100.000 km Dauertest: Hält das Tesla Model Y, was Musk verspricht?

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Ein Tesla Model Y steht an einer Schnellladesäule des ADAC
Marathonläufer Tesla Model Y an der ADAC eigenen Ladesäule© ADAC/Test und Technik

Mythos und Wirklichkeit: Was nach 100.000 Kilometern von Elon Musks vielfältigen Versprechen zum Tesla Model Y übrig bleibt. Zwischenbilanz mit viel Licht, hin und wieder aber auch Schatten.

  • Elektro-König auf der Langstrecke

  • Schwächen bei Komfort und Bedienung

  • Ladeleistung leicht reduziert

Wie schlägt sich Elon Musks Meisterstück im Dauertest des ADAC? Ob sich das Model Y von Tesla wirklich als Elektro-Langstreckenläufer bewähren kann, ob es Nervereien im Alltag oder gar Defekte und Liegenbleiber gibt, wollten die Testingenieure des ADAC herausfinden.

Und haben das Model Y ab Herbst 2022 zunächst ausschließlich für längere Dienstreisen eingesetzt, ab Mai 2024 (mit Kilometerstand 30.000) dann aber in den allgemeinen Dauertest übernommen. Dadurch sind in den letzten 14 Monaten enorme 70.000 Kilometer hinzugekommen. Rechnerisch durchschnittliche Tagesfahrleistung: 165 Kilometer. Das ist vier- bis fünfmal mehr als die in Deutschland übliche Tagesfahrleistung von Pkw-Nutzern.

Elektroauto für die Langstrecke

Frontansicht eines fahrenden Tesla Model Y
Das Model Y spielt seine Stärken auf der Langstrecke und bei dynamischer Fahrweise aus© ADAC/Ralph Wagner

Das Model Y von Tesla ist im Fahrzeug-Pool eines der am häufigsten bewegten Fahrzeuge – insbesondere für Langstrecken. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Die Reichweite von 300 bis 400 Kilometer – abhängig von Fahrweise und Wetter – ist alltags- und langstreckentauglich.

Die Integration der Supercharger in die Navigation funktioniert reibungslos, der Ladevorgang bei Tesla ist denkbar einfach. Selbst Elektro-Neulinge kommen mit dem System gut zurecht, da sich das Fahrzeug am Supercharger automatisch identifiziert und keine Karten oder Apps benötigt werden.

Die enorme Laufleistung von 100.000 Kilometer kam übrigens trotz einer längeren Werkstattreparaturzeit zusammen: Bei Kilometerstand 43.000  wurde das Model Y unverschuldet in einen Unfall verwickelt. Ein anderes Fahrzeug streifte den parkenden Tesla kräftig an der rechten Front. Die Reparatur dauerte rund sechs Wochen.

Insgesamt erwies sich das Tesla Model Y über die bisherigen 100.000  Kilometer als zuverlässiger Begleiter – auch wenn es nicht ganz frei von kleineren Defekten und Auffälligkeiten blieb. Absolut ungewohnt für Autofahrer ist, dass die Kommunikation mit Tesla ausschließlich über eine App erfolgt. Der Nutzer meldet dort Probleme oder Werkstattwünsche und vereinbart digital einen Servicetermin.

Das funktioniert erstaunlich gut: Rückfragen werden per Chatfunktion direkt in der App geklärt, hinterlegte Rückrufwünsche meist zügig bearbeitet. Dennoch ist dieser digitale Werkstattkontakt nicht immer ideal – manchmal wünscht man sich, einfach kurz mit einem Serviceberater telefonieren zu können.

Tesla Model Y: Defekte und Service

Kilometerstand

246

Fensterglas an der Fahrertür geborsten

ersetzt


5860

Windschutzscheibe gerissen

ersetzt


43.000

Unverschuldeter Unfall

repariert

Versicherungsschaden

55.580

beide Schlüsselkarten defekt

durch neue ersetzt


63.000

Windschutzscheibe gerissen

ersetzt


78.293

"End-of-Warranty-Check" (für 102 €)

Radträger hinten sowie vordere Querlenker getauscht

Garantieleistung

90.000

Steinschlag an der Windschutzscheibe

behoben


92.527

erste Wartung

Austausch Innenraum- und HEPA-Filter, Scheibenwischer erneuert, Prüfung Bremsflüssigkeit

Rechnung über 323 €

99.000

Reifendrucksensor defekt

getauscht

Rechnung rund 100 €

Dauertest-Details im Bild

Lob und Kritik im Alltag

Heckansicht eines fahrenden Tesla Model Y
Das Model Y spielt sein sportliches Potential auf Landstraßen aus © ADAC/Ralph Wagner

Besonders überzeugend werden neben den Langstreckenqualitäten das Raumangebot sowie die Fahrleistungen des Tesla Model Y beurteilt. Der Allrad-Elektroantrieb ist über jeden Zweifel erhaben und bietet in jeder Lage mehr als genügend Leistung – bis hin zu Geschwindigkeiten jenseits der 200 km/h. Die meisten Elektroautos haben da schon lange abgeregelt.

