Keyless-Diebstahl: Auch neue Autos sind noch leicht zu knacken
Die meisten Autos mit Keyless-Komfort-Schließsystem sind deutlich leichter zu stehlen als Fahrzeuge mit normalem Funkschlüssel. Keyless-Autos müssen sicherer werden, fordert der ADAC. Plus: So können Sie selbst die Sicherheit erhöhen.
Nur knapp zehn Prozent der geprüften Autos besser vor Diebstahl geschützt
Rund 700 Fahrzeuge im Test überprüft
Nachrüstung: Nur bei freien Anbietern im Angebot
Die meisten neuen Autos haben ein sogenanntes Keyless-Zugangssystem. Das ist an sich sehr praktisch: Das Auto erkennt den Schlüssel bereits, wenn sich der Fahrer oder die Fahrerin in unmittelbarer Nähe des Fahrzeugs befindet, und sperrt die Tür auf. Der Fahrer oder die Fahrerin muss den Schlüssel dazu nicht einmal aus der Tasche nehmen. Der Motor lässt sich ebenso einfach per Knopfdruck starten. Keyless-Schließsysteme sind heute weit verbreitet und gehören oft schon bei Kleinwagen zur Serienausstattung.
Das Problem: Es gibt eine weit verbreitete Sicherheitslücke bei den als Keyless, Keyless Go oder Keyless Entry bekannten Komfort-Schlüsseln. Autodiebe können mit der Technik ausgerüstete Fahrzeuge leichter stehlen als solche mit normalem Funkschlüssel: Langfinger müssen sich nur mit einem kleinen Gerät in der Nähe des Autoschlüssels aufhalten – auch wenn sich dieser nicht in unmittelbarer Nähe zum Auto befindet – und mit einem zweiten Gerät an der Autotür.
So "verlängern" sie die Reichweiten der Signale um Hunderte von Metern – und das Auto lässt sich sekundenschnell illegal öffnen und starten. Ein "Hacken" der Daten des Autos ist dabei gar nicht erforderlich. Dieses Problem wurde bereits 2011 von der ETH Zürich erkannt und öffentlich gemacht.
Fast alle Keyless-Autos leicht zu stehlen
Wie die kontinuierlichen Tests des ADAC bei mittlerweile fast 700 Fahrzeugen mit Keyless-Systemen zeigen, konnten fast alle Fahrzeuge problemlos geöffnet und weggefahren werden. Nur knapp zehn Prozent der überprüften Autos ließen sich nicht überlisten und waren gegen den Angriff mit dem vom ADAC benutzten Reichweiten-Verlängerer besser geschützt.
Wichtig zu wissen: Diese Sicherheitslücke bei Keyless-Komfort-Schlüsseln existiert auch, wenn der Schlüssel im Haus liegt oder man ihn unterwegs dabei hat.
Das Tückische: Läuft der Motor einmal, kann das Auto auch ohne Schlüssel so lange fahren, wie Sprit im Tank ist. Wenn ein Dieb bei laufendem Motor nachtankt, kann er das gestohlene Fahrzeug problemlos auch über weite Strecken überführen.
Autobesitzerinnen und -besitzer von Modellen mit Keyless-Systemen können zudem ein zweites Mal zum Opfer werden: Wird das gestohlene Fahrzeug von der Polizei gefunden und untersucht, gibt es keine Aufbruchs- oder sonstige Diebstahlspuren. Das kann zu Problemen bei der Regulierung des Schadens oder zu dem Verdacht führen, der Besitzer oder die Besitzerin habe den Diebstahl nur vorgetäuscht, um Versicherungsbetrug zu begehen.
Ist auch Ihr Fahrzeug betroffen?
Ob Ihr Fahrzeug auch von der Sicherheitslücke betroffen ist, zeigt folgende Liste der vom ADAC seit 2016 im Autotest überprüften Modelle:
Das fordert der ADAC
Der ADAC fordert die Autohersteller daher auf, die gesamte Fahrzeugelektronik systematisch und nach neuesten Sicherheitsstandards so abzusichern, wie dies in anderen IT-Bereichen längst üblich ist. Idealerweise mit neutraler Überprüfung, etwa nach der international anerkannten Common-Criteria-Methode.
