Künstliche Intelligenz: Was ist das?

Professor Sami Haddadin im Porträt, viele Roboterarme sind im Hintergrund zu sehen
Prof. Sami Haddadin wurde 2019 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft ausgezeichnet© dpa/Katherina Hess

Künstliche Intelligenz verändert die Welt. Unsere Arbeit, unsere Mobilität und unser Zusammenleben. Über Chancen und Risiken von KI sprach die Redaktion mit einem renommierten Experten.

Künstliche Intelligenz verändert unsere Arbeitswelt, macht neue Geschäftsmodelle möglich, beeinflusst unser gesellschaftliches Zusammenleben. Aber was ist künstliche Intelligenz (KI) eigentlich genau? Wo kommt KI zur Anwendung? Und vor allem: Ist KI ein Segen oder eher eine Bedrohung für die Menschheit? Diese Fragen beantwortet Professor Sami Haddadin, Direktor der Munich School of Robotics and Machine Intelligence.

ADAC Redaktion: Wie erklären Sie einem Laien, was künstliche Intelligenz (KI) ist?

Prof. Sami Haddadin: Künstliche Intelligenz ist eine Maschine. Aber eine Maschine, die Erfahrungen sammelt, aus diesen Erfahrungen Erkenntnisse zieht und Wissen generiert. Das kann beispielsweise ein Computer oder ein Roboter sein. Der nutzt sein Wissen wiederum, um neue Fähigkeiten und neues Wissen zu erlangen.

Das umfasst Vorgänge wie das Durchsuchen des Internets nach Bildern, um zu verstehen, was diese Bilder zeigen. Es kann aber auch sein, dass ein System lernt, einen Schlüssel zu greifen um ein Schloss zu öffnen. Dieses Wissen wird dann dazu genutzt, um neue Türen mit unterschiedlichen Schlüsseln und Schlössern zu öffnen.

Prof. Haddadin

Sami Haddadin hat 2011 an der RWTH Aachen mit einer Arbeit zu humanoiden Robotern promoviert. Bereits 2014 berief ihn die Universität Hannover mit erst 34 Jahren auf einen Lehrstuhl für Regelungstechnik. Im April 2018 folgte er einem Ruf an die TU München, wo er das Forschungszentrum "Munich School of Robotics and Machine Intelligence" leitet. Für seine Arbeiten erhielt er zahlreiche Preise, allen voran den vom Bundespräsidenten verliehenen Deutschen Zukunftspreis 2017.

Sie sagen, die Welt wird sich durch Robotik und KI massiv und rasant verändern. Nur zum Guten oder gibt es auch Risiken?

Die Welt hat sich längst durch KI und Robotik verändert. In unserem Alltag nutzen wir Sprachassistenten, Navigationssysteme und vieles mehr. Bis wir einen smarten Roboterassistenten haben, wird es aber noch etwas dauern. Dem verantwortungsvollen Umgang mit KI können wir gar nicht genug Bedeutung beimessen

Die Risiken liegen auf der Hand. Wir müssen uns fragen: Erzeugen wir mit Hilfe von Gesichtserkennung einen Überwachungsstaat, wie von Orwell in seinen Romanen beschrieben? Oder nutzen wir sie, um zum Beispiel personalisierte Dienstleistungen anzubieten? Entwickeln wir Roboter als Ersatz für Menschen oder als Werkzeug, das die Menschheit befähigt, völlig Neues zu tun? Der verantwortungsvolle Umgang mit der Technologie ist ein Punkt, dem wir gar nicht genug Bedeutung beimessen können.

In welchen Bereichen der Mobilität sehen Sie die größten Potentiale für KI?

Ich sehe zum Beispiel große Potenziale in der Koordination des Verkehrs. Technologie kann älteren Menschen einen größeren Mobilitätsradius ermöglichen und sie unabhängiger von anderen Personen machen.

Langfristig halte ich Mobility-as-a-Service für ein hoch interessantes Modell: Statt selbst Fahrzeuge zu besitzen, werden diese nach individuellem Bedarf dynamisch genutzt, was auch in puncto Nachhaltigkeit Vorteile bietet. Auch im Bereich autonomes oder teilautonomes Fliegen eröffnen sich durch KI neue Möglichkeiten. Ein Beispiel wäre das Inselhopping in bestimmten Regionen.

Würde bei einem durch eine fehlerhafte KI verursachten Autounfall der Programmierer haften?

Produkthaftung greift natürlich auch bei KI Systemen. Für zukünftige Technologien existieren aber noch nicht die notwendigen Qualitäts- und Sicherheitsstandards. Ich selbst schrecke ein wenig zurück, wenn ich sehe, dass Forschung und Innovation zu früh standardisiert werden sollen, bevor sie überhaupt voll entwickelt wurden. Das war nie der Zweck von Normung, im Gegenteil.

Technische Möglichkeiten müssen sich erst einmal entwickeln und entstehen. Eine Standardisierung erfolgt erst, wenn sie flächendeckend in den Realeinsatz gebracht werden sollen.

Was passiert, wenn künstliche Intelligenz auf menschliche Dummheit trifft?

Das was immer passiert: menschliche Dummheit siegt.

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Sie haben sich nach dem Abitur für ein Studium der Elektrotechnik entschieden. Wollten Sie damals schon Roboter entwickeln?

Ausschlaggebend war ein Besuch der Hannover-Messe während meines ersten oder zweiten Semesters. Dort war neben den großen relativ bekannten Industrierobotern auch eine grazile Roboterhand zu sehen, die mich fasziniert hat. Da wurde mir klar, dass mein Interesse an der Funktionsweise des Menschen und der technischen Umsetzung durch Roboter sehr nah beieinander liegen.

Leonardo Da Vinci beispielsweise hat in seinen Bewegungsautomaten eine ganz ähnliche Idee vorgelebt. Niemand hat zuvor besser verstanden, dass der Mensch einem Bauplan folgt, dass Anatomie einen funktionellen Zweck hat. Die große Frage heute ist, wie man technische Systeme entwickelt, die mit ihrer Umwelt interagieren können.