Ältere Gebrauchtwagen: Warum sie eine gute Wahl sein können
Autos, die viele Kilometer auf dem Buckel haben, erwecken vor allem bei potenziellen Käuferinnen und Käufern häufig Skepsis. Dabei gibt es gute Gründe, einem Pkw mit hoher Laufleistung noch einige Jahre zuzutrauen. Der ADAC erklärt, worauf es ankommt.
Das durchschnittliche Alter von Pkw auf der Straße steigt
Zustand und Gebrauchssituation sind entscheidend
Tipps für Käufer und Halter
Der Gebrauchtwagenmarkt ist aktuell ein heißes Pflaster. Auch 2023 lagen die Durchschnittspreise für einen Altwagen auf einem enorm hohen Niveau, eine merkbare Entspannung ist erst einmal nicht in Sicht.
Für Käuferinnen und Käufer ruft diese Lage nach kreativen Lösungen. Ältere gebrauchte Fahrzeuge, die bereits mehr als zehn Jahre alt sind und teils über 200.000 Kilometer auf der Uhr haben, bieten sich da als kostengünstige Alternative an. Doch wie tauglich ist so ein betagtes Fahrzeug noch? Eine Frage, die sich im Übrigen auch die Halterinnen und Halter eines solchen Pkw stellen. Sprich: Sollen sie ihr altes Auto weiterfahren oder lieber verkaufen?
Autos werden älter und zuverlässiger
Pkw in Deutschland werden von Jahr zu Jahr älter. In den Sechzigerjahren hatte ein Auto hierzulande im Schnitt nicht einmal vier Jahre hinter sich. 1990 waren es dann schon 6,3 Jahre und 2023 überschritt das Durchschnittsalter der Autos, die auf deutschen Straßen unterwegs sind, zum ersten Mal die Zehn-Jahres-Marke.
Das liegt allerdings nicht an der gestiegenen Nostalgie der Halterinnen und Halter, vielmehr sind die Pkw vor allem seit Beginn der 2000er immer zuverlässiger und haltbarer geworden. Sie haben viel seltener mit Rost zu kämpfen, für ältere Modelle wie den Mercedes W124 oder den Golf I war das noch ein echtes Problem.
Auch die Pannenstatistik belegt das: Auf tausend Autos kommen inzwischen weniger als zwei Pannen, Anfang der 1980er waren es noch etwa 20.
Sicherer wurden die Fahrzeuge ebenfalls. Schon ab den 2000ern konnten Modelle wie Opel Astra H, VW Passat B6, VW Golf IV, B-Klasse 245 mit serienmäßigem ABS und ESP aufwarten, was ihnen auch heute noch ein passables Sicherheitsniveau garantiert.
Sind 100.000 Kilometer viel für ein Auto?
Die genannten Modelle haben allerdings schon mehr als zehn Jahre auf dem Buckel und deshalb oft eine beträchtliche Laufleistung abgespult. 100.000 Kilometer sind da eher die Regel, mancher Tacho weist auch schon 200.000 Kilometer auf. Aber: Bei einem betagten Auto mit auffällig niedrigem Kilometerstand sollte man sogar eher vorsichtig sein und Tachotricksern nicht auf den Leim gehen.
Doch wie zuverlässig sind Autos mit hohem Kilometerstand noch? Sicher ist: Nur weil ein Auto viel gefahren wurde, ist es nicht automatisch reif f ür den Schrottplatz. Ganz im Gegenteil: Die Tatsache, dass es in kurzer Zeit so weit gekommen ist, spricht eher für ein typisches Langstreckenauto – und das kann sogar als Auszeichnung verstanden werden.
Wie aussagekräftig ist der Kilometerstand?
Ein Langstreckenauto, das einmal morgens gestartet wird und dann bei optimaler Betriebstemperatur fünf Stunden am Stück auf der Langstrecke läuft, kann in Summe gesünder sein als beispielsweise die Familienkutsche, die immer nur drei Kilometer zum Bäcker oder zum Kindergarten und dadurch viele ungesunde Kaltstarts erlebt hat. Statt ausschließlich die Laufleistung als Kaufkriterium zu nehmen, sollten daher vor allem der Zustand und die Gebrauchssituation des Fahrzeugs genau berücksichtigt werden.
Natürlich sollte man sich aber vor einem allzu pauschalen Urteil in Acht nehmen. Denn fraglos ist es bei einem sehr alten Gebrauchtwagen immer noch deutlich wahrscheinlicher, dass eine Reparatur fällig wird, als bei einem deutlich jüngeren Kandidaten.
Was ist mit Verschleißteilen?