Fahrzeuge mit Keyless-Schließsystem dürfen nicht deutlich leichter zu stehlen sein als Pendants mit normalem Funkschlüssel. Die exemplarisch durchgeführten Abfragen zu den Sicherheitslücken bei Keyless-Schließsystemen wurden von den meisten Autoherstellern jedoch nicht beantwortet.
Neue Automodelle mit Keyless-Schließsystem müssen zeitgemäß gegen Autodiebstahl gesichert sein. Die Fahrzeughersteller sind hier in der Pflicht.
Ein teureres Schließsystem mit Keyless-Technik muss mindestens genauso sicher sein wie ein Standard-System mit normalem Funkschlüssel. Es darf keinesfalls einfacher zu knacken sein.
Idealerweise mit einem neutralen Nachweis für die Wirksamkeit der Anti-Diebstahl-Maßnahmen, etwa nach der international anerkannten Common-Criteria-Methode.
Wenn die Hersteller als Schutz nur einen Bewegungssensor im Schlüssel verbauen, sollte dieser nach spätestens fünf Minuten Ruhezeit den Schlüssel abschalten. Bis dahin lässt sich das Auto weiterhin wie bekannt illegal öffnen und wegfahren.
Digitale Funktechnik schützt besser
Mit digitaler Funktechnik können Hersteller ihre Keyless-Modelle sicherer machen. Diese Technik verwendet Computerchips mit Ultra-Wide-Band-Technik (UWB) im Schließsystem, mit deren Hilfe aus der Laufzeit der Funksignale präzise die Entfernung des Schlüssels zum Auto ermittelt werden kann. Bei Verwendung der vom ADAC benutzten Funkverlängerung reagiert das Auto dann nicht mehr.
Erfreulicherweise hat Jaguar Land Rover als erster Autohersteller seit 2018 diese Technik in neuen Modellen verbaut. Neben dem Discovery ist laut Herstellerangaben die gleiche neue Keyless-Technik auch in den Modellen Range Rover, Range Rover Sport (jeweils ab Modelljahr 2018), Jaguar E-Pace und i-Pace verbaut.
Seit 2019 sind zudem immer mehr Automodelle von Audi (unter anderem A3, Q4 e-tron), Cupra (u.a. Born, Formentor), Seat (Leon), Škoda (u.a. Enyaq, Octavia) und Volkswagen (u.a. Golf 8, ID.-Modelle, Caddy, T 7) mit UWB geschützt. Von BMW, Genesis, GWM (Great Wall Motors), Hyundai, Kia, Mercedes und Suzuki gibt es ebenfalls erste Modelle mit besserem Schutz.
Bewegungssensoren nicht sicher
Einige Hersteller setzen bei Keyless-Schließsystemen auf einen Bewegungssensor im Schlüssel. Wird dieser eine gewisse Zeit nicht bewegt, schaltet das Funksignal ab, und das Fahrzeug lässt sich auf die bekannte Weise nicht mehr illegal öffnen und wegfahren.
Aus Sicht des ADAC ist diese Methode aber nicht ideal, da in der Zeit bis zum Abschalten des Funksignals ein Autodiebstahl trotzdem möglich ist. Etwa wenn die Diebe dem Opfer zu Fuß unauffällig folgen oder das Fahrzeug unmittelbar nach dem Abstellen entwendet wird.
So schützen Sie sich vor Autodiebstahl
Vorkehrungen
Wer ein Auto mit Keyless-Schließsystem besitzt, sollte in der Betriebsanleitung nachsehen, ob dieses sich deaktivieren lässt. Dann ist das Auto mit der oben erwähnten Methode meist nicht zu knacken. Man verzichtet dann aber auf den Keyless-Komfort.
Vor dem Kauf eines Autos den Sicherheitsaspekt bei der Wahl eines Keyless-Systems bedenken und gegebenenfalls darauf verzichten.
Fahrzeug über Nacht möglichst in einer verschlossenen Garage abstellen.
Funkschlüssel innerhalb von Gebäuden nicht in der Nähe von Außentüren, Außenwänden und Fenstern aufbewahren.
Hilfsmittel
Den Schlüssel in eine Metalldose (Keksdose), ein abschirmendes Etui oder einen Kochtopf zu legen oder ihn in Alufolie zu wickeln kann funktionieren, wenn wirklich alle Strahlen abgeschirmt werden. Am besten also ausprobieren, ob die Methode funktioniert: Dazu den Schlüssel in Alufolie wickeln oder in die Dose, den Kochtopf (Deckel drauf!) bzw. in das Etui geben und diese(s) vorschriftsgemäß verschließen. Dann damit direkt an die Fahrertür des Autos gehen (unter einem Meter Abstand) und ausprobieren, ob es sich öffnen bzw. verriegeln lässt (ohne Bedienung des Schlüssels). Falls ja, ist die Methode nicht wirksam.
