Opel Ampera Dauertest: 200.000 km elektrisch mit Range Extender
Im Jahr 2011 brachte Opel den Ampera mit Elektroantrieb und Benzinmotor als Range Extender auf den Markt. Der ADAC hat die außergewöhnliche Technik acht Jahre lang im Alltag getestet. Mit teils erstaunlichen Ergebnissen.
Dauertest über 8 Jahre und 200.000 Kilometer
Weitgehend zuverlässiger Betrieb
Kleiner Software-Fehler mit großer Wirkung
Rätselhaftes Akkuproblem gegen Ende des Testbetriebs
Am Beispiel des Opel Ampera zeigt sich, wie rasant Veränderungen in der Welt des Automobilbaus doch vonstatten gehen. Denn im Jahr 2011 war der Verbrennungsmotor eigentlich noch auf dem Höhepunkt seiner Erfolgsgeschichte, geriet jedoch aus Umweltschutzgründen immer mehr in die Defensive.
Deshalb mussten sich große Player wie VW oder kleinere wie Opel den globalen Veränderungen stellen. Opel war 2011 wie die Marke Chevrolet fest in der Hand des US-Konzerns General Motors. Gemeinsam entwickelten sie ein Fahrzeugmodell, mit dem die Zeit der alternativen Antriebskonzepte beginnen sollte: Den Opel Ampera, der in den USA als Chevrolet Volt und – in der zweiten Generation – als Buick Velite 5 verkauft wurde.
Verantwortlich für das Zukunftsmodell zeichnet der deutsche Maschinenbau-Ingenieur Frank Weber, der das Fahrzeug mit seiner Mannschaft zur Serienreife entwickelte. Und mit seinem technischen Konzept war der Opel Ampera tatsächlich etwas ganz Besonderes: Das weltweit erste Elektrofahrzeug mit einem Verbrennungsmotor, dem sogenannten "Range Extender".
Öffentlicher Streit: E-Auto oder Hybrid?
Range Extender heißt übersetzt Reichweitenverlängerer und funktioniert einfach gesagt so: Wenn die 16 kWh fassende Lithium-Ionen-Batterie des Ampera nicht genug Energie hergibt, springt der mit Benzin betriebene Verbrennungsmotor an und erzeugt per Generator Strom für den Antrieb. So kommt der Ampera nach Herstellerangabe mit einer Akkuladung und vollem Tank kombiniert rund 500 Kilometer weit.
Während das Aufladen der Batterien an der Wallbox drei und an der Haushaltssteckdose fünf Stunden dauert, lässt sich der 35-Liter-Benzintank an der Zapfsäule in ein paar Minuten befüllen. Dadurch wird der Ampera wie ein herkömmliches Auto einsetzbar, sogar für Urlaubsfahrten. 2011 war das ein riesiger Vorteil gegenüber den damaligen reinen Elektroautos: Bei denen durfte der Fahrer meistens froh sein, wenn eine Akkuladung für 100 Kilometer ausreichte.
In der Öffentlichkeit entbrannten über den Ampera gleich nach seinem Erscheinen heftige Diskussionen. Das sei doch gar kein richtiges Elektroauto, wie Opel stets propagierte, sondern ein – wenn auch aufladbarer – Hybrid. Und der vom Hersteller angegebene Kraftstoffverbrauch von 1,2 Litern pro 100 Kilometer sei völlig realitätsferner Humbug.
Der Opel Ampera im Alltagsbetrieb
Mit sehr viel Neugierde wurde deshalb der Opel Ampera im Herbst 2011 von den Landsberger Technikern in den ADAC Dauertest aufgenommen. Wie alle Dauertestfahrzeuge wurde der Opel Ampera für Dienstfahrten und für Fahrten der Mitarbeiter im Pendelverkehr eingesetzt. Das heißt: Der Großteil der Strecken war alltagstypisch nicht länger als 100 Kilometer: Aber hin und wieder wurde der Ampera auch mal für längere Fahrstrecken eingesetzt, die ausgiebigste Fahrt war 900 Kilometer lang.
Angst davor, liegen zu bleiben, mussten die Mitarbeiter mit dem Opel Ampera also nicht haben, jedenfalls nicht aus Gründen eines leer gefahrenen Akkus. Aber würde die aufwendige Technik auch jederzeit den Strapazen des harten Dauertestalltags standhalten?
Rekord: 120 Kilometer rein elektrisch
Mit wechselnden Fahrern, Fahrprofilen und äußeren Gegebenheiten variierten die Verbrauchswerte im Verlauf des Dauertests stark. Bei hoher Leistungsanforderung auf der Autobahn oder beim zügigen Überholen treibt der Benzinmotor des Ampera direkt die Achse an. Der Fahrer merkt dann am Aufheulen des Motors, dass das Fahrzeug den reinen Elektromodus verlassen hat.
