Neue StVO: Was tun bei falschen Bußgeldern und Fahrverboten?
Die neue Straßenverkehrsordnung ist am 28. April in Kraft getreten. Wegen eines Formfehlers im Gesetzestext ist jedoch die Bußgeldkatalogverordnung und damit die neuen Regelungen zu Fahrverboten und Bußgeldern unwirksam. Wir sagen welche.
Neue Fahrverbote sind nichtig
Tabelle: Was Verstöße jetzt wirklich kosten
Bußgeldbescheid: Was Sie dagegen tun können
Die Bundesländer gehen davon aus, dass die Neufassung der Bußgeldkataloges nichtig ist und wenden daher den alten Bußgeldkatalog auf laufende Verfahren an. Unwirksam sind die neuen Fahrverbote und Bußgelder, weiterhin gültig bleiben die beschlossenen Verhaltensregeln der StVO, zum Beispiel in Bezug auf den Schutz von Radfahrern.
Bayern, Hessen, Saarland, Brandenburg, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz haben bereits ein unkompliziertes Vorgehen angekündigt: Fahrverbote nach dem neuen Bußgeldkatalog werden nicht mehr vollzogen – es sei denn, das Fahrverbot würde auch nach dem alten Katalog verhängt werden. Sollte es schon angetreten worden sein, werden die Führerscheine zurückgeschickt bzw. können bei der entsprechenden Polizeidienststelle abgeholt werden. Auch die anderen Bundesländer prüfen rechtlich, ob sie bereits eingezogene Scheine bald zurückgeben. Was bis dahin für Betroffene gilt, lesen Sie weiter unten bei den wichtigsten Fragen und Antworten der ADAC Juristen.
Beim Umgang mit rechtskräftigen Bußgeldbescheiden wird Brandenburg als erstes Bundesland zu viel gezahlte Bußgelder erstatten.
Wie geht es jetzt insgesamt weiter? Um das Problem zu lösen, ist ein neues Gesetzgebungsverfahren notwendig. Einige Bundesländer wollen, dass nur der Formfehler korrigiert wird und die Verschärfungen der Bußgeldkatalogverordnung aus der StVO-Novelle erhalten bleiben. Daran hat der ADAC Kritik geübt.
Andere Bundesländer haben einen Kompromissvorschlag vorgelegt. Keine der beiden Seiten konnte sich jedoch bei der Abstimmung im Bundesrat am 18. September durchsetzen. Es wird daher weiter verhandelt.
Formfehler: Es gilt wieder der alte Bußgeldkatalog
Hier bekommen Sie eine Übersicht, was Verkehrsverstöße kosten. Wegen des Formfehlers gelten jetzt wieder die alten Bußgelder. Die Bußgelder stellen den Regelbußgeldsatz für Ersttäter ohne Voreintragungen im Fahreignungsregister dar:
Was passiert mit aktuellen Bußgeldbescheiden und Fahrverboten, die nach den neuen Regeln der StVO ausgestellt bzw. verhängt wurden? Wie reagieren Sie am besten? Hier die wichtigsten Fragen und Antworten der ADAC Juristen.
Nein. Es muss zuerst geprüft werden, ob in dem Bußgeldbescheid überhaupt der neue Bußgeldkatalog angewandt wurde (siehe Tabelle).
Es gibt es eine Vielzahl von Übertretungen, bei denen sich im neuen Bußgeldkatalog gegenüber dem alten nichts geändert hat und daher der Bescheid - zumindest aus diesem Grund - nicht zu beanstanden ist.
Nein, das Verfahren wird nicht automatisch eingestellt. Der Verstoß wird vielmehr nach der alten Fassung der Bußgeldkatalogverordnung geahndet.
Es muss zunächst geprüft werden, ob die Tat nach der alten Bußgeldkatalogverordnung überhaupt geahndet werden kann. Ist das der Fall, muss der bis zum 27.4.2020 geltende Regelsatz durch die Behörde zugrunde gelegt werden.
In der Antwort auf den Anhörungsbogen sollte daher darauf hingewiesen werden, dass die neue Bußgeldkatalogverordnung in der ab 28.4.2020 geltenden Fassung wegen eines Verstoßes gegen das Zitiergebot des Art. 80 Grundgesetz nichtig ist und der alte Bußgeldkatalog anzuwenden ist.
Auch hier muss zunächst geprüft werden, ob die Tat nach der alten Bußgeldkatalogverordnung überhaupt geahndet werden kann. Ist das der Fall, muss der bis zum 27.4.2020 geltende Regelsatz durch die Behörde zugrunde gelegt werden.
Ist bereits ein Bußgeldbescheid erlassen und ist die 14-tägige Einspruchsfrist noch nicht verstrichen, sollte umgehend Einspruch eingelegt werden und eine Änderung der Rechtsfolgen verlangt werden.
Sollte die alte Bußgeldkatalogverordnung keine Sanktion für den konkreten Fall vorsehen, so kann die Einstellung des Verfahrens gefordert werden.
Sofern die Einspruchsfrist abgelaufen ist und damit der Bußgeldbescheid rechtskräftig ist, kann geprüft werden, ob ein Wiederaufnahmeverfahren möglich ist.
Formelle Grundvoraussetzung dafür ist, dass eine Geldbuße von mindestens 250 Euro oder ein Fahrverbot verhängt worden ist. Allein der Hinweis auf die Nichtigkeit der Bußgeldkatalogverordnung ist jedoch wohl kein Grund, um erfolgreich ein Wiederaufnahmeverfahren zu begründen. Liegen also keine sonstigen Wiederaufnahmegründe vor, so wird ein solches Verfahren regelmäßig nicht erfolgreich sein.
