Feststoffbatterie: Ist das die Zukunft im Elektroauto?

Die Autohersteller hoffen auf den Lithium-Ionen-Akku mit festen Elektrolyten. Dabei galt die Serienreife für die Feststoffbatterie bis vor Kurzem als Zukunftsmusik. Nun hat Mercedes ein Erprobungsfahrzeug auf die Straße geschickt.
Höhere Energiedichte, mehr Reichweite, kürzere Ladezeiten
Technologie-Wettlauf: Beeinflusst durch Kosten und Material
Zukunft: Diversifizierung der Akku-Technologien
Die Feststoffbatterie soll das E-Auto zu neuen Höhen führen. Doch noch ist das Rennen um die Superbatterie offen: Kommt sie überhaupt? Und wenn ja: Wann und bei welcher Marke? Und: Wird sie eventuell viel zu teuer?
Vor- und Nachteile der Feststoffbatterie
Ultrakurze Ladezeiten, enorme Reichweiten, höchste Brandsicherheit und niedrigere Kosten versprechen die Fahrzeughersteller sich und ihren Kunden von der neuen Akku-Technik. Mehr oder weniger alle großen Autobauer setzen große Hoffnungen auf die neue Feststoffbatterie.
Die Meldungen zu Partnerschaften bei der Entwicklung von Feststoffbatterien mehren sich. Es geht um nichts Geringeres als die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit im Automobilbau. Auch und gerade für die deutschen Automobilhersteller.

Frank Blome, Batteriechef bei Volkswagen, sprach von einem "Endspiel" in der Akku-Technik, das jeder Konzern gewinnen wolle. Noch im Jahr 2025 – so der Plan von VW – soll die Feststoff-Technik insofern sichtbar werden, als dass eine Pilotanlage mit der Testproduktion beginnen soll. Von Testfahrzeugen mit Feststoffakku ist bei Volkswagen nichts bekannt.
Allgemein spricht man von einem Reichweitenplus von 30 Prozent gegenüber aktuellen Lithium-Ionen-Batterien, gleichzeitig soll die Ladezeit halbiert werden. Beides zusammen könnte das Reichweitenproblem des E-Autos endgültig lösen.
Als eine der Hauptaufgaben muss die Industrie noch die Fertigung im Großserienmaßstab meistern. Nissan zum Beispiel reklamiert für die Zukunft niedrigere Kosten gegenüber der Flüssig-Batterie, ein praktischer Beleg dafür steht noch aus. Experten rechnen zumindest am Anfang mit deutlich höheren Preisen für Festkörperzellen.
So funktioniert der Feststoffakku

Der Unterschied der Feststoffbatterie zu heutigen Akkus ist zunächst einmal nur ein kleiner: Statt eines flüssigen Elektrolyten kommt ein fester zum Einsatz. Der Elektrolyt stellt eine der zentralen Komponenten in jeder Batterie dar und übernimmt den Transport der Ionen zwischen Anode und Kathode, was im Gegenzug den Elektronen ihre Wanderschaft in Gegenrichtung ermöglicht, die für den Stromfluss sorgt und letztendlich den E-Motor antreibt.
Während der Flüssig-Elektrolyt so leicht und schnell brennt wie das chemisch verwandte Benzin, lässt sich sein festes Gegenstück fast gar nicht in Brand setzen. Vor allem bei Kollisionen von E-Autos könnte das ein Sicherheitsvorteil sein.
Der Punkt, der die Feststofftechnik wirklich interessant macht, ist ein anderer. Denn die Nutzung des festen Elektrolyten erlaubt den Einsatz alternativer Anodenmaterialien: Statt wie heute üblich die Anode aus Graphit zu fertigen, könnte man sie dann beispielsweise aus Lithium herstellen, das mit einem deutlich höheren elektrochemischem Potenzial aufwartet. An der Kathode kommt heute meist ein Materialmix aus Lithium, Nickel, Mangan und Kobalt (Lithium-NMC) zum Einsatz.
Das plötzliche Ende für die klassische Flüssig-Batterie dürfte eine Markteinführung der Feststoffbatterie nicht bedeuten. Schließlich hat die aktuelle Technik einen rund 30-jährigen Entwicklungsvorsprung, der sich nicht ohne weiteres aufholen lässt: Sie hat sich im Auto bewährt, Materialien und Produktionsverfahren sind erprobt und ihre Leistungsfähigkeit wird in den kommenden Jahren weiter steigen. Das beweisen die vielen geplanten neuen Batteriefabriken, die alle noch auf Akkus mit der bestehenden Zelltechnologie setzen. Die Investments sind bis ins nächste Jahrzehnt ausgelegt.
Wer ist führend bei Feststoffbatterien?

