CF-Faktor: Braucht es noch Übergangs-Regelungen?

Ein ADAC Test beweist: Die NOₓ-Emissionen aktueller Autos liegen im realen Fahrbetrieb auf der Straße weit unter den Prüfstands-Grenzwerten – und sind besser, als es die Übergangs-Regelungen erfordern.
EuG kippt Teile der Euro 6d-Abgasnormen
Aber: Fast alle 6d-TEMP-Autos unterbieten die Normen ohnehin
Im realen ADAC-Straßentest: 26 Diesel und Benziner
Die Städte Paris, Brüssel und Madrid wollten es wissen – und das Gericht der Europäischen Union (EuG) stellte in einem Urteil am 13. Dezember 2018 klar: Die Toleranzen ("Konformitätsfaktoren") für die Stickoxid-Messungen (NOₓ), die aktuell bei den RDE-Messungen für die Abgasnormen Euro 6d-TEMP und Euro 6d im Realbetrieb gelten, sind erst einmal unzulässig.
Urteil: Toleranzen müssen neu geregelt werden

Das Gericht ist der Meinung, dass die EU-Kommission nicht befugt war, die Euro 6-Emissionsgrenzwerte für die neuen RDE-Prüfungen im realen Fahrbetrieb (RDE: Real Driving Emissions) abzuändern.
Hintergrund: Seit dem 1.9.2017 (Euro 6d-TEMP) und ab dem 1.1.2020 (Euro 6d) müssen die Abgas-Laborwerte der neuen Fahrzeugtypen durch Messungen im Straßenbetrieb überprüft werden. Unzulässige Abschalteinrichtungen à la VW könnten so leichter entdeckt werden.
Die EU-Kommission hat für diese RDE-Messungen eigene Grenzwerte festgelegt, indem sie auf die Euro-6-NOₓ-Grenzwerte Berichtigungskoeffizienten anwendet, sogenannte Übereinstimmungsfaktoren CF (Conformity Factor). Mit diesen Toleranzzuschlägen sollen die statistischen und technischen Ungenauigkeiten ausgeglichen werden, die im Rahmen der RDE-Messungen auftreten können.
So wurde der reguläre NOₓ-Grenzwert von Euro 6-Dieseln (80 mg/km) für die RDE-Prüfungen für eine Übergangszeit auf 168 mg/km (6d-TEMP mit CF = 2,1) erhöht, danach ist er fest auf 114 mg/km (6d mit CF = 1,43) festgelegt. Für 6d-TEMP-Benziner (60 mg/km) gilt nun 126 mg/km, anschließend 86 mg/km. Die CF-Faktoren 2,1 und aktuell 1,43 (früher galt noch 1,5) entsprechen also einem Toleranzzuschlag von jeweils 110 bzw. 43 Prozent.
Doch zu einer solch weitgehenden Änderung der Grenzwerte – so das EuG-Urteil – sei nur der Gesetzgeber, also EU-Parlament und Rat, befugt. Sollte die EU-Kommission innerhalb der zweimonatigen Frist nach Zustellung der Entscheidung kein Rechtsmittel einlegen, hat sie zwölf Monate Zeit, um die Verordnung 2016/646 anzupassen. Tut die Kommission das nicht, wird in Zukunft auch für die RDE-Messungen der Basisgrenzwert von 80 mg/km gelten.
Viele Autos unterbieten die strengsten Grenzwerte
Doch wie sauber sind Fahrzeuge mit den aktuellen Abgasnormen schon heute auf der Straße unterwegs? Im ADAC Ecotest werden viele Modelle – neben den Untersuchungen auf dem Prüfstand – auch zusätzlich durch Tests mit einem mobilen PEMS-Messgerät (Portable Emissions Measurement System) auf der Straße geprüft. Hier die Messergebnisse:
RDE-Messungen NOₓ: Diesel-Modelle
RDE-Messungen NOₓ: Benzin-Modelle
Die aktuelle Auswertung der Ergebnisse zeigt, dass alle bisher vom ADAC auf der Straße gemessenen Euro 6c bzw. 6d-TEMP-Fahrzeuge im Rahmen der RDE-Messungen sehr niedrige NOₓ-Emissionen aufweisen und sogar noch deutlich unter dem geltenden Euro 6-Laborgrenzwert von 80 mg/km (Diesel) bzw. 60 mg/km (Otto) liegen.
Der für Euro 6d-TEMP zulässige Übereinstimmungsfaktor (CF) von 2,1 wird somit von allen getesteten Modellen deutlich unterschritten und liegt unter 1,0.
Einzige Ausnahme ist der Honda Civic 1.6 i-DTEC, der nur mit einem NOₓ-Speicherkat ausgestattet ist und einen CF von 1,26 aufweist. Der Honda als Euro 6d-TEMP-Fahrzeug hält aber dennoch die gesetzlichen Vorschriften ein, er unterschreitet den maximal erlaubten Wert von 168 mg/km (entspricht CF = 2,1) für Straßenmessungen.