Beim Rangieren und in Parkhäusern stören der große Wendekreis und die Außenabmessungen – das Fahrzeug ist nicht besonders handlich. Und weil die Felgen etwas überstehen, also nicht durch die Reifen geschützt sind, werden sie beim Einparken häufig am Bordstein beschädigt.

Der Verbrauch von durchschnittlich 21,2 kWh/100 km laut Bordcomputer geht angesichts der überwiegenden Nutzung auf der Autobahn und der saisonalen Schwankungen absolut in Ordnung. Auch wenn in diesem Wert weder Ladeverluste noch Standverbräuche enthalten sind.

Kritische Töne fängt sich das Model Y wegen des mangelnden Federungskomforts und der teils umständlichen Bedienung ein. Das beginnt bei den versenkten Türgriffen, die äußerst fummelig zu betätigen sind, und endet beim Unmut über den Zwang, die Funktionswahl fast ausschließlich über den zentralen Bildschirm vornehmen zu müssen. Die einzigen physischen Tasten im Model Y sind die für die Fensterheber, der Warnblinker in der Dacheinheit sowie zwei unbeschriftete Drehknöpfe auf dem Lenkrad.

Wunsch nach Tasten und Knöpfen

Cockpit des Tesla Model Y
Cleaner geht's kaum: Cockpit ohne Schalter und Tasten© ADAC/Test und Technik

Der rechte Knopf am Lenkrad dient als Wählhebel für die Fahrstufe und zur Aktivierung des Autopiloten, der linke für Blinker und Scheibenwischer ("Tippwischen" und "Waschdüsen"). Alles Weitere wird über das zentrale Display gesteuert, indem man links unten auf das Fahrzeugsymbol tippt. Dann öffnet sich ein Menü mit den wichtigsten und am häufigsten genutzten Funktionen zur Fahrzeugbedienung. Auf ein Kombiinstrument hinter dem Lenkrad oder ein Head-up-Display verzichtet Tesla vollständig.

Als Neuling muss man sich mit dem Infotainment und der Fahrzeugbedienung aktiv befassen oder eine Einweisung erhalten. Einige Nutzer kommen nach kurzer Zeit gut zurecht und empfinden das System als fortschrittlich und angenehm. Der Mehrheit ist es jedoch auch nach mehreren Fahrten nicht intuitiv genug. Zwar lassen sich viele Funktionen über Lenkradtasten oder Sprachsteuerung bedienen, doch auch das erfordert Übung. Viele wünschen sich daher mehr haptische Tasten für gängige Funktionen wie Scheibenwischer oder Spiegelverstellung.

Als wenig hilfreich, teilweise sogar störend bis gefährlich wurden die Tesla-Fahrassistenten bewertet. Abstandstempomat, Lenkassistent und Spurwechselassistent sind unausgereift. Die Verkehrszeichenerkennung verbesserte sich zwar über die Jahre durch Software-Updates etwas, zeigte aber weiterhin regelmäßig falsche Schilder an. Das Vertrauen in die Systeme blieb gering, viele Nutzer deaktivierten sie daher dauerhaft.

Gefährlicher Autopilot

Screen des Tesla Model Y
In der System Software ist das "volle Potential für autonomes Fahren" hinterlegt – und teuer bezahlt © ADAC/Test und Technik

Am heftigsten fällt die Kritik über den sogenannten Autopiloten des Tesla Model Y aus. Der Begriff suggeriert eine Funktionalität, die das Fahrzeug in der Realität nicht bietet. Gegen einen Aufpreis von 3800 € gibt es den "Enhanced Autopilot", der zusätzlich einen Spurwechselassistenten, die Funktion "Herbeirufen" sowie "Mit Autopilot navigieren" umfasst.

Alternativ kann für 7500 € das Paket "Volles Potenzial für autonomes Fahren" erworben werden, das zusätzlich den "Ampel- und Stoppschildassistenten" enthält – sowie das vage Versprechen, dass das Fahrzeug eines Tages autonom fahren könne.

