Smartcar: Kann das Auto bald einen Schlaganfall verhindern?
![Sensoren an Lenkrad, Gurt und Sitz: Mit dem Smartcar-System werden Herz-Kreislauf-Werte erfasst Cockpit des Smartcar der TU Braunschweig](https://assets.adac.de/image/upload/ar_16:9,c_fill,f_auto,g_auto,q_auto:eco,w_1500/v1/ADAC-eV/KOR/Bilder/PR/smartcar-cockpit-2412_zwp2co.jpeg,https://assets.adac.de/image/upload/ar_16:9,c_fill,f_auto,g_auto,q_auto:eco,w_1500/v1/ADAC-eV/KOR/Bilder/PR/smartcar-cockpit-2412_zwp2co.webp)
Das Auto als Frühwarnsystem für Herz-Kreislauf-Erkrankungen? Ein Forschungsprojekt zeigt, wie Gesundheitsdaten über das Fahrzeug erfasst und zur Vorsorge genutzt werden könnten.
Smartcar-System misst Herzschlag und Körpertemperatur
Messungen sollen Unregelmäßigkeiten aufdecken
Auswertung per E-Mail
Neben Herz- und Krebserkrankungen ist der Schlaganfall die häufigste Todesursache in Deutschland. Für eine lebensrettende Behandlung ist entscheidend, dass Anzeichen frühzeitig erkannt werden. Aufschlüsse dazu liefern bestimmte Körperwerte, die idealerweise über einen längeren Zeitraum unter Alltagsbedingungen betrachtet werden.
Das Team um Prof. Dr. Thomas Deserno vom Peter L. Reichertz Institut für Medizinische Informatik (PLRI) hat ein vernetztes System entwickelt, das Herz-Kreislauf-Werte während der Fahrt im Auto aufzeichnet. Mit der Smartcar-Technologie könnten Unregelmäßigkeiten rechtzeitig entdeckt und schwere Erkrankungen wie Schlaganfälle verhindert werden.
Untersuchung über Sensoren im Lenkrad
Wichtig ist den Smartcar-Entwicklern, dass die Menschen bei den Messungen während der Fahrt nicht abgelenkt werden. Die Fahrer müssen sich deshalb nicht aktiv an den Untersuchungen beteiligen: Über Sensoren im Lenkrad wird durch die Hände ein EKG aufgenommen. Der Sicherheitsgurt misst Herztöne, der Autositz die Körpertemperatur. Eine Kamera registriert Atemfrequenz und Herzschlagrate über die Analyse des Gesichts.
Einmal erfasst, könnten die Gesundheitsdaten übereinandergelegt und beurteilt werden. Dabei ist es laut Professor Deserno möglich, etwaige Unregelmäßigkeiten, beispielsweise im Herzschlag (Vorhofflimmern), abzuleiten. Ein wichtiger Wert bei der Prävention von Schlaganfällen, die zu rund einem Drittel durch Vorhofflimmern hervorgerufen werden.
Smartcar als Gesundheitsbarometer
"Uns geht es darum, tendenzielle Veränderungen und Auffälligkeiten frühzeitig zu erkennen und damit präventiv zu wirken", erklärt Deserno. Für ihn und sein Team liegt der Vorteil des Smartcar-Systems unter anderem darin, dass die Vitalwerte zu unterschiedlichen Tageszeiten gemessen werden – morgens auf der Fahrt ins Büro oder nachmittags auf dem Weg zum Supermarkt. Wenn das Auto dann am Abend geparkt wird, könnten sich die Untersuchten eine Analyse der Daten per E-Mail schicken lassen. Dann weiß man, ob man einen Arzt aufsuchen sollte.
Automotive Health – ein Zukunftstrend?
![Front und Seitenansicht des Smartcar der TU Braunschweig](https://assets.adac.de/image/upload/ar_16:9,c_fill,f_auto,g_auto,q_auto:eco,w_1500/v1/ADAC-eV/KOR/Bilder/PR/smartcar-2412_hcmjof.jpeg,https://assets.adac.de/image/upload/ar_16:9,c_fill,f_auto,g_auto,q_auto:eco,w_1500/v1/ADAC-eV/KOR/Bilder/PR/smartcar-2412_hcmjof.webp)
Erstmals vorgestellt wurde das Smartcar-System Ende November 2024 auf einer Messe für Medizintechnik. Es sei zwar ungewöhnlich, aber auch folgerichtig, ein Auto auf einer medizinischen Fachmesse vorzustellen, sagt Forschungsleiter Deserno. Für ihn sei Automotive Health, also der Trend zu Gesundheitsdiensten, die mit dem Fahrzeug verbunden werden, eine logische Konsequenz aus dem aktuellen Mobilitätsverhalten. Die Menschen verbrächten täglich im Schnitt rund 43 Minuten in ihrem Auto. Da läge es nahe, genau dort medizinische Untersuchungen einzubinden. "Die Integration einer kontinuierlichen Gesundheitsüberwachung birgt großes Potenzial, Krankheiten früher zu erkennen", so Deserno.
Das übergeordnete Projekt "Car as Diagnostic Space" (CarDS) wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt. Ziel sei es, die Vorsorge in Hinblick auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu optimieren. Ob und wann das Smartcar-System aus der Forschung in die Praxis gebracht werden könnte, ist noch unklar.
"Das Thema hat sicherlich Potenzial", sagt Maximilian Oswald, Versuchsingenieur in der ADAC Unfallforschung. "Smartwatches eignen sich auch heute schon zur Gesundheitsvorsorge." Viele der entsprechenden Apps seien bereits als Medizinprodukte zugelassen und ermöglichten ein Tracking rund um die Uhr. Es sei aber zu bedenken, dass die Daten bei der Messung auf dem Autositz durch bestimmte Bewegungen oder die Kleidung verfälscht werden könnten.
Technische Universität Braunschweig, "Wenn das Auto Schlaganfälle verhindert", https://magazin.tu-braunschweig.de/pi-post/wenn-das-auto-schlaganfaelle-verhindert/ (Abruf: 28.11.2024)
Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe, Verstehen & Vermeiden (Abruf: 28.11.2024)
Robert Koch-Institut, Schlaganfall (Abruf: 28.11.2024