Flugreisen: Wie das Fliegen nachhaltiger werden könnte

Flugzeug vor blauem Himmel mit langem Kondensstreifen
Sowohl die Luftverkehrsbranche, als auch der ADAC wollen, dass Fliegen klimaschonender wird© Shutterstock/REC and ROLL Stock

In der Klimadebatte stehen Flugreisen immer wieder in der Kritik. Höchste Zeit für einen Blick auf die Fakten und die Zukunft des Luftverkehrs.

  • 60 Prozent der ADAC Mitglieder nutzen einmal im Jahr das Flugzeug

  • Deutsche Inlandsflüge bei individueller CO₂-Bilanz am schlechtesten

  • Verlagerung auf Schiene sowie neue Kraftstoffe und Antriebe nötig

ADAC Mitglieder sind traditionell ihrem Auto verbunden, doch für einige Reisen wechseln sie auch gern das Verkehrsmittel. 60 Prozent nutzen mindestens einmal im Jahr das Flugzeug. Sie sind damit nicht allein: Im bisherigen Rekordjahr 2019 zählte das Statistische Bundesamt fast 227 Millionen Flugreisende in Deutschland. Nach der Corona-Krise stehen die Zeichen wieder auf Wachstum.

Bis zum Jahr 2050 rechnen die internationale Luftfahrtbranche und Forschungsinstitute damit, dass der Flugverkehr kräftig zulegen und sich mindestens verdoppeln wird. Damit würde der Anteil der Treibhausgase weiter steigen, den dieser Sektor verursacht – sofern sich technisch nicht viel ändert. Rund 3,5 Prozent der menschengemachten Klimaerwärmung sind heute schon auf den Flugverkehr zurückzuführen.

Angesichts dieses Trends stellt sich die Frage, wie Fliegen klimaschonender gestaltet werden kann.

Flugscham: Das denken die Mitglieder

Mobilität und die Möglichkeiten der Dekarbonisierung sind Themen, die in der gesellschaftlichen Diskussion über den Klimawandel immer häufiger polarisieren. Auch einige ADAC Mitglieder sind ins Grübeln gekommen. "Flugscham" nennt man dieses neue Unwohlsein, das Menschen empfinden, die sich der klimaschädlichen Tragweite ihrer Reise bewusst sind, aber dennoch fliegen.

Eine Umfrage aus dem Jahr 2023 zeigt, dass insgesamt ein Viertel der ADAC Mitglieder dieses Gefühl empfindet:

Vor allem Kurzstreckenflüge sorgen dabei für Schamgefühl. Dazu zählen unter anderem geschäftliche Reisen, zum Beispiel von München nach Frankfurt. Den Löwenanteil machen jedoch Teilstrecken aus, die für internationale Flugreisen anfallen, zum Beispiel ein Flug von Bremen nach Frankfurt, um anschließend nach New York weiterzureisen.

Welche Position vertritt der ADAC?

Ein Mann mit Rucksack steht vor einer Abflugtafel am Flughafen
Nach den Einschränkungen während der Corona-Krise erfreuen sich Flugreisen bei vielen Menschen besonders großer Beliebtheit© Shutterstock/Gorodenkoff

Trotz wachsenden Klimabewusstseins sind Flugreisen für viele unverzichtbar. Der Luftverkehr leistet aus Sicht des ADAC einen wichtigen Beitrag zur individuellen und vor allem internationalen Mobilität. "Um Menschen und Güter schnell über große Distanzen zu transportieren, gibt es kein geeigneteres Verkehrsmittel als das Flugzeug", sagt ADAC Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand.

Der ADAC setzt sich dafür ein, den Luftverkehr nachhaltiger zu machen, um den Anforderungen der Verbraucherinnen und Verbraucher und des Klimaschutzes gerecht zu werden. Im Fokus dabei: emissionsärmere Antriebe und Kraftstoffe für Flugzeuge sowie ein effizienter CO₂-Ausgleich. Wo möglich, sollten zudem Alternativen zum Flugzeug ausgebaut und genutzt werden. Etwa durch den Ersatz geschäftlicher Kurzstreckenflüge durch Fahrten mit dem ICE. Zugleich fordert der Mobilitätsclub, dass Fliegen für alle bezahlbar bleibt.

Ein generelles Verbot von Inlandsflügen lehnt der ADAC ab. Denn ein Drittel nutzt sie, um an großen Flughäfen wie in Frankfurt auf internationale Flüge umzusteigen. Ökologisch sei es sinnvoll, Passagiere für Mittel- und Langstrecken zu bündeln und die Maschinen an Drehkreuzen auszulasten. "Je mehr Menschen dasselbe Verkehrsmittel nutzen, umso schonender für das Klima", so Hillebrand.

Inwiefern sind Flüge klimaschädlich?