Und trotzdem, es geht voran mit der neuen Super-Batterie. Ein nächster Meilenstein ist gesetzt. Mercedes-Benz hat im Februar 2025 die ersten Straßentests mit der neuen Festkörperbatterie in einem EQS-Testfahrzeug gestartet. Mercedes spricht von einer Lithium-Metall-Anode, die das Potenzial habe, die gravimetrische Energiedichte des Akkus auf bis zu 450 Wattstunden pro Kilogramm auf Zellebene zu erhöhen. Die Reichweite soll über 1000 Kilometer betragen.
Die Festkörperbatterie von Mercedes-Benz verfügt laut Pressemitteilung über einen innovativen, schwimmend gelagerten Zellträger, für den bereits ein Patent erteilt worden sei. Damit die Zellen sich ausdehnen und zusammenziehen können, sei die Festkörperbatterie von Mercedes mit pneumatischen Aktuatoren ausgestattet, die auf die Änderung des Zellvolumens während des Ladens und Entladens reagieren. Der Mechanismus sei notwendig, um Leistung und Lebensdauer der Batterie zu gewährleisten.
Volkswagen arbeitet seit 2020 mit dem US-Unternehmen QuantumScape zusammen. Die Technologie von QuantumScape basiert auf einem selbst entwickelten Feststoff-Keramik-Separator, der die Verwendung von reinen Lithium-Metall-Anoden ermöglicht. Ergebnis soll eine außergewöhnliche Energie- und Leistungsdichte, hohe Ladegeschwindigkeit und robuste Sicherheit sein. Gemeinsam wollen QuantumScape und PowerCo nun eine Batteriezelle entwickeln, die in den Fahrzeugen des Volkswagen-Konzerns zum Einsatz kommen kann.
Ford und BMW haben sich mit dem Feststoffbatterie-Spezialisten Solid Power zusammengetan. Auch die US-Firma will noch in diesem Jahr Zellen für Qualifizierungstests liefern. Die erste Serienproduktion der Zellen sei für das Jahr 2026 angepeilt. Auch technische Details zum Akku wurden schon bekannt gegeben. So soll die Energiedichte mit einer Silizium-Anode auf 390 Wh pro Kilogramm kommen.
Werde statt der Silizium-Anode eine Lithium-Metall-Anode verbaut, komme die Zelle sogar auf 440 Wh pro Kilo. Zum Vergleich: Die in Europa agierende und mit Volkswagen kooperierende Firma Northvolt will 2025 Lithium-Metall-Akkus mit konventionell flüssigem Elektrolyt und einer Energiedichte von immerhin 369 Wattstunden pro Kilo auf den Markt bringen. Besser gesagt, sie wollte: Denn Northvolt steckt aktuell in einem Insolvenzverfahren. Die Zukunftsaussichten der Firma sind vage.
Der Langstrecken-Akku von Nio
Selbstverständlich arbeiten auch die Batteriegiganten in China an Akkus mit Feststofftechnologie. Ende 2023 hat der chinesische Autobauer Nio vermeldet, mit einem sogenannten Ultra-Langstrecken-Akku in der Flaggschiff-Limousine ET7 eine Reichweite von über 1000 Kilometer zurückgelegt zu haben. Die 150-kWh-Batterie sei das weltweit erste CTP-(Cell-to-Pack)-Paket mit einer Energiedichte von bis zu 360 Wattstunden pro Kilogramm. Dabei handle es sich um Zellen im Pouch-Format, die sich nicht thermisch ausbreiten.
Der Tesla-Weg: Die 4680er Rundzelle