Funktionen wie "Herbeirufen" oder "Mit Autopilot navigieren" sind eher Spielereien. Der Spurwechselassistent macht den Spurwechsel auf Autobahnen relativ träge. Häufig wird das Manöver auch abgebrochen, wenn etwas mehr Verkehr herrscht und keine passende Lücke gefunden wird. Das System weist insgesamt ein unausgereiftes Verhalten auf. Es kam mehrfach zu Situationen, in denen der Fahrer unerwartet eingreifen musste, um Schlimmeres zu verhindern.

Im Laufe der Jahre gab es zahlreiche Software-Updates, die auch das Verhalten des Autopiloten veränderten. Die berüchtigten "Phantombremsungen", bei denen das Fahrzeug ohne erkennbaren Grund stark abbremste, sind deutlich seltener geworden.

Dafür treten nun häufiger sogenannte "Angstbremsungen" auf: Das Fahrzeug interpretiert harmlose Alltagssituationen als potenziell gefährlich und bremst vorsorglich – etwa bei entgegenkommenden Fahrzeugen in Ortschaften, an Einmündungen oder bei langsam auffahrenden Fahrzeugen auf der Autobahn.

Es gab Fälle, dass der Tesla auf der rechten Spur bremst, weil ein anderes Fahrzeug mit hoher Geschwindigkeit links überholt. Während man bei klassischen Tempomaten den Fuß über dem Bremspedal bereithält, muss man beim Tesla den rechten Fuß über dem Fahrpedal halten, um das übervorsichtige System reaktionsschnell übersteuern zu können – damit kein Hintermann auffährt.

Eine fragwürdige Erziehungsmaßnahme wurde mit dem großen Software-Update im Dezember 2023 eingeführt: Die Innenraumkamera überwacht die Aufmerksamkeit des Fahrers. Wer zu lange aufs Display oder aus dem Fenster schaut, riskiert den Entzug der Autopilot-Funktion für die restliche Fahrt. Nach fünf solcher "Strikes" innerhalb kurzer Zeit wird die Funktion sogar für eine ganze Woche gesperrt.

Gesundheit des Akkus im Model Y

Ein Tesla Model Y an einer Ladestation bei Nacht
Super: Binnen 30 Minuten Strom für 250 bis 300 Kilometer nachladen© ADAC/Test und Technik

Der Gesundheitszustand der Batterie wurde mehrfach geprüft – sowohl über Teslas eigenen Batterietest als auch über den unabhängigen Aviloo-Test. Das Ergebnis: Ein SoH-Wert von 91 bis 92 Prozent nach 100.000 Kilometern, was einer normalen und unkritischen Alterung entspricht. Insofern zeigt sich die Batterie bisher robust und zuverlässig, insbesondere da sie im Dauertest regelmäßig auf 100 Prozent aufgeladen und relativ häufig schnell geladen wurde.

Tesla war übrigens der erste Hersteller, der eine automatische Batterievorkonditionierung für das Schnellladen in die Routenführung integrierte. Diese Funktion arbeitet nach wie vor zuverlässig: Das Fahrzeug bereitet die Batterie automatisch optimal auf den Ladevorgang vor.

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Schnelles Laden nun langsamer

Allerdings wurde zuletzt ein Leistungsverlust beim Schnellladen festgestellt. Die maximal mögliche Ladeleistung, die das Model Y ausschließlich an Tesla-Superchargern erreicht, lag anfangs bei bis zu 257 kW (bei 5 Prozent Ladestand). Dieser Wert wird inzwischen nicht mehr erreicht. Die Spitzenleistung lag in mehreren Versuchen nun nur noch bei knapp über 200 kW.

In Zahlen bedeutet das, dass an der ADAC Schnellladesäule anfänglich in 30 Minuten Ladezeit 55,7 kWh nachgeladen werden konnten, was 295 km Reichweite entspricht. Nun sind nur noch 48,4 kWh und 256 km Reichweite in 30 Minuten möglich. Die Schnellladefähigkeit hat sich somit um 13 Prozent verschlechtert.

Trotz dieses Rückgangs in der Ladeleistung wurde das von den Nutzern bisher noch nicht negativ wahrgenommen. Insgesamt bescheinigen sie dem Model Y weiterhin eine sehr gute Langstreckentauglichkeit.

Bericht und fachliche Beratung: Matthias Vogt/ADAC Technik Zentrum