Inwiefern ist Flugscham wirklich angebracht? Ein Blick auf Auswertungen des Umweltbundesamts vor und während der Corona-Krise veranschaulicht: In der gesamtdeutschen CO₂-Nettobilanz machen Inlandsflüge zwar nur einen marginalen Anteil aus. Bei der individuellen Klimabilanz der Verkehrsmittelnutzung pro Kilometer sind sie aber Spitzenreiter.

Die Grafik zeigt: Pro Kilometer und Person fallen bei Inlandsflügen in Deutschland im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln am meisten Treibhausgase an. Das Umweltbundesamt (UBA) zählt in seiner Bilanz im Übrigen nicht nur die Emissionen durch CO₂, sondern auch die Klimawirkungen von Stickoxiden, Aerosolen und Wasserdampf.

Nimmt man diese Faktoren dazu, ist der Treibhauseffekt eines Flugzeugs um ein Vielfaches höher, als würde man nur das emittierte CO₂ einpreisen. Die Eisenbahn ist auf derselben Distanz für rund viermal weniger CO₂-Äquivalente verantwortlich. Am Ende ist für die individuelle Klimabilanz entscheidend, wie viele Kilometer im jeweiligen Verkehrsmittel zurückgelegt werden.

Die eigene Klimabilanz kennen

Mit dem UBA-Rechner lässt sich die eigene Klimabilanz in den Bereichen Mobilität, Ernährung und Konsum errechnen.

Und um die Treibhausgasemissionen des eigenen Fahrzeugs über dessen gesamten Lebenszyklus einschätzen zu können, hilft die LCA-Plattform von Green NCAP, bei dem der ADAC mitwirkt. Zudem bewertet der ADAC Ecotest regelmäßig die Umweltfreundlichkeit der neuesten Modelle.

Wie gut funktioniert Zug statt Flug?

Ein Zug und ein Flugzeug am Flughafen in Frankfurt
Auch die Luftverkehrswirtschaft befürwortet mehr und bessere Bahnverbindungen als Alternative zu Kurzstreckenflügen© imago images / Markus Mainka

Eine Möglichkeit, um das Klima zu schonen: Kurzstreckenflüge vermehrt auf die Schiene zu verlagern. Wo es möglich und sinnvoll ist, plädiert der ADAC für Zug statt Flug. Parallel befürwortet er die bessere Anbindung überregionaler Airports an das ICE-Netz. Beim Zubringerangebot und -ausbau in Richtung Frankfurt, Stuttgart und Berlin tat sich seit 2021 einiges. Die ICE-Anbindung des Münchner Flughafens scheint hingegen vorerst ausgebremst zu sein.

Mit dem Zug fahren ist auf vielen Kurzstreckenverbindungen zwar möglich und auch nachhaltiger als Fliegen. Allerdings müssen Reisende auf der Schiene deutlich mehr Zeit einplanen und oft umsteigen. Das belegt eine Untersuchung des ADAC von 20 Reiserouten innerhalb Europas. Sie verdeutlicht auch, warum eine Verkehrsverlagerung nicht immer gelingt.

Bei der Gesamtreisezeit schneidet das Flugzeug gegenüber der Eisenbahn laut dem ADAC Test besser ab. Im Schnitt dauerte eine Reise mit dem Zug knapp sieben Stunden, per Flug waren es rund fünfeinhalb Stunden. Im Untersuchungszeitraum war der durchschnittliche Flugpreis (222,42 Euro) jedoch mehr als zweieinhalb Mal so hoch wie der Bahnpreis (83,22 Euro).

Fazit des ADAC: Damit Bahnfahren in Europa eine konkurrenzfähige Alternative zum Fliegen werden kann, muss das grenzübergreifende Schienennetz weiter ausgebaut werden. Wichtig seien schnellere Verbindungen und ein größeres Angebot. Zudem sollten Zugreisen durch mehrere Länder bequem auf einem Internetportal buchbar und kostengünstig sein.

Was helfen E-Fuels und neue Technik?

Elektroflugzeug fliegt mit flüssigem Wasserstoff
Innovations- und Investitionszyklen für neue Flugzeuggenerationen und die Erneuerung der Flotten betragen 25 bis 30 Jahre© imago images

Klimaneutrales Fliegen wird nach Auffassung der Luftfahrtindustrie bis zum Jahr 2050 möglich werden. ADAC Technikpräsident Karsten Schulze fordert, hierzu alle Potenziale aus technischen und organisatorischen Maßnahmen zu nutzen, um die Emissionen zu senken. Um das Ziel zu schaffen, sollten die Unternehmen aus diesem Sektor auf erneuerbare Kraftstoffe und innovative Antriebstechniken umstellen.

Reine Elektroantriebe bleiben wohl vorerst auf Kleinflieger und wenige Hundert Kilometer beschränkt. Um eine CO₂-Netto-Nullbilanz bei größeren Modellen für mehr Passagiere und weitere Distanzen zu erreichen, wird an Wasserstoffkonzepten getüftelt. Bis zur Marktreife kann es bis 2035 dauern, weil die Maschinen eigene Designs, Tanks, Triebwerke und Infrastrukturen benötigen.