Wurde in dem Bußgeldverfahren ein rechtskräftiges Fahrverbot verhängt, das Fahrverbot aber noch nicht angetreten, dann kann bei der Bußgeldstelle ein Aufschub der Vollstreckung für das Fahrverbot unter dem Aspekt der nichtigen Regelung beantragt werden.
Wenn Ihnen ein Bußgeldbescheid zugestellt wurde, dann ist ein Vorgehen nur dann möglich, wenn die Rechtsmittelfrist noch nicht abgelaufen ist.
Auch wenn Sie das Bußgeld bereits gezahlt haben, kann die Rechtsmittelfrist noch laufen. Die Zahlung des Bußgeldes führt nicht automatisch zur Rechtskraft des Bußgeldbescheides. Sie könnten in diesem Fall noch innerhalb der laufenden Frist Einspruch gegen den Bescheid einlegen.
Nein. Haben Sie ein Verwarnungsgeld erhalten und dieses bereits gezahlt, so ist das Verfahren damit beendet und Sie können nicht mehr dagegen vorgehen. Die Rechtskraft tritt in diesem Fall schon mit der Zahlung ein.
Befindet sich der Führerschein bereits zur Vollstreckung des Fahrverbotes in amtlicher Verwahrung, dann kann versucht werden im Wege des Gnadenverfahrens die Aufhebung der Entscheidung unter Herausgabe des Führerscheins zu beantragen. Wir empfehlen außerdem Kontakt mit der Bußgeldstelle aufzunehmen.
Wurde in dem Bußgeldverfahren ein rechtskräftiges Fahrverbot verhängt, das Fahrverbot aber noch nicht angetreten, dann ist bei der Bußgeldstelle ein Vollstreckungsaufschub unter Verweis auf die richtige Regelung zu beantragen .
Benötigen Sie Hilfe? Hier ein Mustertext, wie Sie Ihren Einspruch formulieren sollten:
Die Verhaltensregeln der neuen Straßenverkehrsordnung bleiben nach Auffassung des ADAC trotzdem gültig. Das sind die Wichtigsten:
Grünpfeil-Schild nur für Radfahrer
Die bestehende Grünpfeilregelung wird erweitert. Das Blechschild an Ampeln wird auch für Fahrradfahrer gelten, wenn sie von einem Radfahrstreifen oder Radweg aus rechts abbiegen wollen. Zusätzlich ist ein eigenes Grünpfeilschild (siehe Bild) nur für Radler geplant.
Einrichtung von Fahrradzonen möglich
Analog zu Tempo-30-Zonen können die Kommunen künftig Fahrradzonen einrichten. Hier sind nur Radfahrer erlaubt, außer ein Zusatzschild gibt die Zone auch für andere Verkehrsteilnehmer frei. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 30 km/h.
Seitenabstand beim Überholen von Radfahrern
Kraftfahrzeuge müssen beim Überholen auf der Fahrbahn künftig einen Mindestabstand zu Radfahrern, Fußgängern und E-Scootern halten. Außerorts sind das mindestens zwei Meter, innerorts 1,5 Meter. Bisher schreibt die StVO lediglich einen "ausreichenden Seitenabstand" vor.
Neues Schild: Überholverbot von Zweirädern
Außerdem gibt es künftig ein neues Verkehrszeichen "Überholverbot von Zweirädern", das zum Beispiel an engen Stellen aufgestellt werden soll.
Schrittgeschwindigkeit für Lkw beim Abbiegen
Zur Vermeidung von schweren Unfällen: Alle Kraftfahrzeuge über 3,5 Tonnen, zum Beispiel Lkw und Busse, die innerorts rechts abbiegen, dürfen künftig auf Straßen, wo mit Rad- oder Fußgängerverkehr gerechnet werden muss, nur noch Schrittgeschwindigkeit (7 bis 11 km/h) fahren.
Eigene Parkflächen für Lastenräder
Ob Waren- oder Kindertransport – Lastenfahrräder mit Ladefläche werden immer beliebter. Mit dem neuen Symbol "Lastenfahrrad" dürfen eigene Parkflächen und Ladezonen für diese Zweiräder ausgewiesen werden.
Parkplätze für Carsharing-Fahrzeuge
Parken für Carsharing-Fahrzeuge soll erleichtert werden. Dazu gehören ein neues Symbol für bevorrechtigtes Parken (siehe Bild) und ein Ausweis für Carsharing-Fahrzeuge. Er muss hinter die Windschutzscheibe gelegt werden. Die Regelung gilt für professionelle Anbieter, nicht für privates Carsharing.
Parkverbote vor Kreuzungen: Mehr Abstand
Wenn in Fahrtrichtung rechts neben der Fahrbahn ein baulich angelegter Radweg verläuft, müssen beim Parken vor Kreuzungen und Einmündungen ab jetzt mindestens acht Meter Abstand zu den Schnittpunkten der Fahrbahnkanten gehalten werden. Dadurch sollen abbiegende Fahrzeuge Radfahrer besser und schneller erkennen. Bisher waren es mindestens fünf Meter. Die gelten weiterhin bei Straßen ohne Radweg.
Verwendung von Blitzer-Apps auf Smartphone verboten
Was bisher eine juristische Grauzone war, soll in der neuen Straßenverkehrsordnung eindeutig geregelt werden: Die Verwendung von Apps auf Smartphones und Navigationsgeräten, die auf Blitzer aufmerksam machen, wird verboten. Das gilt auch für Radarwarner.