Batteriehersteller warnt: "Ein Ende der Lieferengpässe ist noch lange nicht in Sicht"

Interview Porträt von Sven Bauer
BMZ-Chef Sven Bauer im ADAC Interview© BMZ

Sven Bauer stellt mit seiner Firma BMZ Akkus für E-Bikes, Heimwerkergeräte, Gabelstapler und Elektroautos her. Im ADAC Interview erklärt er, warum es bei Batteriezellen oder Microchips Engpässe gibt – und ob sich die Probleme lösen lassen.

Volkswagen, BMW, Stellantis oder Mercedes – alle klagen momentan über fehlende Akkus für Elektroautos. Es mangelt aber nicht nur an Akkus, sondern auch an Microchips. Dass beide Komponenten fest in der Hand von Unternehmen im asiatischen Raum sind, weiß Sven Bauer als Chef mehrerer Akku-Fabriken nur zu gut. Seine Firma ist – genau wie die Automobilhersteller – von einer termingerechten Lieferung von Batteriezellen und Chips abhängig.

ADAC Redaktion: Herr Bauer, es gibt zurzeit bei den Autoherstellern große Probleme, weil Batterien fehlen. Die Lieferzeiten von Elektroautos werden lang und länger. Können Sie uns erklären, warum das so ist?    

Sven Bauer: Schauen wir ein Jahr zurück. Am Anfang der Pandemie 2020 hat die Autoindustrie versucht, erst einmal ihre Liquidität zu erhalten. Also haben die Firmen Bestellungen storniert. Aber schon im Juli 2020 sind die Bänder überall wieder gelaufen. Dann haben die OEMs (Anm. der Red.: Autohersteller) wieder Bestellungen aufgegeben. Und so hat sich der Bedarf plötzlich in etwa verdoppelt.

Lässt sich das mit Zahlen belegen?

2020 hatten die Autohersteller 2,4 Milliarden Zellen bei LG in Korea vorbestellt, letztlich haben sie aber nur 1,6 Milliarden Zellen abgenommen. Für das Jahr 2021 haben sie nun 5,9 Milliarden Zellen bestellt, bekommen werden sie aber nur 3,1 Milliarden Zellen. Warum? Weil LG nun das Gros der Produktion an Abnehmer außerhalb der Autoindustrie liefert, an diejenigen, die letztes Jahr sozusagen in die Bresche gesprungen sind. So funktioniert der Zellmarkt, es wird da gnadenlos agiert.

Heißt das, die Lieferverträge sind keine wirklichen Verträge, sondern nur so etwas wie Absichtserklärungen?

Autohersteller machen am Anfang eine Riesenrechnung auf, welche Mengen sie an Zellen brauchen für einen gesamten Modellzyklus oder mehr. Das soll ihre Position bei den Preisverhandlungen stärken. Letztlich sind das aber nur ziemlich unverbindliche Planzahlen für einen längeren Zeitraum.

Die "Frozen Zone" für verbindliche Bestellmengen, das sind dann nur zwei bis vier Monate. Damit ist die langfristige Planbarkeit in der Produktion bei den Zellherstellern enorm schwierig. Und das führt umgekehrt auch dazu, dass du mal die benötigten Zellen kriegst – wenn du Pech hast, aber auch nicht.

Wo bekommen die Autohersteller die 2,8 Milliarden Zellen her, die LG im Jahr 2021 nicht liefern kann?

Das ist das Problem. Die müssen jetzt andere Lieferanten finden, was nicht so einfach ist. Es hapert aber zurzeit nicht nur an den Produktionskapazitäten der Zellhersteller. Du kriegst die Zellen auch nicht rüber nach Europa. Vor Kurzem gab es zum Beispiel keine Container, die Transportkosten haben sich verdoppelt bis verfünffacht. Solche Probleme gab es vor Corona nicht.

Firmen, die nur 20 Millionen Zellen im Jahr abnehmen, haben überhaupt keine Chance mehr, bedient zu werden. Das ist traurig, aber wahr.

Sven Bauer, Geschäftsführer BMZ

Ihre Firma BMZ baut Akkus für die verschiedensten Anwendungen und muss die Lithium-Ionen-Zellen dafür auch in Asien kaufen. Aus europäischer Produktion gibt es ja keine Zellen dieser Art. Haben Sie es selbst auch schon erlebt, nicht beliefert zu werden, aufgrund der Engpässe?

Man muss da erst mal unterscheiden zwischen Pouchzellen und prismatischen Zellen, wie sie VW, BMW oder Daimler verwenden, sowie Rundzellen, wie wir sie brauchen oder auch Volvo, Tesla, Jaguar. Bei den Rundzellen konkurrieren wir zum Beispiel mit Tesla. Tesla kauft eine Milliarde Rundzellen pro Jahr, das ist viermal so viel wie wir.

Es kommt von daher schon mal vor, dass wir eine Absage für eine Lieferung bekommen. Aber bisher haben wir dann immer auf einen der anderen Zellhersteller zurückgreifen können. Firmen jedoch, die zum Beispiel nur 20 Millionen Zellen im Jahr abnehmen, die haben überhaupt keine Chance mehr, bedient zu werden. Traurig, aber wahr.

Bauen die Zellhersteller nun weitere Kapazitäten auf? Das wäre doch ein Riesengeschäft.

