Moto Guzzi V85 TT: Fahrbericht, Bilder, Daten

Die Moto Guzzi V85 TT ist eine Enduro, die sich als "klassische Reisemaschine" von der Konkurrenz absetzen will. Testfahrt, technische Daten, Bilder, Video, Preis.
Bequeme Reiseenduro
Technisch up to date
Viele Extras
Noch größer, stärker, technisch ausgefuchster und noch teurer – diesen Wettlauf in der Reiseenduro-Klasse wollte Moto Guzzi nicht mehr mitmachen. Und so stellten die Italiener Ende 2017 eine Studie ihres künftigen Allrounders vor: eine Reiseenduro im mittleren Hubraumsegment. Seither hat sich die V85 TT gut im Umfeld von KTM 790 Adventure, BMW F 850 GS und Suzuki VStrom 650 etabliert.
Die Moto Guzzi V85 TT im Film
Sehr gute Fahrleistungen auf der Straße

Grundsätzlich soll die Moto Guzzi V85 TT auf Asphaltstraßen ebenso zu Hause sein wie auf Strecken ohne festen Belag. Schließlich steht das TT im Modellnamen für "tutto terreno" ("jedes Gelände"). Und das passt: Sie kann Straße sehr gut, Offroad zumindest ordentlich. Als "klassische Reiseenduro", wie die Macher vom Comer See das Bike einstufen, muss sich die V85 TT von den teils preiswerteren Wettbewerbern abheben.
Und die Guzzi ist tatsächlich anders: Ihr V2-Motor folgt der traditionellen Guzzi-Bauart und sie hat einen Kardanantrieb, Garant für Wartungsfreiheit auf Tour.
Im Test: 80-PS-Motor

Wer in der V85 TT ein eher behäbiges Motorrad vermutet, liegt falsch: Vor allem jenseits von 3000 Touren legt sich der V2 ins Zeug, schiebt Bike und Fahrer ebenso kräftig wie kultiviert an. An der 7000er-Marke ist dann ein Gangwechsel sinnvoller als das Ausdrehen bis zur 8000er-Grenze; die Maximalleistung von 80 PS liegt bei 7750 Umdrehungen an. Der Motor, scheinbar dem Straßenmodell V9 entnommen, ist in Wirklichkeit eigens entwickelt. Laut Bordcomputer benötigte das Testbike im gemäßigten Landstraßenbetrieb um die vier Liter pro 100 Kilometer.
Apropos Gasgeben: Die große 52-Millimeter-Drosselklappe der Einspritzung öffnet sich nicht mehr mechanisch, sondern durch Ride-by-Wire, also elektronisch. Somit sind unterschiedliche Fahrmodi (Regen, Straße, Offroad) möglich, außerdem ein Tempomat.
Die Fahrmodi sind mit Traktionskontrolle und ABS verlinkt. Bedeutet: Bei Regen bzw. geringem Grip wird jeglicher Schlupf des Hinterrads unterbunden, in der Stellung "Straße" ist das System etwas großzügiger, und bei "Offroad" wird das hintere Rad nur geringfügig gezähmt; auf unbefestigtem Grund macht ja oft erst genug Schlupf ein Vorwärtskommen möglich.
Zupackende, gut dosierbare Bremse

Das ABS unterscheidet nicht zwischen "Regen" und "Straße"; stets bleiben die Räder sauber am Boden und die Guzzi absolut stabil, wenn man hart zulangt. Bei "Offroad" wird das ABS am Hinterrad deaktiviert, zudem greift das Vorderrad-ABS etwas später ein als auf Asphalt. Das ist praxisgerecht und funktioniert gut. Die vordere Doppelscheiben-Bremse beißt im Straßenbetrieb schon bei mäßigem Zug energisch, ist aber nicht so giftig, dass sie offroad sofort blockieren würde. Auch die hintere Bremse überzeugt in Wirkung und Dosierbarkeit.
Bedient werden die Elektronik-Finessen über eine Taste links am Lenker, die Anzeigen sind in einem TFT-Zentralinstrument zu sehen. Dort blinkt im "Offroad"-Modus auch der orangefarbene Hinweis auf das deaktivierte Hinterrad-ABS. Das Display entstammt mitsamt der Bedienlogik dem Aprilia-Baukasten. Geschmackssache ist die ziemlich verspielte Gestaltung des Zentralinstruments. Wenn wir jetzt noch die fehlende Blinker-Rückstellautomatik monieren, ist bereits genug gemeckert.
Bilder: Moto Guzzi V85 TT







