck geräumig, und was ihm in der zweiten Reihe an Kopffreiheit fehlt, das macht das große Panoramadach zumindest optisch wieder wett.
Leistung im Überfluss
Auch beim Fahren hat der Truck so seine Tücken. Klar, Leistung gibt es satt, und wie bei jedem Elektroauto ist der Vortrieb fast explosiv – schon das Basismodell (mit einem Motor und Heckantrieb) soll trotz seiner bald drei Tonnen Gewicht in 6,5 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 beschleunigen, wenn es denn im nächsten Jahr tatsächlich zu Preisen ab 60.990 US-Dollar in den Handel kommt.
Das Topmodell mit dem klangvollen Namen Cyberbeast setzt mit drei Motoren, 857 PS und 99.990 US-Dollar Grundpreis noch einen drauf: Sein Sprintwert von 2,7 Sekunden lässt so manchen Supersportwagen stehen. Aber wo Tesla sonst gerne mitmacht beim Wettrüsten und zum Beispiel das Model S über 320 km/h schnell rennen lässt, wird auch der stärkste Cybertruck spätestens bei 210 km/h eingebremst. Macht aber nichts. Schließlich darf man in Amerika – und nur dort gibt es den silbernen Sonderling bislang – ohnehin nirgendwo schneller fahren als 130 km/h.
Sterile Lenkung, harte Federung
Während sich der Cybertruck auf der Geraden als typischer Tesla erweist, muss man sich ans Kurvenfahren erst noch gewöhnen. Denn als wäre das oben und unten abgeflachte, eckige Lenkrad nicht schon eigenwillig genug, setzt Tesla hier auch noch auf eine Steer-by-Wire-Technologie ohne mechanische Verbindung zu den Rädern.
Stattdessen lenkt eine Elektronik, die mit zunehmendem Einschlag gleichzeitig die Übersetzung ändert. Und wenn dann auch noch die Hinterräder mitlenken, geht es dem gelernten Lenkgefühl völlig entgegen und zumindest beim Rangieren und im langsamen Stadtverkehr legt man einen ungewöhnlich eckigen Fahrstil an den Tag. Deshalb dauert es ein bisschen, bis man im Cybertruck den Bogen raus hat.
Ach ja, und dann ist da ja noch die Sache mit der Federung, bei der Tesla auf Luft statt Stahl setzt. Schließlich lässt sich so auf Knopfdruck, pardon, mit einem Fingertipp auf dem Touchscreen die Bodenfreiheit auf mehr als 40 Zentimeter anheben, damit der in zwei von drei Versionen mit Allradantrieb ausgestattete Cybertruck über Stock und Stein kraxeln oder durchs Wasser waten kann.
Dummerweise war damit zumindest unser Exemplar des Pritschenwagens auf der Straße so hart und unkomfortabel gefedert, dass schon kleine Schlaglöcher schmerzhaft waren und ein paar Temposchwellen im Parkhaus aus der Reise einen Ritt auf einem Wildpferd machen. Zumindest in dieser Hinsicht fühlen sich die Cybertrucker dann doch wie die Cowboys, die den Pick-up zum Volkshelden der vereinigten Staaten gemacht haben.
Kommt der Cybertruck nach Europa?
Zu einem möglichen Marktstart in Europa bzw. Deutschland will sich Tesla noch nicht äußern. Fraglich ist auch, ob der Cybertruck mit seinen unnachgiebigen Planken aus Edelstahl und seinen spitzen Ecken in der jetzigen Form eine Zulassung in Europa bekommen würde. Die Anforderungen insbesondere an den Fußgängerschutz sind hierzulande hoch. Erste Crashtest-Videos aus den USA waren bereits zu sehen.
ADAC Crash-Experte Volker Sandner dazu: "Die derzeit vorliegenden Crashtest-Ergebnisse aus den USA lassen keine belastbaren Rückschlüsse auf ein Abschneiden nach den europäischen Crashvorgaben zu. Durch die extreme Keilform des Cybertruck könnte nach unserer Einschätzung allerdings der Fußgängerschutz ein Problem darstellen. Je nach Größe des Fußgängers kann es passieren, dass sich ein Teil des Körpers über die Haube abrollt und der andere unter das Fahrzeug gezogen wird. Die Gefahr wird durch die extremen Kanten am Vorderwagen zusätzlich erhöht."
Denkbar ist allerdings, dass Tesla den Cybertruck in Europa in der Nutzfahrzeugklasse N auf den Markt bringt. Hier gelten andere Zulassungsvorgaben. Es könnte also sein, dass der Cybertruck über diesen Kniff den Weg nach Europa findet. Nur wann, kann derzeit niemand sagen.
Cybertruck: Technische Daten US-Spezifikation
Technische Daten (Herstellerangaben) | Tesla Cybertruck AWD (USA-Version) (ab 11/23) | Tesla Cybertruck Cyberbeast AWD (USA-Version) (ab 11/23) |
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Motorart | Elektro | Elektro |
Leistung maximal in kW (Systemleistung) | 447 | 630 |
Leistung maximal in PS (Systemleistung) | 607 | 857 |
Drehmoment (Systemleistung) | n.b. | n.b. |
Antriebsart | Allrad | Allrad |
Beschleunigung 0-100km/h | 4,3 s | 2,7 s |
Höchstgeschwindigkeit | 180 km/h | 209 km/h |
Reichweite WLTP (elektrisch) | 547 km | 515 km |
CO2-Wert kombiniert (WLTP) | 0 g/km | 0 g/km |
Batteriekapazität (Brutto) in kWh | 123,0 | 123,0 |
Kofferraumvolumen dachhoch mit umgeklappter Rücksitzbank | 3.423 l | 3.423 l |
Leergewicht (EU) | 2.995 kg | 3.104 kg |
Zuladung | 1.134 kg | 1.134 kg |
Anhängelast ungebremst | n.b. | n.b. |
Anhängelast gebremst 12% | 4.990 kg | 4.990 kg |
Garantie (Fahrzeug) | 4 Jahre oder 80.000 km | 4 Jahre oder 80.000 km |
Länge x Breite x Höhe | 5.683 mm x 2.201 mm x 1.790 mm | 5.683 mm x 2.201 mm x 1.790 mm |
Grundpreis | - Euro | - Euro |
Text: Thomas Geiger