Feststoffbatterie: Die Zukunft im Elektroauto rückt näher

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Von Redaktion

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Seitenansicht eines stehenden Mercedes
Mercedes EQS mit Feststoffbatterie: Weit über 1000 Kilometer Reichweite© Mercedes

Reichweiten von über 1000 Kilometer sollen durch Feststoffzellen im Elektroauto möglich sein. Lange galt die Serienreife dieser Super-Akkus als reine Zukunftsmusik. Doch nun geht die Technologie bei verschiedenen Autoherstellern in die praktische Erprobung.

  • Ziel 2030: Feststoffakku im Elektroauto serienreif

  • Höhere Energiedichte, mehr Reichweite, kürzere Ladezeiten

  • Technologie-Wettlauf: Beeinflusst durch Kosten und Material

Die Feststoffbatterie soll das E-Auto zu neuen Höhen führen. Doch noch ist das Rennen um die Superbatterie offen: Kommt sie überhaupt? Und wenn ja: Wann und bei welcher Marke? Und: Wird sie eventuell viel zu teuer?

Vor- und Nachteile der Feststoffbatterie

Ultrakurze Ladezeiten, enorme Reichweiten, höchste Brandsicherheit und niedrigere Kosten versprechen die Fahrzeughersteller sich und ihren Kunden von der neuen Akku-Technik. Mehr oder weniger alle großen Autobauer setzen Hoffnungen in die neue Feststoffbatterie.

Die Meldungen zu Partnerschaften bei der Entwicklung von Feststoffbatterien mehren sich. Es geht um nichts Geringeres als die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit im Automobilbau. Auch und gerade für die deutschen Automobilhersteller.

Eine Feststoffbatterie wird produziert
Fertigung von Feststoffzellen in einer Pilotanlage© Nissan

Frank Blome, Batteriechef bei Volkswagen, sprach von einem "Endspiel" in der Akku-Technik, das jeder Konzern gewinnen wolle. Noch im Jahr 2025 werde die Feststoff-Technik sichtbar.

Allgemein spricht man bei Feststoffakkus von einem enormen Reichweitenplus gegenüber aktuellen Lithium-Ionen-Batterien, gleichzeitig soll die Ladezeit halbiert werden. Beides zusammen könnte das Reichweitendefizit des E-Autos endgültig lösen.

Als eine der Hauptaufgaben muss die Industrie die Fertigung im Großserienmaßstab meistern. Nissan zum Beispiel reklamiert für die Zukunft niedrigere Kosten gegenüber der Flüssig-Batterie, ein praktischer Beleg dafür steht noch aus. Experten rechnen zumindest am Anfang mit deutlich höheren Preisen für Festkörperzellen.

So funktioniert der Feststoffakku

Feststoffbatterie, Wasserstoffbatterie, Vergleich, Flüssiger Elektrolyt, Fester Elektrolyt
Kleiner Unterschied, großer Effekt: Akku mit Festelektrolyt© ADAC e.V.

Der Unterschied der Feststoffbatterie zu heutigen Akkus ist zunächst einmal nur ein kleiner: Statt eines flüssigen Elektrolyten kommt ein fester zum Einsatz. Der Elektrolyt stellt eine der zentralen Komponenten in jeder Batterie dar und übernimmt den Transport der Ionen zwischen Anode und Kathode, was im Gegenzug den Elektronen ihre Wanderschaft in Gegenrichtung ermöglicht, die für den Stromfluss sorgt und letztendlich den E-Motor antreibt.

Während der Flüssig-Elektrolyt so leicht und schnell brennt wie das chemisch verwandte Benzin, lässt sich sein festes Gegenstück fast gar nicht in Brand setzen. Vor allem bei Kollisionen von E-Autos könnte das ein Sicherheitsvorteil sein.

Der Punkt, der die Feststofftechnik wirklich interessant macht, ist ein anderer. Denn die Nutzung des festen Elektrolyten erlaubt den Einsatz alternativer Anodenmaterialien: Statt wie heute üblich die Anode aus Grafit zu fertigen, könnte man sie mit Material bestücken, das mit einem deutlich höheren elektrochemischen Potenzial aufwartet. An der Kathode kommt heute meist ein Materialmix aus Lithium, Nickel, Mangan und Kobalt (Lithium-NMC) zum Einsatz.

