Assistenzsysteme für Motorräder im Überblick

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Von Thomas Kroher

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Mensch fährt auf einem Motorrad
In Schräglage kann Kurven-ABS Leben retten© ADAC/Uwe Rattay

Moderne Bikes haben nicht nur ABS an Bord. Es gibt immer mehr elektronische Helfer – vom Tempomat über Traktionskontrolle bis zur Hinterrad-Abhebe-Kontrolle. Der ADAC stellt die Assistenzsysteme für Motorräder vor.

  • Motorräder brauchen spezielle Systeme

  • Extrem hilfreich: Kurven-ABS

  • Alle Sicherheits- und Komfortsysteme im Überblick

Unterschied: Auto und Motorrad

Hinterrad eines Motorrads in der Luft
Das Hinterrad hebt beim Bremsen ab: Dagegen hilft die Stoppie-Kontrolle© ADAC/Uwe Rattay

Ein Auto steht stabil auf vier Rädern und ist als zweispuriges Fahrzeug in den meisten Fahrsituationen nicht vom Umkippen bedroht. Ganz anders das Motorrad: Im Stand "kippelig", stabilisiert es sich erst nach dem Losfahren durch die Drehbewegung der Räder. Ein aktiver Eingriff durch Assistenzsysteme in Bremse oder Lenkung (wie beim Auto z.B. beim Notbrems- oder Spurhalte-Assistent) ist beim Motorrad also nur bedingt möglich. Kommt er für den Biker unerwartet, kann sich die kritische Situation eher verschärfen als auflösen.

Viele Assistenzsysteme in Motorrädern haben deshalb warnenden Charakter oder sie beeinflussen und optimieren Fahrmanöver am Rand der physikalischen Grenzen in einer so fortgeschrittenen Phase, dass eine rettende Reaktion des Fahrers nicht mehr möglich erscheint. Trotzdem bieten zunehmend mehr Hersteller aktuell radargestützte, adaptive Geschwindigkeitskontrollen an, die sogar Bremsungen mit Verzögerungen von bis zu 0,5 g einleitet. Dies ist eine neue Qualität der Assistenz für den Fahrer.

Viele der modernen, direkt eingreifenden Assistenzsysteme nutzen ausgefeilte Sensoren zur Bestimmung der räumlichen Lage der Maschine und der Kräfte, die auf das Motorrad einwirken. Daraus werden die anderen relevanten Größen abgeleitet.

So hilft Kurven-ABS

Motorradfahrer bremst auf Sand
Bremsen auf Sand: Ohne ABS herrscht höchste Sturzgefahr© ADAC/Uwe Rattay

Kurven fahren – der vielleicht schönste Grund, auf ein Motorrad zu steigen. Bis zu dem Moment, wo es in der Kurve heißt: Vollbremsung – aus welchem Grund auch immer. Plötzlich richtet sich das Bike auf und verlässt die angepeilte Kurvenlinie Richtung Gegenverkehr oder Straßengraben. Oder die Reifen verlieren ihren Grip, das Motorrad rutscht unkontrolliert weg.

So war es zumindest früher, als es noch keinerlei Assistenzsysteme für Motorräder gab. Inzwischen, mit kurventauglichem ABS, sind Notmanöver in Schräglage durchaus beherrschbar – vorausgesetzt, man hat das System an Bord und sich mit seinen verbesserten Möglichkeiten vertraut gemacht. Die gewünschte Linie kann stressfrei gefahren werden. Das "Kurven-ABS" bedeutete nach dem "klassischen" Antiblockiersystem einen Quantensprung in Sachen Motorrad-Fahrsicherheit.

Gesetzlich ist das herkömmliche und vorrangig für Geradeaus-Fahrt ausgelegte ABS bei neuen Maschinen seit 2017 Pflicht. Doch die Hersteller statten ihre Modelle längst mit weiteren, teils hocheffektiven Assistenzsystemen aus. Diese kann man in zwei Gattungen unterteilen:

  • Sicherheitssysteme zur Verringerung des Unfall- oder Verletzungsrisikos (z.B. ABS, kurventaugliches ABS, kurventaugliche Traktionskontrolle)

  • Komfortsysteme zur Entlastung des Fahrers und zur Verbesserung der Ergonomie (z.B. Tempomat, per Schalter einstellbare Feder-Dämpfer-Systeme)

Das leisten Assistenzsysteme

Assistenzsysteme sollen das bestehende Risiko des Motorradfahrens verringern. Es wäre also unklug, diesen Sicherheitsgewinn durch riskanteres Fahren wieder zunichtezumachen.

Sicherheitssysteme für Motorräder

In den folgenden Tabellen werden auch jene Systeme aufgeführt, mit denen sich Motorleistung, Gasannahme oder Fahrwerk an besondere Bedingungen wie z.B. Regen anpassen lassen.

Komfortsysteme für Motorräder

Neue Assistenzsysteme: Ausblick

Weitere Maßnahmen und Systeme zur Verbesserung der Motorradsicherheit werden sich mit zunehmender Vernetzung der Fahrzeuge untereinander ergeben. Dabei spielt die Vehicle-2-X-Kommunikation eine wichtige Rolle. Sie kann Risikopotenziale frühzeitig erkennen und entsprechende Warnungen erzeugen. Dadurch können mögliche Konfliktsituationen reduziert und somit die Motorradsicherheit zum Beispiel in Kreuzungs- und Einmündungsbereichen erhöht werden.

Außerdem werden erste Spurhalteassistenten entwickelt, die bei Untätigkeit des Fahrers auf die Fahrspur aktiv Einfluss nehmen sollen. Spätestens jetzt werden aktive und erfahrene Motorradfahrer und -fahrerinnen nachdenklich.

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Tipps für Motorradfahrerinnen und -fahrer

  • Machen Sie sich intensiv mit der Wirkung, Funktionsweise und den Einstellmöglichkeiten von Assistenzsystemen und Sicherheitsausstattungen Ihrer Maschine vertraut. Das bedeutet: Die Bedienungsanleitung ist Pflichtlektüre. Lassen Sie sich außerdem vom Händler Ihres Vertrauens die Systeme genau erklären.

  • Mit ABS – und ganz besonders mit modernem Kurven-ABS – muss man im Notfall richtig umgehen können, um den Sicherheitsgewinn auch wirklich nutzen zu können.

  • Die ADAC Experten empfehlen: Machen Sie in regelmäßigen Abständen ein passendes Sicherheitstraining. Bei modernen Bremssystemen müssen Sie Fahrgewohnheiten ändern, um optimal reagieren zu können.

Fachliche Beratung: Ruprecht Müller, ADAC Technik Zentrum