Detailergebnisse: CF meist kleiner als 1
Diesel-Modelle
Modell | Abgas- | Mess- | RDE: NOₓ in mg/km | CF |
---|---|---|---|---|
Audi A8 50 TDI | 6c | 23,4° C | 15 | 0,19 |
BMW 520d Steptronic | 6c | 14,0° C | 5 | 0,07 |
BMW 520d Touring | 6d-TEMP | 5,4° C | 1 | 0,01 |
BMW X2 xDrive 20d | 6d-TEMP | 6,8° C | 23 | 0,29 |
Citroen Berlingo BlueHDI 130 | 6d-TEMP | 5,8° C | 7 | 0,09 |
Honda Civic 1.6 i-DTEC | 6d-TEMP | 24,9° C | 101 | 1,26 |
Kia Ceed 1.6 CRDi | 6d-TEMP | 18,5° C | 22 | 0,28 |
Mercedes A 180 d | 6d-TEMP | 1,2° C | 40 | 0,50 |
Mercedes C 220 d | 6d-TEMP | 19,5° C | 0 | 0,00 |
Opel Astra 1.6 D | 6d-TEMP | 3,3° C | 1 | 0,02 |
Peugeot 308 SW BlueHDi 180 | 6d-TEMP | 13,3° C | 30 | 0,37 |
Volvo XC60 D5 AWD | 6d-TEMP | 7,9° C | 56 | 0,70 |
VW Golf 1.6 TDI SCR | 6d-TEMP | -0,4° C | 14 | 0,17 |
Benzin-Modelle
Modell | Abgas- | Mess- | RDE: NOₓ in mg/km | CF |
---|---|---|---|---|
BMW 218i Active Toure | 6d-TEMP | 23,3° C | 8 | 0,13 |
BMW 230i Coupé | 6c | 13,4° C | 10 | 0,16 |
Hyundai i20 1.0 T-GDI | 6d-TEMP | 23,7° C | 4 | 0,07 |
Kia Ceed 1.4 T-GDI | 6d-TEMP | 25,0° C | 10 | 0,16 |
Mercedes-Benz A 200 DCT | 6d-TEMP | 24,0° C | 9 | 0,16 |
Renault Megane TCe140 | 6d-TEMP | 3,8° C | 15 | 0,25 |
Suzuki Ignis 1.2 | 6c | 2,9° C | 3 | 0,05 |
Suzuki Swift 1.2 AWD | 6c | 23,9° C | 4 | 0,07 |
Suzuki Swift Sport 1.4 | 6d-TEMP | 24,5° C | 9 | 0,14 |
Volvo XC40 T5 AWD AT8 | 6d-TEMP | 20,1° C | 9 | 0,14 |
VW Golf 1.5 TSI | 6c | 2,6° C | 14 | 0,23 |
VW Golf 1.5 TSI BM DSG | 6c | 8,1° C | 4 | 0,06 |
VW up! GTI | 6d-TEMP | 21,0° C | 9 | 0,15 |
Wissenswertes
Die aktuell gültigen Abgasnormen
Ab dem 1. September 2018 sind nur noch Pkw mit Abgasnorm Euro 6c mit OBD-Norm 6-2 (Emissionsschlüsselnummer 36AD), Euro 6d-TEMP (36 AG), Euro 6d-TEMP-EVAP (36BG, ein überarbeitetes Prüfverfahren für Verdunstungsemissionen) und Euro 6d (36AJ) zulassungsfähig.
Lagerfahrzeuge der Hersteller (End-of-Series), die noch nach NEFZ geprüft sind und eine Ausnahmegenehmigung des KBA bekommen haben, dürfen noch bis 30. August 2019 erstmalig zugelassen werden.
Straßenmessungen (RDE) sind sowohl bei Euro 6c als auch bei Euro 6d-TEMP notwendig. Der wesentliche Unterschied besteht jedoch darin, dass bei der c-Norm kein Grenzwert vorgegeben ist und die Messung nur zu Überwachungszwecken dient, bei der d-TEMP-Norm jedoch in den Straßenmessungen der RDE-Übereinstimmungsfaktor (CF: Conformity Factor) für Stickoxidemissionen von 2,1 nachgewiesen werden muss. Im Rahmen der Euro 6d gilt dann der RDE-Übereinstimmungsfaktor von 1,43.
So funktioniert eine RDE-Messung
Um eine Vergleichbarkeit bei unterschiedlichen Fahrweisen zu gewähren, gibt es in der Gesetzgebung zur RDE-Messung einige Parameter, die für eine gültige Messung eingehalten werden müssen.
Laut Verordnung muss eine RDE-Messung zwischen 90 und 120 Minuten dauern und jeder Streckenanteil (Stadt-, Land- und Autobahnanteil) muss aus mindestens 16 Kilometern bestehen. Der Innerortsteil ist durch eine Fahrzeuggeschwindigkeit von maximal 60 km/h gekennzeichnet, der Außerortsteil durch eine Geschwindigkeit von höchstens 90 km/h und der Autobahnbetrieb von mindestens 90 km/h. Insgesamt müssen die Anteile einen ungefähren Ein-Drittel-Mix ergeben.
Zusätzlich gibt es noch einige Kriterien zur Geschwindigkeit und Beschleunigung, wie z.B. maximale Geschwindigkeit, Durchschnittsgeschwindigkeiten oder auch Beschleunigungsanteile. In den Vorschriften wird auch auf Umweltbedingungen eingegangen. Dadurch sind Messungen nur von 0 °C bis 30 °C bzw. im erweiterten Bereich von -7 °C bis +35 °C möglich.