Das plötzliche Ende für die klassische Flüssig-Batterie dürfte eine Markteinführung der Feststoffbatterie dennoch nicht bedeuten. Schließlich hat die aktuelle Technik einen rund 30-jährigen Entwicklungsvorsprung, der sich nicht ohne Weiteres aufholen lässt: Die Technik hat sich im Auto bewährt, Materialien und Produktionsverfahren sind erprobt, ihre Leistungsfähigkeit wird weiter steigen.

Wann kommt die Feststoffbatterie?

Exponat eines Feststoffakkus von Mercedes
Der Feststoffakku im Mercedes-EQS-Testfahrzeug© Mercedes

Dass die neue Super-Batterie keine reine Zukunftsmusik mehr ist, beweisen die regen Aktivitäten verschiedener Autohersteller. Mercedes-Benz hat im Februar 2025 die ersten Straßentests mit Festkörperbatterie in einem modifizierten EQS-Testfahrzeug gestartet.

Die aktuell eingesetzten Lithium-Metall-Zellen stammen vom US-amerikanischen Zellhersteller Factorial Energy. Mit diesem Akku hat ein Mercedes EQS im Sommer 2025 die Strecke von Stuttgart nach Malmö ohne einen Ladestopp absolviert. 1205 Kilometer. Mit einer Restreichweite von weiteren 137 Kilometern.

Mercedes hat noch einen zweiten Zellhersteller an seiner Seite: Farasis Energy aus China. Der chinesische Feststoffakku habe das Potenzial, die gravimetrische Energiedichte auf bis zu 400 bis 500 Wattstunden pro Kilogramm zu erhöhen. Das wäre etwa dreimal so viel Energie bei gleichem Gewicht heutiger Lithium-Ionen-Akkus. Porsche als Beispiel gibt für den NMC-Akku im Taycan eine Energiedichte von 168 Wh pro Kilogramm an.

Aufnahme eines Motrorrades mit einer Volkswagen Feststoffbatterie
VW beginnt die Erprobung des Feststoffakkus im Motorrad, einer Ducati © Volkswagen

Volkswagen arbeitet seit 2020 mit dem US-Unternehmen QuantumScape zusammen. Auf der IAA präsentierte Volkswagen eine Feststoffbatterie, die für ein Motorrad von Ducati gedacht ist (Ducati wurde von Volkswagen gekauft). Das Motorrad basiert auf einer vollelektrischen Ducati V21L, wurde aber stark verändert. Das Batteriesystem ist speziell auf die Anforderungen der Feststoffbatterie ausgelegt und kann nun mit bis zu 980 QSE-5-Zellen von QuantumScape bestückt werden. Auch Audi mischt bei der Entwicklung mit.

Eine Feststoffbatterie von VW ausgestellt
So sieht der Ducati-Akku im Detail aus. Im Pkw werden es prismatische Einheitszellen © ADAC/Wolfgang Rudschies

Die Technologie von QuantumScape basiert auf einem Feststoff-Keramik-Separator, der die Verwendung von reinen Lithium-Metall-Anoden ermöglicht. Für zukünftige Elektroautos soll der Feststoffakku in das Format der Einheitszelle von VW PowerCo gebracht werden. Thomas Schmall, Konzernvorstand Technik: "Die Feststoffbatterie hat das Potenzial, zu einem Gamechanger in der E-Mobilität zu werden. Mit der Einheitszelle schaffen wir bislang unerreichte Skaleneffekte."

Porsche ist beteiligt an der Entwicklung eines Feststoffakkus, die HyperCar-Partner Rimac gemeinsam mit dem taiwanesischen Zellhersteller ProLogium leistet. Laut Medienberichten handelt es sich bei diesem Feststoffakku um Pouch-Zellen mit Silizium-Anode und keramischem Elektrolyten, die eine Energiedichte von bis zu 450 Wh pro Kilo erreichen. Prologium hat eine Demonstrationslinie für die Produktion seiner Feststoffzellen in Taiwan aufgebaut. Schon ab 2027 soll die Serienproduktion in einer neuen Fabrik in Europa starten.