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Die Guzzi liebt Kurven
Spaß macht das Fahrverhalten der vollgetankt 229 Kilogramm wiegenden Mittelklasse-Italienerin. Vor allem auf kurvenreichen Strecken ist man äußerst flüssig unterwegs: Die V85 TT gibt sich sehr handlich, durchfährt Radien aller Art stabil und zielgenau, wechselt aber bereits mit leichtem Zug am Lenker die Richtung.
Auch bei höherem Tempo liegt das Bike satt auf der Straße. Offroad ist alles im grünen Bereich, solange die "Straße" noch als Piste bezeichnet werden kann: Erst wenn der Untergrund extrem holprig wird, wünscht man sich mehr als die 170 Millimeter Federweg. Aber für solches Terrain ist die Guzzi auch definitiv nicht konzipiert.
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Technische Daten Moto Guzzi V85 TT
Herstellerdaten | |
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Motor | Luft-/ölgekühlter 90°-V2-Motor, längs eingebaut, Hubraum 853 cm³, Leistung 59 kW (80 PS) bei 7750 U/min, max. Drehmoment 80 Nm bei 5000 U/min, alternativ für Führerscheinklasse A2 ab Händler mit 35 kW/48 PS, 6-Gang-Getriebe, Kardanantrieb |
Fahrwerk | Stahl-Gitterrohrrahmen, vorne USD-Telegabel, Ø 41 mm, hinten Zweiarm-Leichtmetallgussschwinge mit integrierter Kardanwelle und rechtsseitig direkt angelenktem Monofederbein, Federbasis und Zugstufendämpfung vorne unten hinten einstellbar |
Bremsen | Vorne Doppelscheibenbremse 320 mm mit radial montierter Vierkolben-Bremse, hinten Scheibenbremse 260 mm mit Zweikolben-Schwimmsattel, Conti ABS, Reifen vorne 110/80 R 19, hinten 150/70 R 17 (mit Schlauch) |
Maße und Gewichte | Radstand 1530 mm, Bodenfreiheit 210 mm, Sitzhöhe 830 mm (wahlweise 810 oder 850 mm), Gewicht vollgetankt 229 kg, Zuladung 219 kg, zul. Gesamtgewicht 448 kg, Tank 23 l, Verbrauch lt. WMTC 4,9 l/100 km |
Assistenzsysteme | 2-Kanal-ABS; Traktionskontrolle; Multi-Mapping mit drei Fahrmodi: Street, Pioggia, Offroad; Tempomat |
Preis | 12.299 Euro |
Fazit: Weniger ist mehr

Wir haben uns auf der V85 TT sehr wohl gefühlt. Die Kupplung ist leichtgängig, die Sechs-Gang-Schaltung funktioniert präzise. Sitzhöhe, Rasten-Positionierung, Aerodynamik, Bedienelemente, Sitzposition für Sozia oder Sozius, Verarbeitungsqualität – das passt alles. In Sachen Technik ist die Guzzi mit ihrer Fahrelektronik, LED-Beleuchtung, Bluetooth-Konnektivität samt Navi (gegen Aufpreis) und USB-Steckdosen auf der Höhe der Zeit. Auch der Sound – präsent, aber nicht lästig – ist sympathisch.
Mit den Extras hat sich Moto Guzzi ebenfalls Mühe gegeben: Viele Positionen sind zu Paketen zusammengefasst, einiges wie beispielsweise die Griffheizung ist separat zu haben. Dank entspanntem Kniewinkel steht längeren Reisen nichts im Weg, zumal neben dem Seriensitz für Menschen zwischen 1,70 und gut 1,85 Metern Größe auch eine höhere und eine niedrigere Sitzbank erhältlich sind. Es braucht also keine 150 PS und 250 kg Gewicht, um auf einer Reiseenduro glücklich zu sein. Die Moto Guzzi V85 TT zeigt: Weniger ist oftmals mehr.
Text: Ulf Böhringer