Letztlich ist auch interessant, für welche Zelltechnologie sich Elektro-Ponier Tesla in Zukunft entscheidet. Bisher lag Tesla in Sachen Akkutechnologie jedenfalls stets richtig: Reichweiten und Ladezeiten sind top im Konkurrenzvergleich, wie man im ADAC Test nachlesen kann. Nach den bewährten Rundzellen im Format 2170 (2,1 Zentimeter im Durchmesser, 7,0 Zentimeter hoch) setzt Tesla inzwischen auch dickere Rundzellen im Format 4680 ein, immer noch mit flüssigem Elektrolyt. Nach Analysen der Universität von San Diego betrage die Energiedichte der neuesten 4680er Zellen 272 Wh pro Kilogramm.
Auf Rundzellen in zwei verschiedenen Größen setzt BMW in der neuen Elektroauto-Plattform, die ab 2025 auf den Markt kommen soll. Auch das ist ein Indikator dafür, dass es bis zum Serieneinsatz von Feststoffbatterien noch ein bisschen dauern könnte – allen Ankündigungen verschiedener Hersteller zum Trotz.
Besonders günstig: Natrium-Ionen-Akkus
Ende des Jahres 2023 sind in China erste Serien-Elektroautos der Firma Yiwei mit einer Natrium-Ionen-Batterie vom Band gelaufen. Vorteil: Bei Natrium-Ionen-Akkus wird das nur sehr aufwendig zu gewinnende Lithium durch das leicht zu handhabende und in großen Mengen verfügbare Natrium ersetzt. Das macht die Natrium-Ionen-Batterien besonders kostengünstig. Nachteil der Natrium-Ionen-Bauweise ist eine vergleichsweise geringe Energiedichte (etwa 120 bis 180 Wattstunden pro Kilo).
Mehrheitseigner der Firma Yiwei ist übrigens Volkswagen Anhui. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass sich Volkswagen in jedem Fall mehrgleisig aufstellen wird. Festkörperbatterien sind mutmaßlich als Option für zukünftige Oberklassemodelle mit sehr hohen Reichweiten gedacht. Natrium-Ionen-Akkus könnten niedrigpreisige E-Autos für den täglichen Kurzstreckenbedarf ermöglichen.
Akku-Gigant CATL, Weltmarktführer im Bereich Elektroauto-Akku, gibt die Energiedichte ihrer selbst entwickelten Natrium-Ionen-Zellen mit 175 Wattstunden pro Kilogramm an. Der Wert liegt auf Augenhöhe mit aktuell gängigen Lithium-Eisen-Phosphat-(LFP-)Batterien. Diese neuen Zellen von CATL sollen Kälte bis minus 40 Grad, aber auch großer Hitze trotzen. Laut Medienberichten zur Automesse von Shanghai werden die Natriumbasierten CATL-Zellen ab Dezember 2025 in die Massenproduktion gehen.
Eisenphosphat aktuell auf der Überholspur

Die Marktführerschaft bei den preisgünstigen Akkus ist und bleibt vermutlich bei Eisenphosphat-Batterien (LFP). Insbesondere Autohersteller, die das Klein- und Kompaktwagen-Segment bedienen, setzen auf die LFP-Chemie. LFP-Batterien kommen ohne die teuren Schwermetalle aus, sind sicher und langlebig. Nachteil ist die geringere Energiedichte.
Diesen Mangel hat die Geely Auto Group nach eigenem Bekunden nun weitgehend behoben. Die in China entwickelten Short-Blade-Zellen sollen eine Energiedichte von 192 Wh pro Kilogramm aufweisen. Bisher lagen die Energiedichten von LFP-Akkus zwischen 80 und maximal 140 Wh.

Laut Hersteller ist die Short-Blade-LFP-Zelle extrem sicher bei Unfällen, bedeutend zyklenfester als bisher (3500 Zyklen) und weit weniger empfindlich bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt. Laut Geely sinke die Kapazität der Batterie bei Umgebungstemperaturen von -30 °C auf lediglich 90 Prozent ab – ein im Vergleich zu Li-Ionen-Akkus sehr guter Wert.
Wann kommen Feststoffbatterien?
Welcher Akku in welchem Fahrzeug in Zukunft angeboten wird, dürfte vor allem von den konkreten Anforderungen und der Zahlungsbereitschaft der Kunden abhängen. Allein schon die Materialknappheit und Preisschwankungen werden für eine breite Palette verschiedener Akku-Varianten sorgen.
Neben den klassischen NMC-Lithium-Ionen-Akkus (NMC = Nickel-Mangan-Kobalt) wird es eine Vielzahl von günstigen Eisenphosphat-Batterien (LFP) geben. Noch preiswertere Natrium-Batterien könnten bald dazustoßen. Erst deutlich später wird mit einem Serieneinsatz von Feststoffbatterien zu rechnen sein. Die meisten Experten sehen den Durchbruch der Technologie in etwa 10 Jahren. Vielleicht geht es aber auch schneller: Denn der wirtschaftliche Konkurrenzkampf bzw. der technologische Wettlauf hat eigentlich gerade erst richtig begonnen.
Text: Holger Holzer/SP-X, Wolfgang Rudschies