Aufname eines BMW und einem Ingeneur welcher etwas kontrolliert
Im 7er BMW testet BMW die Zellen von Solid Power © BMW

In München wurde ein 7er BMW auf Testfahrten mit Feststoffzellen von Solid Power aus den USA geschickt. Die Serienproduktion der Zellen sei für das Jahr 2026 angepeilt. Hier soll die Energiedichte mit einer Silizium-Anode auf 390 Wh pro Kilogramm kommen. Werde statt der Silizium-Anode eine Lithium-Metall-Anode verbaut, komme die Zelle auf 440 Wh pro Kilo.

Der Stellantis-Konzern hat sich (wie Mercedes) mit Factorial Energy verbandelt. Der gemeinsam entwickelte Feststoffakku komme auf eine Energiedichte von 375 Wh pro Kilogramm und könne problemlos bei Temperaturen zwischen minus 30 und plus 45 Grad betrieben werden. Im Jahr 2026 soll eine Demonstrationsflotte aufgebaut werden.

Nissan hat im Januar 2025 eine Pilot-Produktionslinie für Feststoffbatterien in Betrieb genommen und wird bis zum Geschäftsjahr 2028 Elektrofahrzeuge mit selbst entwickelten Feststoffbatterien auf den Markt bringen. Zellpartner von Nissan ist das US-amerikanische Unternehmen LiCAP Technologies.

Feststoffakkus aus China

Eine extreme Zukunftsaussage kommt von Huawei aus China. Der Elektronikriese soll ein Patent für Feststoffbatterien auf Sulfidbasis angemeldet haben, die eine Reichweite von 3000 Kilometer und eine Aufladung in fünf Minuten ermöglichen sollen. Wie groß der Akku für solch eine Reichweite sein müsste, erklärt Huawei dagegen nicht.

Der Automobilhersteller Chery stellt einen Feststoffakku für 1300 Kilometer in Aussicht, bei einer Energiedichte von 600 Wh pro Kilogramm. Schon ab 2027 will Chery die Batterie serienmäßig verbauen.

Batteriegigant CATL dämpft ein wenig die Erwartungen hinsichtlich einer Massenfertigung von Feststoffakkus. Er gibt aber an, tatsächlich einen Feststoffakku mit Energiedichten von rund 500 Wh bauen zu können. Allerdings eben nicht in großen Stückzahlen, sondern in einer (teuren) Kleinserie, die 2027 starten würde.

Der Langstrecken-Akku von Nio

Schon Ende 2023 hatte der chinesische Autobauer Nio vermeldet, mit einem sogenannten Ultra-Langstrecken-Akku in der Flaggschiff-Limousine ET7 eine Reichweite von über 1000 Kilometer zurückgelegt zu haben. Die 150-kWh-Batterie (Cell-to-Pack) weise eine Energiedichte von bis zu 360 Wh pro Kilogramm auf. Dabei handle es sich um Zellen im Pouch-Format, die sich nicht thermisch ausbreiten.

Der Tesla-Weg: Die 4680er Rundzelle

Mehrere Tesla 4680 Batterien stehen nebeneinander
Deutlich dicker als bisher: Zukünftige Rundzelle von Tesla im Format 4680© Vladimir Grigorev

Letztlich ist auch interessant, für welche Zelltechnologie sich Elektro-Pionier Tesla in Zukunft entscheidet. Bisher lag Tesla in Sachen Akkutechnologie jedenfalls stets richtig: Reichweiten und Ladezeiten sind top im Konkurrenzvergleich, wie man im ADAC Test nachlesen kann.

Nach den bewährten Rundzellen im Format 2170 (2,1 Zentimeter im Durchmesser, 7,0 Zentimeter hoch) setzt Tesla inzwischen auch dickere Rundzellen im Format 4680 ein, immer noch mit flüssigem Elektrolyt. Laut Analysen der Universität von San Diego beträgt die Energiedichte der neuesten 4680er Zellen 272 Wh pro Kilogramm.

Auf Rundzellen in zwei verschiedenen Größen setzt BMW in der neuen Elektroauto-Plattform, die ab 2025 auf den Markt kommen soll. Auch das ist ein Indikator dafür, dass es bis zum Serieneinsatz von Feststoffbatterien noch ein bisschen dauern könnte – allen Ankündigungen verschiedener Hersteller zum Trotz.

