62. Verkehrsgerichtstag in Goslar: Soll bei Trunkenheitsfahrten das Auto beschlagnahmt werden?

Ein Polizist führt eine Alkoholkontrolle bei einer Frau durch
Zu viel getrunken: Auf dem Verkehrsgerichtstag wird darüber diskutiert, ob bei Trunkenheitsfahrten das Auto eingezogen werden soll © Shutterstock/Andrey_Popov

Entkriminalisierung der Unfallflucht, Punktehandel und Ärger bei der Schadensregulierung mit der gegnerischen Versicherung – das sind wichtige Themen auf dem 62. Deutschen Verkehrsgerichtstag in Goslar. Die Details.

  • Unfallflucht: ADAC für zentrale Meldestelle

  • Punktehandel: Behördentäuschung und Gesetzeslücke

  • Schadensregulierung: Probleme bei Vorschäden

Juristinnen und Juristen, Entscheidungsträgerinnen und -träger von Ministerien sowie Vertreter und Vertreterinnen von Polizei und Verbänden diskutieren ab 24. Januar auf dem 62. Deutschen Verkehrsgerichtstag in Goslar über aktuelle Themen und geben dem Gesetzgeber Empfehlungen. Die wichtigsten Themen des größten verkehrsrechtlichen Kongresses im Überblick.

Auto weg nach strafbarer Alkoholfahrt?

In Italien, Dänemark und ab März auch in Polen riskieren stark alkoholisierte Auto- und Motorradfahrer und -fahrerinnen, dass ihr Fahrzeug beschlagnahmt und eingezogen wird. Ob es diese Möglichkeit auch in Deutschland geben soll, darüber wird in Goslar diskutiert – bislang geht das hierzulande nur bei illegalen Straßenrennen und Fahren ohne Führerschein.

"Der ADAC ist dafür, Trunkenheitsfahrten effektiv zu bekämpfen und konsequent zu bestrafen", sagt ADAC Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand. Handlungsbedarf sieht er nicht: "Das bestehende Sanktionssystem, das neben dem Entzug der Fahrerlaubnis Geld- und sogar Freiheitsstrafen vorsieht, ist völlig ausreichend."

Außerdem kann er sich nicht vorstellen, dass das Einziehen von Fahrzeugen in der Praxis eine Rolle spielen würde. Hillebrand verweist auf die hohen Hürden beim Einziehen von Fahrzeugen, die nicht Eigentum des Nutzers oder der Nutzerin sind, da sie finanziert oder geleast sind. Und er zweifelt an der Verhältnismäßigkeit, weil damit auch Familienmitglieder getroffen würden.

Reformbedarf bei Unfallflucht

Eine Delle am Heck eines Autos
Unfallschaden: In Goslar wird über eine Entkriminalisierung von Unfallflucht und über Ärger bei der Regulierung von Schäden diskutiert© iStock.com/Bilanol

Wer heute nach einem kleinen Parkrempler nicht auf die Fahrerin oder den Fahrer des beschädigten Autos wartet oder sich nicht sofort bei der Polizei meldet, begeht Unfallflucht und wird zum Straftäter. Wie das Bundesverkehrsministerium, das im Frühjahr 2023 Pläne für eine Entkriminalisierung vorlegte, sieht auch der ADAC Reformbedarf. Aktuell macht sich auch der noch strafbar, der sich innerhalb von 48 Stunden meldet. "Deshalb macht von der tätigen Reue heute kaum jemand Gebrauch", sagt ADAC Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand.

Eine zentrale Meldestelle würde seiner Meinung nach dazu führen, dass sich mehr Täterinnen und Täter melden. Hillebrand: "Die Unfallopfer kämen dann zeitnah an alle für die Schadensregulierung relevanten Daten und könnten ihre Ansprüche durchsetzen." Außerdem würde die Herabstufung von Unfallflucht mit Sachschaden auf eine Ordnungswidrigkeit die Polizei entlasten, so der ADAC Verkehrspräsident: "Die muss sonst mit großem Aufwand ermitteln."

Europäische Nachbar- und Reiseländer haben Unfallflucht mit Sachschaden schon entkriminalisiert: In Italien oder Österreich ist sie nur eine Art Ordnungswidrigkeit mit Bußgeld. Und in den Niederlanden bleibt man bei einer freiwilligen Meldung binnen zwölf Stunden straffrei.

Ärger mit der gegnerischen Versicherung

Nach Unfällen wird häufig darüber gestritten, ob es bereits zuvor einen Schaden gab und wie dieser repariert wurde. Gestritten wird vor allem bei Vorschäden, die sich nicht klar vom neuen Schaden abgrenzen lassen. Versicherer fordern in vielen Fällen von den Geschädigten den Nachweis der Abgrenzung zu einem alten Schaden und dessen vollständige fachgerechte Reparatur.

Dr. Markus Schäpe, Leiter der Juristischen Zentrale des ADAC, verweist auf die verbraucherfreundliche Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), der Beweiserleichterungen zugunsten des oder der Geschädigten möchte. "Wenn der alte Schaden lange zurückliegt oder bei einem Vorbesitzer entstanden ist, sind lückenlose Nachweise kaum möglich", sagt Schäpe.

Aber viele Rechtsfragen seien noch nicht höchstrichterlich entschieden und würden in der Regulierungs- und Gerichts-Praxis sehr unterschiedlich behandelt. Schäpe: "Ohne Rechtsschutzversicherung kann eine Klage gegen die Versicherung ein finanzielles Desaster werden – Gerichts- und Gutachterkosten können schnell höher liegen als der Streitwert."

Punktehandel: Täuschung der Behörden

Die Qualität des Blitzerfotos ist mäßig, der Mann oder die Frau am Steuer nicht eindeutig zu erkennen. Um das schon gut gefüllte Punktekonto im Flensburger Fahreignungsregister nicht weiter wachsen zu lassen, bekennt sich ein ähnlich aussehender Familienangehöriger oder eine Freundin zu dem Verstoß. Oder eine Agentur aus der Schweiz oder England vermittelt für ein paar hundert Euro jemanden, der einspringt.

Dieser Punktehandel klingt illegal. Aber im Moment ist die Rechtslage nicht eindeutig, diese Täuschung der Behörden möglich. Dr. Markus Schäpe, Leiter der Juristischen Zentrale des ADAC, hofft auf ein klares Signal aus Goslar an den Gesetzgeber: "Diese Gesetzeslücke sollte geschlossen, Punktehandel klar unter Strafe gestellt werden."

Ansonsten würden, fürchtet Schäpe, Fahrerinnen und Fahrer mit vollem Punktekonto weiter dieses Schlupfloch nutzen. Etwa 5000 Menschen wird jedes Jahr wegen Erreichen der Acht-Punkte-Grenze die Fahrerlaubnis entzogen. "Das sind Unbelehrbare, die eine Gefahr für die Verkehrssicherheit sind."