Bleifuß auf der Autobahn: Mitschuld bei Unfall
Ein Autofahrer fährt mit 200 km/h auf der Autobahn. Ein anderer übersieht ihn, wechselt die Spur, es kracht. Haftet der Spurwechsler allein? Ein Urteil des Oberlandesgerichts München.
Der Fall: Ein Autofahrer ist auf der linken Spur einer Autobahn mit 200 km/h unterwegs, es gibt kein Tempolimit. Ein Wohnmobilfahrer wechselt auf die linke Spur – er hatte den Autofahrer übersehen. Es kommt zum Unfall. Der Autofahrer verlangt vom Spurwechsler vollen Schadenersatz. Trifft den Autofahrer eine Mitschuld an dem Unfall, weil er die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h um 70 km/h überschritten hat? Die Sache geht vor Gericht.
In erster Instanz entschied das Landgericht München I, dass der Wohnmobilfahrer allein für die Unfallfolgen hafte. Ihn treffe ein grobes Verschulden, hinter dem die sogenannte Betriebsgefahr des Autos vollständig zurücktrete. Der Wohnmobilfahrer war damit nicht einverstanden und legte Berufung ein.
Spurwechsel nur ohne Gefährdung anderer
Das Oberlandesgericht München gab dem Wohnmobilfahrer Recht und nahm eine Mithaftung in Höhe von 25 Prozent des Autofahrers an. In der Regel treffe zwar den Spurwechsler die Alleinhaftung, wenn er beim Wechseln der Spur gegen die Sorgfaltsanforderungen verstoße.
Im vorliegenden Fall war aber nach Ansicht des Oberlandesgerichts die deutliche Überschreitung der Richtgeschwindigkeit um 70 km/h zu berücksichtigen. Dadurch sei die Betriebsgefahr des Autos erhöht, so das Gericht. Auch, dass der Unfall bei Einhaltung der Richtgeschwindigkeit vermeidbar gewesen wäre, begründe die Mithaftung des Autofahrers.
Mitschuld wegen Überschreitung der Richtgeschwindigkeit
Wer auf der Autobahn schneller als 130 km/h fahre, vergrößere die Gefahr, dass sich andere Verkehrsteilnehmer darauf nicht einstellen können und die Geschwindigkeit unterschätzen. Dies wirke sich auf die Haftungsverteilung nach diesem Unfall aus. Der Autofahrer musste sich daher eine Mitschuld von 25 Prozent anrechnen lassen. Und das, obwohl sich allein aus der Überschreitung der Richtgeschwindigkeit kein Schuldvorwurf ergebe, so das Gericht.
OLG München, Urteil vom 1.6.2022, Az.: 10 U 7382/21 e