Will der Fahrer die maximale Effizienz erzielen, ist deshalb Mitdenken gefragt. Denn Autobahnfahrten sind im E-Modus nicht sinnvoll, da der Strombedarf bei steigender Geschwindigkeit stark ansteigt und die elektrische Reichweite schnell sinkt. Auf der Autobahn ist es auf längeren Strecken sinnvoller, im Hybridmodus zu fahren und die vorausschauend aufgesparte elektrische Energie dann auf Landstraßen sowie innerorts zu nutzen.
Zu diesem Zweck lassen sich beim Ampera die Betriebsmodi manuell umschalten. Der Modus „Halten“ bedeutet, dass das System den Batterieladungszustand erhält, indem es nicht rein elektrisch fährt. Dies ist besonders empfehlenswert, wenn man später in der Stadt emmissionslos fahren möchte.
Die größte elektrisch gefahrene Reichweite wurde im Mai 2017 erzielt: Auf einer Strecke von knapp 212 Kilometern war der Ampera 120 Kilometer rein elektrisch unterwegs. Das Ergebnis einer besonders vorausschauenden und gleichmäßigen Fahrweise: Bergaufpassagen wurden mit dem Verbrenner gefahren, auf Nebenverbraucher wie die Klimaanlage verzichtet. Und die Außentemperatur lag mit 20 Grad für die Lithium-Ionen-Batterie im Idealbereich.
Die detaillierte Auswertung der ersten 100.000 Kilometer ergab einen elektrischen Fahranteil von 42 Prozent. Hier lag der Stromverbrauch im Schnitt bei 22,9 kWh/100 km, worin aber auch die etwa 15 Prozent Energieverluste beim Aufladen enthalten sind. Der reine Stromverbrauch beim Fahren betrug somit etwa 20 kWh/100 km.
Dagegen steht ein Anteil im Range-Extender-Betrieb von 58 Prozent. Hier wurden durchschnittlich 7,2 Liter verbraucht. Im Mischbetrieb kam der Ampera über die gesamte Laufleistung auf einen Kraftstoffverbrauch von 4,1 Liter Super pro 100 Kilometer. Bei diesem Wert fehlt allerdings die Strommenge, die pro 100 Kilometer Fahrstrecke durchschnittlich hinzukommt.
Die wichtigsten Vor- und Nachteile des Opel Ampera
Der Opel Ampera überzeugte den Großteil seiner Benutzer durch sein komfortables Fahrverhalten, den geräuschlosen Antrieb und seine Effizienz – sowohl elektrisch als auch mit Verbrennungsmotor. Er konnte nahezu ohne Einschränkung im Alltag verwendet werden, und dank des Range Extenders waren auch lange Strecken auf der Autobahn möglich.
Den Nutzern gefiel das sportliche Design, die umfangreiche Ausstattung, die ordentlichen Platzverhältnisse, die veränderbare Rekuperation und das einfache Wechseln der Betriebsmodi.
Kritikpunkt aller war die fummelige Bedienung der Sensortasten in der Mittelkonsole: Zwei Drittel der Nutzer monierten die berührungssensitiven Knöpfe, die alle gleich aussehen und eine schlechte Haptik aufweisen.
Als „windig“ und halbherzig wurde das Spanntuch zum Kofferraum bezeichnet. An die im Fond angebrachte Tasche für das Ladekabel kam man von hinten nicht heran. Zudem lag sie irgendwann nur noch lose im Kofferraum herum, da der Klettverschluss nicht mehr gehalten hat.
Vereinzelte Kritikpunkte waren das schlechte Abblend-/Fernlicht, der eher kleine Kofferraum mit hoher Ladekante, schlecht zugängliche Isofix-Befestigungen und dass der Ampera nur Platz für vier Personen bietet.
Technische Defekte und Auffälligkeiten
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Das waren die technischen Problemfälle und außerplanmäßigen Werkstattaufenthalte über die Gesamtdistanz:
32.687 km: Starten nicht möglich
54.125 km: Starten nicht möglich, Softwareupdate
60.884 km: Tausch Keyless-Go-Taster an der Fahrertüre (Garantie)
87.300 km: Laden nicht möglich; Kühlflüssigkeit im Hochvoltsystem aufgefüllt (Kulanz)
87.714 km: Marderbiss, Hochvoltkabel erneuern (2540 Euro!)