Deshalb ruht die Hoffnung auf nachhaltigeren Kraftstoffen. Die EU hat beschlossen, dass es ab dem Jahr 2025 eine Pflicht zur Beimischung von Sustainable Aviation Fuels (SAF) zum herkömmlichen Kerosin aus Erdöl gibt. Für Flieger, die in der EU tanken, soll anfangs eine SAF-Quote von mindestens zwei Prozent gelten, bis 2050 soll diese schrittweise auf 70 Prozent steigen. Laut dem internationalen Verband der Fluggesellschaften IATA liegt der SAF-Anteil im Luftverkehr derzeit bei rund 0,5 Prozent.

Es gibt verschiedene Verfahren für die Produktion von SAF. Sie werden bislang meistens aus biologischen Reststoffen und Abfällen hergestellt, etwa aus altem Speiseöl. Bis zu einem Anteil von 50 Prozent sind sie ohne Technikanpassungen einsetzbar. Da Biomasse aber begrenzt ist, sind zusätzlich synthetische SAFs (E-Fuels) nötig, die aus regenerativen Stromquellen erzeugt werden.

Es gibt noch viele Herausforderungen

Ein Flugzeug wird betankt
Die Klimaziele im Luftverkehr sind aus heutiger Sicht nur mit einem raschen und deutlichen SAF-Markthochlauf umsetzbar© iStocke.com/Andreas Tittelbach

Gemäß den künftigen Beimischungsvorgaben muss die Luftfahrtindustrie in der EU ab 2030 die E-Fuels zutanken. Spätestens Mitte des Jahrhunderts soll mit grünem Wasserstoff als Treibstoff geflogen werden – hergestellt durch Elektrolyse aus sauberem Wind- und Solarstrom. Die jährlichen CO₂-Emissionen von Flugzeugen könnten im selben Zeitraum um zwei Drittel sinken. Unklar ist allerdings, woher die dafür nötigen Mengen an erneuerbarer Energie kommen sollen.

Laut einer Analyse des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung sind E-Fuels heute noch nicht kommerziell verfügbar. Und sie könnten lange knapp bleiben. Bisher gebe es nur wenige Demonstrationsanlagen. Das weltweite Angebot könnte selbst 2035 nicht ausreichen, um die "unverzichtbaren deutschen Bedarfe" der Sektoren Luftverkehr, Schifffahrt und Chemie zu decken.

Weitere Herausforderung bei der Umstellung: Biokerosin und synthetische Lufttreibstoffe sind bisher drei- bis fünfmal so teuer wie herkömmlicher Sprit für Flugzeuge. Durch Fortschritte bei der Produktion von SAF sollen die Preise allerdings sinken. Maßgeblich entscheidend für den erfolgreichen Wandel sind dabei die politischen Rahmenbedingungen und Vorgaben.

Was nutzt die CO₂-Kompensation?

Eine Person sucht nach einem Flug an ihrem Laptop
Das Umweltbundesamt rät, bei freiwilligen Kompensationen auf die Qualität der Klimaschutzprojekte zu achten© Shutterstock/REDPIXEL.PL

Zur Unterstützung ihres Umstiegs auf klimaschonende Technologien sollen die Airlines in Europa Fördermittel aus dem Europäischen Emissionshandel erhalten. Dieser Handel mit Verschmutzungsrechten wird zugleich strenger: Ab 2026 müssen Airlines, die in der EU fliegen, gänzlich selbst für die CO₂-Zertifikate zahlen. Bisher erhalten sie diese teilweise gratis. Die Einnahmen aus den Zertifikatsversteigerungen sollen zu Investitionen in die Nachhaltigkeit der Branche beitragen.

Die ansteigende CO₂-Bepreisung könnte die Flugtickets verteuern. Gleichzeitig will die Politik für mehr Transparenz im Markt und Verantwortung beim Kauf sorgen. Für Flüge in der EU soll es ab 2025 ein Umweltlabel geben, das den zu erwartenden CO₂-Fußabdruck pro Passagier und die CO₂-Effizienz pro Kilometer angibt. So können Verbraucherinnen und Verbraucher die Umweltleistung von Flügen verschiedener Unternehmen auf derselben Strecke vergleichen.

Flugreisenden ist es jetzt schon möglich, das für ihre Route anfallende CO₂ mit einem Geldbetrag zu kompensieren. Damit werden Projekte finanziert, die versprechen, die verursachten Treibhausgase anderswo einzusparen: Es werden Bäume gepflanzt, Moore renaturiert oder die Verwendung von Biogas gefördert. Doch nicht alle Initiativen sind wirklich nachhaltig. Das Umweltbundesamt bietet detaillierte Informationen zum CO₂-Ausgleich und zu Qualitätsstandards.

Der ADAC wünscht sich, dass Kundinnen und Kunden während des Ticketkaufs auch nachhaltige Flugkraftstoffe dazubuchen können. Einige Airlines bieten das bereits für Business-Flüge an.