Besonders günstig: Natrium-Ionen-Akkus

Ende des Jahres 2023 sind in China erste Serien-Elektroautos der Firma Yiwei mit einer Natrium-Ionen-Batterie vom Band gelaufen. Vorteil: Bei Natrium-Ionen-Akkus wird das nur sehr aufwendig zu gewinnende Lithium durch das leicht zu handhabende und in großen Mengen verfügbare Natrium ersetzt. Das macht die Natrium-Ionen-Batterien besonders kostengünstig. Nachteil der Natrium-Ionen-Bauweise ist eine vergleichsweise geringe Energiedichte (etwa 120 bis 180 Wh pro Kilo).

Mehrheitseigner der Firma Yiwei ist übrigens Volkswagen Anhui. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass sich Volkswagen in jedem Fall mehrgleisig aufstellen wird. Festkörperbatterien sind mutmaßlich als Option für zukünftige Oberklassemodelle mit sehr hohen Reichweiten gedacht. Natrium-Ionen-Akkus könnten niedrigpreisige E-Autos für den täglichen Kurzstreckenbedarf ermöglichen.

Akku-Gigant CATL, Weltmarktführer im Bereich Elektroauto-Akku, gibt die Energiedichte der selbst entwickelten Natrium-Ionen-Zellen mit 175 Wh pro Kilogramm an. Der Wert liegt auf Augenhöhe mit aktuell gängigen Lithium-Eisenphosphat-(LFP-)Batterien. Diese neuen Zellen von CATL sollen Kälte bis minus 40 Grad standhalten, aber auch großer Hitze trotzen. Laut Medienberichten zur Automesse von Shanghai werden die natriumbasierten CATL-Zellen ab Dezember 2025 in die Massenproduktion gehen.

Eisenphosphat kostenseitig im Vorteil

Die neue Geely Short Blade Battery Technology
In China entwickelt: LFP-Zelle von und für die Geely Auto Group© Geely

Die Marktführerschaft bei den preisgünstigen Akkus ist und bleibt vermutlich bei Eisenphosphat-Batterien (LFP). Insbesondere Autohersteller, die das Klein- und Kompaktwagen-Segment bedienen, setzen auf die LFP-Chemie. LFP-Batterien kommen ohne die teuren Schwermetalle aus, sind sicher und langlebig. Nachteil ist die geringere Energiedichte.

Diesen Mangel hat die Geely Auto Group nach eigenem Bekunden nun weitgehend behoben. Die in China entwickelten Short-Blade-Zellen sollen eine Energiedichte von 192 Wh pro Kilogramm aufweisen. Bisher lagen die Energiedichten von LFP-Akkus zwischen 80 und maximal 140 Wh.

Die neue Geely Short Blade Battery Technology
Weiterer Vorteil: Blade-Zellen (Foto: auf der Fertigungsstraße) können als Strukturelement des Batteriegehäuses verbaut werden© Geely

Laut Hersteller ist die Short-Blade-LFP-Zelle extrem sicher bei Unfällen, bedeutend zyklenfester als bisher (3500 Zyklen) und weit weniger empfindlich bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt. Laut Geely sinke die Kapazität der Batterie bei Umgebungstemperaturen von minus 30 Grad auf lediglich 90 Prozent ab – ein im Vergleich zu Lithium-Ionen-Akkus sehr guter Wert.

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Der Akku der Zukunft?

Welcher Akku in welchem Fahrzeug in Zukunft angeboten wird, dürfte vor allem von den konkreten Anforderungen und der Zahlungsbereitschaft der Kunden abhängen. Allein schon die Materialknappheit und Preisschwankungen werden für eine breite Palette verschiedener Akku-Varianten sorgen.

Neben den klassischen NMC-Lithium-Ionen-Akkus (NMC = Nickel-Mangan-Kobalt) wird es eine Vielzahl von günstigen Eisenphosphat-Batterien (LFP) geben. Noch preiswertere Natrium-Batterien könnten bald dazustoßen. Erst deutlich später wird mit einem Serieneinsatz von Feststoffbatterien zu rechnen sein. Die meisten Experten sehen den Durchbruch der Technologie erst in etwa zehn Jahren. Vielleicht geht es aber auch schneller: Der wirtschaftliche Konkurrenzkampf bzw. der technologische Wettlauf wird jedenfalls intensiv geführt.

Text: Holger Holzer/SP-X, Wolfgang Rudschies