108.832 km: Austausch Gasdruckfedern Heckklappe (Kulanz); Ladekabel defekt (427 Euro)
120.900 km: Keyless-Go-Sensor im Türgriff defekt, getauscht (155 Euro)
137.182 km: Bremsscheiben hinten getauscht (700 Euro)
152.812 km: Laden nicht möglich, defekter Füllstandsensor, Batteriekühlung
getauscht (Kulanz)
166.664 km: Antriebswelle wegen Geräuschen verklebt (237,12 Euro)
177.517 km: Motorkontrollleuchte an – Steuergeräte für Batterieenergie und Hybridantrieb neu programmiert (475 Euro)
185.978 km: Kühlsystem abgedichtet, Schelle Kühlerschlauch erneuert (192 Euro); Reparatur der Heizungseinheit an der Antriebsbatterie (Kulanz)
Zweimal blieb der Ampera in der Anfangszeit liegen, da er sich nicht starten ließ, weil die Elektronik glaubte, die Spannung der 12-Volt-Bordbatterie sei zu niedrig. Ein Softwareupdate brachte Abhilfe. Bei allen anderen Defekten blieb der Ampera trotz Fehlermeldung stets fahrfähig. Ärger bereitete immer wieder das Ladegerät für die Haushaltssteckdose: Insgesamt dreimal war es defekt. Erst das bei 108.832 Kilometern gekaufte Ladegerät schaffte Abhilfe.
Ein Marderbiss in ein Hochvoltkabel wurde sehr kostspielig, weil die Reparatur zeitaufwendig war und den Ausbau des elektrischen Antriebs nötig machte. Die Bremsen laufen wegen geringer Nutzung Gefahr, eher zu verrosten als zu verschleißen. Der Austausch der Bremsscheiben und -beläge an der Hinterachse bei 137.182 Kilometern ist zwar nicht ungewöhnlich, kostete aber üppige 700 Euro.
Auch machten die Keyless-Taster in den Türen häufig Probleme. Die Antriebswelle bekam – vermutlich aufgrund des hohen Drehmoments – Spiel und verursachte Geräusche.
Beinahe wäre der Dauertest vorzeitig zu Ende gewesen, als bei Kilometerstand 186.000 die Motorkontrollleuchte warnte. Die Fehlerdiagnose in der Werkstatt besagte, dass die Hochvoltbatterie getauscht werden müsse – laut Kostenvoranschlag des Opel-Autohauses hätte dies 10.000 Euro kosten sollen – was einen Totalschaden bedeutet hätte. Defekt war aber nicht die Antriebsbatterie als Ganzes, sondern nur die integrierte Heizungseinheit, was die Opel-Werkstatt erst nach langem Hin und Her erkennen musste.
Hier zeigt sich, wie wichtig es ist, die Händler zu schulen, um insbesondere Defekte am Hochvoltsystem einwandfrei zu analysieren und dann auch Reparaturen durchzuführen, die zeitwertgerecht und bezahlbar für den Kunden sind. Die Reparatur erfolgte letztlich auf Kulanz.
Etwas irritierend fiel die Abschlussmessung hinsichtlich der Haltbarkeit der Traktionsbatterie aus. Bis etwa 180.000 Kilometer zeigte sich keine signifikante Abnahme des nutzbaren Energiegehaltes von 10 kWh. Nach einem Softwareupdate für das Batteriemanagement, das die Werkstatt durchführte, sank der nutzbare Energiegehalt (siehe Diagramm) plötzlich um etwa 10 Prozent ab.
Eine Überprüfung der Spannungslagen der einzelnen Batteriezellen zeigte keine Auffälligkeit. Möglicherweise ist dieses Verhalten im Batteriemanagement als Schutzfunktion hinterlegt – genau sagen lässt sich das aber nicht.
Insgesamt hat der Ampera nach gut acht Jahren und 200.000 Kilometern Betrieb rund 12 Prozent an Batteriekapazität verloren, was im erwartbaren Bereich und noch weit über der Garantiegrenze von 70 Prozent noch nutzbarer Batteriekapazität liegt.
Fazit des 200.000-Kilometer-Dauertests
Der Opel Ampera schlug sich für die neue, aufwendige Technik sehr wacker. Defekte und außerplanmäßige Werkstattaufenthalte hielten sich im akzeptablen Rahmen. Er überzeugte mit seiner Alltagstauglichkeit und Zuverlässigkeit, dem Fahrverhalten und seiner Effizienz. Viele der Tester meinen rückblickend, dass der Opel Ampera seiner Zeit voraus war. Er war der erste vollwertige Plug-in-Hybrid, mit dem man auch größere Strecken und höhere Geschwindigkeiten rein elektrisch zurücklegen konnte. Seit 2016 wird er nicht mehr produziert.
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