Fahrradunfall am Zebrastreifen – Autofahrer haftet für Zusammenstoß mit Kind
Ein Autofahrer haftet für einen Unfall mit einem Kind, das mit seinem Fahrrad einen Zebrastreifen überquert, zu 100 Prozent. Das gilt auch, wenn das Kind vor dem Zebrastreifen in einem Bogen vom Gehweg auf die Straße fährt.
Das Landgericht Osnabrück hatte über folgenden Fall zu entscheiden: Eine Autofahrerin fuhr auf einer Hauptverkehrsstraße. Ein achtjähriger Junge fuhr in entgegengesetzter Richtung mit dem Fahrrad allein auf dem Gehweg. Kurz vor einem Zebrastreifen fuhr er in einem Bogen auf die Straße, um sie zu überqueren und stieß dabei mit dem Auto zusammen.
Unfallfahrerin verlangt Schadenersatz
Das Auto wurde dabei nur beschädigt. Den Schaden wollte die Autofahrerin von der Mutter des Jungen ersetzt haben. Die Sache ging vor Gericht. Die Autofahrerin war der Ansicht, dass die Mutter ihre Aufsichtspflicht verletzt hatte, weil sie ihren Sohn an der Hauptverkehrsstraße allein mit dem Fahrrad fahren ließ.
In der ersten Instanz verlor die Autofahrerin. Dabei hat es das Amtsgericht offengelassen, ob die Mutter ihre Aufsichtspflicht verletzt hat: Es war der Ansicht, dass der Verursachungsbeitrag der Autofahrerin so stark überwog, dass daneben für eine Haftung der Mutter kein Raum ist. Ein Autofahrer muss sich bei Kindern im Straßenverkehr so verhalten, dass eine Gefährdung ausgeschlossen ist. Dazu muss er besonders aufmerksam und langsam fahren und immer bremsbereit sein.
Autofahrer muss Fehlverhalten des Kindes einkalkulieren
Nach Ansicht des Gerichts hat die Autofahrerin diese Pflicht nicht erfüllt. Der Unfall ereignete sich in unmittelbarer Nähe zu einem Zebrastreifen. Der achtjährige Junge wollte hier die Straße überqueren. Dabei war für die Richter unerheblich, dass er dazu schon 2,5 bis 3 Meter vor dem Zebrastreifen ansetzte. Bei Kindern ist es nicht unüblich, dass sie in einem Bogen (und nicht im 90 Grad-Winkel) auf den Zebrastreifen auffahren.
Die Autofahrerin hätte erkennen können, dass es sich um ein jüngeres Kind handelte, bei dem sie Unsicherheiten einkalkulieren muss, so der Richter. Sie hätte wegen des Zebrastreifens sehr langsam und in ständiger Bremsbereitschaft an dem Jungen vorbeifahren müssen. Die Autofahrerin war mit dem Urteil nicht einverstanden und legte Berufung ein.
Keine Verletzung der Aufsichtspflicht durch die Eltern
Das Landgericht Osnabrück hat die Berufung zurückgewiesen. Nach Ansicht der Richter hat die Autofahrerin schon deshalb keinen Anspruch auf Schadensersatz, weil die Mutter des Jungen ihre Aufsichtspflicht nicht verletzt hat. Sie führten dazu aus, dass ein achtjähriges Kind auch ohne Überwachung seiner Eltern mit dem Fahrrad am Straßenverkehr teilnehmen darf. Vorausgesetzt, das Kind beherrscht sein Fahrrad im Allgemeinen sicher, wurde wiederholt über Verkehrsregeln unterrichtet und hat sich über einige Zeit im Verkehr zuverlässig gezeigt – das kann zum Beispiel auf dem Weg zur Schule sein.
LG Osnabrück, Urteil vom 20.11.2020, Az.: 6 S 150/20
Hinweis: Das Urteil ist rechtskräftig.
Alles Wichtige zum Thema Kindersicherheit.
Wichtig in der dunklen Jahreszeit: Kinder müssen im Straßenverkehr gut sichtbar sein.