Nutzungsausfall nach Unfall: Das gilt bei verzögerter Reparatur

Automechaniker hält Ausschau nach Lieferanten der Ersatzteile um Auto fertig reparieren zu können
Lange Reparaturdauer: Wenn die Werkstatt auf Ersatzteile wartet© Shutterstock/Virrage Images

Verzögert sich die Reparatur eines Unfallwagens wegen Lieferproblemen bei Ersatzteilen, geht dies zu Lasten des Unfallverursachers. Geschädigte können für die gesamte Reparaturdauer eine Nutzungsausfallentschädigung verlangen. Das hat das Oberlandesgericht Düsseldorf entschieden.

Nutzungsausfallentschädigung nach Unfall

Nach einem schuldlos erlittenen Unfallschaden können Sie von der gegnerischen Haftpflichtversicherung als Alternative zu Mietwagenkosten eine sog. Nutzungsausfallentschädigung verlangen. Das ist eine Entschädigung dafür, dass Sie Ihr Auto während der Reparatur- oder Wiederbeschaffungszeit nicht nutzen können.

Der Anspruch besteht grundsätzlich nur für die Reparaturdauer. Bei einem Totalschaden gilt die übliche Wiederbeschaffungszeit laut Gutachten (meist zehn bis 15 Tage).

Die Nutzungsausfallentschädigung berechnet sich je nach Fahrzeugtyp. Wenn Sie nach dem Unfall einen Gutachter beauftragen, sollte dieser auch die Nutzungsausfallentschädigung bestimmen.

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Der Fall: Nach einem unverschuldeten Unfall im Juni 2018 ließ die Geschädigte ihr Auto reparieren. Die Reparatur verzögerte sich wegen Lieferschwierigkeiten des Airbag-Moduls für die Beifahrerseite erheblich – bis Ende 2018. Die gegnerische Haftpflichtversicherung wollte für die lange Reparaturzeit keine Nutzungsausfallentschädigung zahlen. Die geschädigte Autofahrerin bestand aber darauf und erhob schließlich Klage.

Die erste Instanz wies die Klage ab. Das Landgericht Düsseldorf war der Auffassung, dass die Geschädigte gegen ihre Pflicht zur Schadensminderung verstoßen habe, weil sie sich um eine zeitnahe Reparatur hätte kümmern müssen. Die Geschädigte legte Berufung ein.

Lieferprobleme bei Ersatzteilen: Grundsätzlich Risiko des Unfallverursachers

Das Oberlandesgericht Düsseldorf gab der Geschädigten Recht und sprach ihr einen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung auch für die Zeit der verzögerten Reparatur wegen der Lieferschwierigkeiten beim Airbag-Modul zu.

Die Richter führten aus, dass die Geschädigte die Lieferprobleme der Klägerin nicht zu vertreten hätte. Bei der Beauftragung der Werkstatt gab es keine Anhaltspunkte, dass diese die Reparatur nicht zügig durchführen könnte. Verzögerungen wegen unvorhersehbarer Lieferprobleme bei Ersatzteilen gehen zu Lasten des Unfallverursachers, so die Richter.

Geschädigte muss nicht nach Ersatzteilen forschen

Das Gericht führte weiter aus, dass die Geschädigte auch nicht verpflichtet war, selbständig bei anderen Werkstätten oder beim Fahrzeughersteller nach der Verfügbarkeit der Ersatzteile zu fragen. Für sie habe kein Anlass zur Vermutung bestanden, dass die Lieferschwierigkeiten auf die beauftragte Werkstatt beschränkt sein könnte. Die Geschädigte durfte sich darauf verlassen, dass die Werkstatt sich um die zeitnahe Beschaffung der Ersatzteile bemüht und dabei alle verfügbaren Möglichkeiten ausschöpft, so die Richter.

Verzögerung der Reparatur muss nicht mitgeteilt werden

Das Gericht urteilte weiter, dass die Geschädigte nicht verpflichtet war, die gegnerische Haftpflichtversicherung über die Reparaturverzögerung zu informieren. Zum einen hatte diese schon zuvor die Regulierung des Unfallschadens abgelehnt. Zum anderen war für die Richter nicht ersichtlich, dass eine Information der Versicherung zu einer kürzeren Reparaturzeit geführt hätte.

Teilreparatur nicht zumutbar

Schließlich konnte der Geschädigten nach Ansicht des Gerichts auch nicht vorgeworfen werden, dass sie sich nicht mit einer Teilreparatur ohne das fehlende Airbag-Modul zufriedengab. Sie ist technischer Laie und konnte nicht annehmen, dass sie bei Beschädigung einer sicherheitsrelevanten Komponente wie des Airbag-Moduls auch auf die Reparatur verzichten kann. Die Richter führten dazu aus, dass ihr dies nicht zumutbar war, weil sie damit rechtliche Nachteile bei einer Überprüfung des Autos riskiert hätte. Auch das Risiko, dass bei einem weiteren Unfall ein Beifahrer ohne die Schutzwirkung des Airbags zu Schaden kommt, war der Geschädigten nicht zumutbar, so die Richter.

OLG Düsseldorf, Urteil vom 9.3.2021, Az.: 1 U 77/20

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