LG baut zurzeit neun neue Linien in der Produktion auf. Das dauert ein Jahr. Und damit können dann weitere 900 Millionen Zellen gebaut werden. Trotzdem kann LG damit den Bedarf nicht vollkommen decken. Und so geht es überall. Der Bedarf wird auch in Zukunft schneller wachsen als die Produktionskapazität. Nicht nur im Pkw-Bau, sondern auch im Bereich Energy-Storage, für Gabelstapler, Bagger und Elektrobusse.

Hat das Konsequenzen für den Preis der Zellen?

Ja, klar. Es bekommt derjenige Zellen, der den höchsten Preis dafür bezahlt. Da nutzen auch die sogenannten LTAs, Long Term Agreements, nichts.

Was tut man in Europa dagegen?

Ein Beispiel: Northvolt baut eine Zellfertigung in Europa auf. Mit CO₂-freier Produktion, das ist ein sehr gutes Argument. Aber Northvolt ist zelltechnisch zwei Jahre hinterher und 30 Prozent teurer als die Koreaner und Japaner. Und da reden wir noch nicht über die Chinesen, die nämlich noch mal 20 Prozent billiger sind.

Sie klingen, als hätten Sie wenig bis gar keine Hoffnung, dass es bald eine deutsche oder europäische Zellfertigung gibt, die erfolgreich auf dem Markt sein kann.

Doch, die wird es geben und gibt es auch schon. LG in Polen, Samsung in Ungarn, CATL in Thüringen und bald auch Svolt in Saarbrücken. Nur ist leider bisher kein deutsches Unternehmen dabei.

Und wie geht es weiter?

Ich sehe das als Zwischenschritt. Denn inzwischen gehen die asiatischen Hersteller auf Wunsch der OEMs nach Europa: Samsung, LG, CATL, Svolt, SK Innovation, BYD – alle siedeln Fabriken in Europa an, um dicht an den Lieferketten zu sein. Es ist der nächste wichtige Schritt, dass wir tatsächlich eine Zellfertigung in Europa haben. Auch wenn die Eigentümer LG, CATL oder Samsung heißen.

Die Autoindustrie klagt seit einiger Zeit zusätzlich über Engpässe bei Microchips. Auch da haben Sie ja einen gewissen Einblick. Ist die Situation bei den Chips aktuell genauso dramatisch? Oder ist das schon wieder vorbei mit den Engpässen?

Ein Ende der Lieferengpässe ist noch lange nicht in Sicht. Man muss sich vorstellen, dass auf jedem einzelnen Modul im Akku ein Controllerchip sitzt. Dazu kommen Chips für die Steuergeräte im Auto, für das LED-Licht und, und, und. Das sind gigantische Mengen, die die Autoindustrie brauchen wird in Zukunft. Mengen, die mit heutigen Produktionskapazitäten nicht hergestellt werden können. Nun erweitern die Chiphersteller ihre Kapazitäten tatsächlich schon. Aber eine neue Produktionslinie aufzubauen kostet nicht nur wahnsinnig viel Geld, es braucht auch bis zu zwei Jahre Zeit dafür. In zwei Jahren hat sich der Bedarf aber vielleicht schon wieder verdoppelt oder verdreifacht.

Also wird sich an der Situation gar nichts ändern?

Nee, null. Die voraussehbaren Lieferzeiten für Chips betragen heute mindestens 26 Wochen, der Trend geht aber zu einem Jahr. Und das wird sich nicht bessern. Selbst die Automobilhersteller, die das größte Interesse an verfügbaren Chips haben, scheuen das Geschäft wie der Teufel das Weihwasser.

Das Dilemma begann schon vor etwa 15 Jahren: Da ist Deutschland daran gescheitert, eine Chipherstellung an den Start zu bringen. Taiwan aber hat die richtigen Firmen zusammengebracht, die mit Unterstützung des Staates das immense Investitionskapital aufgebracht haben. Taiwan hatte den Willen und das Durchhaltevermögen. Nun ist Taiwan der unangefochtene Weltmarktführer für Chips.

Weltweit zu wenig Batteriezellen, weltweit zu wenig Chips, und zwar heute schon. Dazu enorme Zuwachsraten beim Elektroauto in den kommenden Jahren. Wie soll das gehen?

Das wird schwierig. Es kann sein, dass bald kleine Industriezweige wackeln, weil sie nichts mehr kriegen zum Produzieren. Das kann eine Kehrmaschine sein, ein Staubsauger, ein Akkuschrauber oder ein Rasenroboter, der dann vielleicht nicht mehr gebaut wird.

Sven Bauer ist CEO und Founder der BMZ Group mit Sitz in Karlstein am Main. Das Unternehmen besitzt nicht nur in Deutschland Produktionsstätten für Batterien, sondern auch in China, Polen sowie in den USA und unterhält Dependancen in Japan und Frankreich. Im Rahmen einer Initiative der Bundesregierung, eine Zellfertigung für Batterien in Deutschland aufzubauen, setzte sich Sven Bauer für die Bildung eines Konsortiums unter dem Namen TerraE ein, mit Unternehmen aus den Bereichen Rohstoffherstellung, Autoindustrie und Maschinenentwicklung. Da das Konsortium scheiterte, entschied sich Sven Bauer, das Projekt in Eigenregie weiterzuführen. Aktuell plant Bauer – auch das erzählte er im Interview mit dem ADAC – eine selbst entwickelte Rundzelle in Asien zu fertigen. Sobald seine Firma die zusätzliche Expertise aufgebaut hat, will er die Zellfertigung nach Deutschland holen.



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