Kein pauschaler Seitenabstand beim Überholen mit dem Fahrrad

Zwei Radfahrer fahren nebeneinander
Radfahrende, die sich überholen, müssen anders als Autofahrende nicht generell eineinhalb bis zwei Meter Abstand einhalten© iStock.com/imnoom

Wer mit dem Auto einen Radfahrer überholt, muss generell innerorts eineinhalb Meter und außerorts zwei Meter Sicherheitsabstand einhalten. Das gilt nicht, wenn ein Radfahrer einen anderen überholt. Ein Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg.

Nach einem Unfall zwischen zwei Radfahrern ging es um Schadenersatz und Schmerzensgeld. Folgendes war passiert: Ein Radfahrer fuhr auf dem Radweg einer Straße. Ein zweiter Radfahrer bog aus einer Einfahrt ein und fuhr vor dem ersten langsam und unsicher her. Als der erste Radfahrer überholen wollte, schwenkte der zweite stark nach links. Es kam zum Zusammenstoß, bei dem der erste Radfahrer verletzt wurde. Er musste ins Krankenhaus und physiotherapeutisch behandelt werden. Später klagte er auf Schmerzensgeld und Schadenersatz.

Sicherheitsabstand zwischen Radfahrern nötig?

Das Landgericht lehnte die Ansprüche in erster Instanz noch ab. Begründung: Weil er den notwendigen Sicherheitsabstand nicht habe einhalten können, hätte der Kläger gar nicht überholen dürfen. Die Sache ging in die zweite Instanz.

Das Oberlandesgericht Oldenburg sprach dem ersten Radfahrer 50 Prozent der Schadenersatzforderung und 3500 Euro Schmerzensgeld zu. Überhole ein Radfahrer den anderen, müsse dabei anders als bei überholenden Autofahrern nicht generell ein Sicherheitsabstand von eineinhalb bis zwei Metern eingehalten werden, führten die Richter aus. Sonst sei gerade in Innenstädten Überholen fast nicht möglich. Es komme vielmehr auf die Umstände des Einzelfalles an. Im konkreten Fall wies der Radweg nämlich eine ausreichende Breite zum Überholen aus.

Mitschuld wegen erkennbarer Unsicherheit

Im vorliegenden Fall habe der beklagte Radfahrer durch seinen Linksschwenk gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoßen. Danach müsse sich jeder Verkehrsteilnehmer so verhalten, dass kein anderer gefährdet oder behindert werde. Weil der Kläger aber hätte erkennen können, dass der andere Radfahrer unsicher fuhr, treffe ihn hier jedoch ein Mitverschulden von 50 Prozent, so die Richter.

OLG Oldenburg, Urteil vom 21.9.2021, Az.: 2 U 121/21

Hinweis: Das Urteil ist rechtskräftig.