Reparaturen fallen im Laufe der Zeit naturgemäß für typische Verschleißteile wie Kupplung, Stoßdämpfer oder Achsgelenke an. Ob bald ein Werkstattbesuch ansteht, können Sie auch als Laie bis zu einem gewissen Grad prüfen. Eine ausführliche Probefahrt mit gespitzten Ohren (Radio aus) ist daher obligatorisch. Idealerweise nehmen Sie dabei jemanden mit, der sich auskennt. Darauf sollten Sie achten:
Rost ist zwar meist kein Problem mehr. Aber dennoch sollten Sie genau hinsehen, besonders an versteckten Stellen wie den Schwellerkanten, Falzen oder Schweißnähten. Idealerweise sieht man sich das Fahrzeug auf einer Hebebühne auch von unten an.
Achsgelenke altern mal früher und mal später, je nach Modell. Sind sie ausgeschlagen, ist ein Tausch fällig. Bei der Probefahrt sollten Sie daher genau auf Poltergeräusche – meist von der Vorderachse – hören, die beim Überfahren von Kanaldeckeln oder anderen Unebenheiten entstehen.
Stoßdämpfer haben kein unbegrenztes Leben. Schwingt das Auto lange nach, wenn es über Bodenwellen fährt, kann das ein Zeichen für defekte Stoßdämpfer sein. Weil diese (wie auch Federn, siehe nächster Punkt) sicherheitsrelevant sind, drückt der TÜV hier kein Auge zu.
Federn können brechen. Gibt es Knackgeräusche beim Einlenken oder steht das Auto schief, deutet das auf gebrochene Federn hin.
Elektronische Steuergeräte sind auch bei 15 Jahre alten Autos bereits vorhanden. Zum Totalverlust muss ein Defekt aber nicht führen, denn es gibt mittlerweile zahlreiche Firmen, die sich auf die Reparatur der Elektronik spezialisiert haben. Ein teurer Austausch muss also nicht immer sein. Siehe auch Artikel "So sparen Sie bei der Autoreparatur".
Die Kupplung ist dann am Ende, wenn sie erst sehr spät greift oder beim Anfahren "rupft".
Ältere Gebrauchte: Lohnt die Reparatur?
Ist dann tatsächlich eine Reparatur fällig, kann sich das möglicherweise schon gar nicht mehr lohnen. Denn der Marktwert eines über zehn Jahre alten Autos ist meist recht gering, bei hohen Werkstattkosten rentiert sich die Investition daher häufig nicht. Allerdings ist der Wertverlust bei einer Weiterbenutzung auch massiv niedriger als bei einem neuen Auto mit weniger Kilometern auf der Uhr.
Um zu entscheiden, ob sich eine anfallende Reparatur für das altgediente Gefährt noch lohnt, kann man sich auf eine grobe Faustformel verlassen: Solange die Reparaturkosten die Hälfte des Marktwertes (im funktionstüchtigen Zustand) nicht überschreiten, lohnt sich die Reparatur noch aus rein finanzieller Sicht.
Wenn beispielsweise ein Auto mit einem Marktwert von 3000 Euro eine neue Kupplung benötigt, die samt Einbau 1000 Euro kostet, kann sich dies durchaus lohnen – zumindest dann, wenn nicht weitere Baustellen auf zusätzliche Investitionen hindeuten. Den Marktwert kann man über die Internetseite des ADAC, DAT oder Schwacke ermitteln oder in einschlägigen Verkaufsportalen nach ähnlichen Modellen suchen.
Ein positiver Nebeneffekt: Unter Umweltaspekten ist eine Reparatur fast immer nachhaltiger, als ein neues Auto zu kaufen.
Tipps für Halter und Suchende
Fazit: Der schlechte Ruf, den Autos mit sehr hoher Laufleistung und höherem Alter haben, ist oft unbegründet. Auf keinen Fall sollte man sich von diesen Faktoren abschrecken lassen, sondern lieber den allgemeinen Zustand und die vorherige Nutzungssituation des Fahrzeugs unter die Lupe nehmen. Das kann nämlich im Zweifel aussagekräftiger sein als eine schnöde Zahl im Fahrzeugschein oder auf dem Tacho.
Für Halterinnen und Halter gilt: Keine Panik, nur weil das eigene Auto ein bestimmtes Alter oder Laufleistung geknackt hat. Hat das Fahrzeug bis jetzt gut mitgehalten, gibt es keinen Grund, es nicht noch weiter zu benutzen.
Bei der Beurteilung des Fahrzeugzustands sollte man sich auf den Rat von Profis verlassen. Viele Werkstätten bieten einen Gebrauchtwagencheck an, den man vor dem Kauf oder Verkauf machen lassen kann. Das ist oft schon für Kosten um ca. 100 Euro möglich, Mitglieder profitieren in den ADAC Prüfzentren von vergünstigten Konditionen.
Die Gebrauchtwageninfos des ADAC geben eine gute Übersicht darüber, welche Modelle geeignet sind.
Manipulierte Tachos und fehlende Dokumente können Gebrauchtwagenkäufe kompliziert machen. Mit den Tipps der ADAC Juristinnen und Juristen können Sie sich gegen Unwägbarkeiten wappnen.
Fachliche Beratung: Maximilian Bauer, ADAC Technik Zentrum