Elektronische Schutzschaltungen als Nachrüstlösung sollen einen für das Öffnen und Starten wichtigen Stromkreis unterbrechen. Zur Bedienung ist dafür oft ein zusätzliches Keyless-System nötig – das sich aber genauso leicht umgehen lässt wie das eigentliche Keyless-System. Das haben ehemalige Forscher der Uni Magdeburg herausgefunden.
Den Schlüssel in den Kühlschrank legen? Kann funktionieren, muss aber nicht, wenn etwa die Dichtung des Kühlschranks Funkstrahlen durchlässt oder gar die ganze Tür (Glas!). Kann nicht ausprobiert werden, weil dazu der Kühlschrank direkt neben das Auto bewegt werden müsste. Da außerdem die Batterien durch die Kühlung an Leistung verlieren und die Elektronik durch Feuchtigkeit Schaden nehmen kann, wird von diesem Trick abgeraten.
Lässt sich ein Keyless-System nachrüsten?
Einen Komfortzugang wie Keyless für ältere Fahrzeuge nachrüsten: Klingt gut, aber ist das auch zu empfehlen?
Eine Nachrüstung mit Originalteilen wird von den Herstellern nicht unterstützt. Es gibt allerdings freie Anbieter, die für wenige Fahrzeugmodelle von Audi, Seat, Škoda, Mercedes und Volkswagen die jeweiligen Originalteile nachrüsten. Allein die Teilesätze kosten hier schon mehr als 1000 Euro, dazu kommt der zeitaufwendige und daher teure Einbau selbst: Es müssen neue Außentürgriffe verbaut werden sowie Antennen am Unterboden, im Innenraum und im Kofferraum. Auch die Verkabelung ist aufwendig und daher nur etwas für Profis. Und wie steht es um die Sicherheit? Ein nachgerüstetes System ist genauso sicher oder unsicher wie das Original ab Werk.
Man findet auch Nachrüstsätze zum Preis von unter 100 Euro. Sie sind meist nur für ältere Modelle geeignet. Damit die Technik funktioniert, muss die Wegfahrsperre des Autos ausgeschaltet werden. Teilweise wird dazu vorgeschlagen, den Originalschlüssel in das Zündschloss zu stecken, die Zündung anzuschalten und anschließend den Schlüssel abzusägen. Davon rät der ADAC dringend ab!
Der aufwendige Einbau mit großem Kabelsatz erfordert viel Fachkenntnis über die richtigen Anschlusspunkte. Meist sind keine fahrzeugspezifischen Anleitungen verfügbar, die genau das erleichtern würden. Außerdem können auch diese Systeme sehr wahrscheinlich von Autodieben nach der oben genannten Methode überlistet werden.
Wie sicher ist Keyless beim Motorrad?
Seit einigen Jahren findet man Komfort-Schließsysteme (Keyless) auch bei Motorrädern. Zu den wichtigsten Herstellern zählen BMW, Ducati, Harley-Davidson und KTM.
Die Diebstahlsicherheit von Keyless haben ADAC Ingenieure auch bei Motorrädern überprüft. Hierfür wurden praktische Versuche an vier Motorrädern unterschiedlicher Marken mit Keyless-Schließsystemen durchgeführt. Es kamen die gleichen Funkstrecken-Verlängerer zum Einsatz, die bereits bei den Untersuchungen von Pkw verwendet wurden.
Bei allen vier Motorrädern war es mit den Funkverstärkern möglich, über weite Distanzen zwischen Funkschlüssel und Motorrad das Lenkerschloss zu entriegeln und die Zündung zu aktivieren. Damit war ein Start des Motors und ein uneingeschränktes Wegfahren der Maschinen möglich.
Die obigen Forderungen des ADAC gelten deshalb auch für Motorradhersteller.
ADAC Empfehlung: In jedem Fall das Motorrad immer durch zusätzlichen Diebstahlschutz (zum Beispiel mit einem Bremsscheibenschloss) absichern.
Fachliche Beratung: Arnulf Thiemel, Ruprecht Müller / ADAC Technikzentrum