eCall: So funktioniert der automatische Notruf im Auto

eCall nach einem Unfall tätigen
eCall kann Leben retten, weil Rettungskräfte schneller informiert werden © Shutterstock/dragonetti

Neue Automodelle müssen mit eCall ausgerüstet sein. Dieser automatische Notruf sorgt bei Unfällen für schnelle Hilfe. Alles Wissenswerte zum Thema eCall.

  • eCall in allen neuen Fahrzeugmodellen mit neuer Typgenehmigung Pflicht

  • Bei Hersteller-Notrufen Zeitverlust

  • Kein erhöhtes Datenschutz-Problem

Bei schweren Unfällen zählt jede Sekunde. Dann kann der eCall viel Zeit sparen. Die EU-Kommission schätzt, dass Rettungskräfte durch eCall nur halb so lang zum Unfallort brauchen, als wenn sie auf herkömmliche Weise alarmiert werden. Wenn erst einmal die meisten Autos damit ausgestattet sind, erwartet die EU jährlich rund 2500 weniger Verkehrstote. Alle neuen Fahrzeugmodelle mit neuer Typgenehmigung ab 1. April 2018 müssen mit eCall ausgestattet sein.

So funktioniert eCall

Der Notrufdienst funktioniert europaweit gleich: eCall nutzt Mobilfunk und Satellitenortung, um nach einem Unfall automatisch oder von den Insassen ausgelöst eine Telefonverbindung zur einheitlichen Notrufnummer 112 herzustellen. Zusätzlich zur Sprachverbindung überträgt das im Fahrzeug installierte eCall-System Informationen zum Unfallort, zur Art der Auslösung und zum Fahrzeug (u.a. Anzahl der Insassen). Telefonanruf und Daten werden per Mobilfunkverbindung an die nächstgelegene Rettungsleitstelle übermittelt.

Kommt es zu einem schweren Autounfall, bei dem die Airbags auslösen, sendet das System automatisch einen Notruf ab. Bei Parkremplern passiert dagegen nichts. Das Notrufsystem kann aber auch bei einem dringenden medizinischen Problem manuell ausgelöst werden, z.B. bei einer Herzattacke: Fahrende, Mitfahrende oder auch Helfende können den im Fahrzeug befindlichen SOS-Notruf-Knopf drücken (oft unter einer Klappe gegen Fehlbedienung).

In beiden Fällen wird eine Sprachverbindung zwischen Fahrzeug und der europaweit einheitlichen Notrufnummer 112 aufgebaut. So können weitere Unfalldetails durchgegeben werden, falls die Insassen ansprechbar sind. Die geschulten Notruf-Mitarbeitenden können die Insassen auch beruhigen, bis Hilfe eintrifft. Wichtig ist auch, dass niemand im Schock auf die Fahrbahn läuft.

Die eCall- oder SOS-Taste sollte nur dann gedrückt werden, wenn ein medizinisches Problem vorliegt. Bei technischen Schwierigkeiten (Auto defekt, Unfall ohne Verletzte) nicht. In diesen Fällen: ADAC Pannenhilfe oder Hersteller-Pannenservice, Abschlepper o.ä. anrufen! Manche Autos verfügen über extra Drucktasten mit stilisiertem Schraubenschlüssel für Pannenruf und einem "i" für generelle Informationen.

Das benötigt das eCall-Notrufsystem

eCall benötigt Empfänger für GPS- und Galileo-Ortungsdaten, eine Mobilfunkantenne, ein Steuergerät mit fest verbauter SIM-Karte, eine Verbindung zum Airbag-Steuergerät, eine Freisprechanlage und eine Backup-Batterie oder einen -Akku, um von der Starterbatterie unabhängig zu sein. Idealerweise verfügt das System auch über eine Pannenruf-Taste, damit bei rein technischen Defekten nicht die 112-Zentralen belastet werden.

Diese Daten werden per eCall übermittelt

Wird ein Notruf automatisch oder manuell abgesetzt, werden beim 112-eCall folgende Daten an die Rettungsleitstelle übermittelt:

  • Zeitpunkt des Unfalls

  • Auslöseart: manuell oder automatisch

  • die 17-stellige Fahrzeugidentifizierungsnummer (FIN)

  • Antriebsart (z.B. Benzin, Diesel, Gas, Elektro) und Fahrzeugklasse

  • Fahrzeugposition

  • die letzten zwei Fahrzeugpositionen (Längen- und Breitengradunterschiede in Bezug zur aktuellen Fahrzeugposition)

  • Fahrtrichtung des Autos

  • Anzahl der Insassen (sofern die Sicherheitsgurte angelegt wurden)

  • optionale Zusatzdaten (nicht festgelegt; können beispielsweise eine (IP-)Adresse enthalten, unter der weitere relevante Daten oder Funktionen abrufbar sind)

Damit eCall funktioniert, sind die 112-Rettungsleitstellen technisch so ausgerüstet, dass sie den eCall-Mindestdatensatz (MSD) empfangen und lesen können.

Auch interessant: Es ist nicht vorgesehen und für einen Laien auch nicht möglich, das bordeigene eCall-System zu deaktivieren. Denn der eCall ist technisch oft tief im Infotainment-System verankert – vielfach mit eigener Antenne sowie Backup-Akku. Er ist bei neuen Fahrzeugmodellen Bestandteil der Typgenehmigung.

Wird aus dem Fahrzeug etwas entfernt, das Bestandteil der Typgenehmigung war (wie Katalysator, ABS oder auch eCall), so verliert das Fahrzeug die Betriebserlaubnis im öffentlichen Straßenverkehr. Bei einem Unfall riskiert man den Versicherungsschutz, und bei einer Hauptuntersuchung darf die Plakette verwehrt werden.

Leider lässt sich aus den Fahrzeugpapieren nicht zuverlässig ablesen, ob ein Auto mit 112 eCall ausgerüstet sein muss. Dies ist der Fall, wenn die Grund-Typgenehmigung des Autos vom 1. April 2018 (oder später) stammt. Doch kann man anhand der Fahrzeugpapiere nicht erkennen, ob darin das Datum der Grund-Typgenehmigung vermerkt ist oder aber das Datum eines (nicht seltenen) Nachtrags. Gewissheit lässt sich nur durch Nachfrage beim Auto-Hersteller erlangen (oder beim Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg, falls der Hersteller nicht antwortet).

eCall in Gebrauchtwagen

Gebrauchtwagen-Fahrende sind nicht verpflichtet, das Notrufsystem ins Auto einbauen zu lassen. Bisher sind noch keine Nachrüstsysteme bekannt, die über die gesamte eCall-Funktionalität verfügen. Einige deutsche Kfz-Versicherer bieten den Unfallmeldedienst (UMD) an, der nach einem Unfall einen automatischen Notruf zu einer Telefonzentrale der Versicherer ausführt – per Bluetooth via Mobiltelefon des Autofahrenden.

Weitere Informationen zum Unfallmeldedienst finden Sie hier.

Hersteller-Notruf und privater Notrufdienst

Herstellereigene Notrufe werden in Deutschland und Europa von zahlreichen Herstellern angeboten. Sie sind zulässig, haben aber im Gegensatz zum 112-eCall einige wesentliche Nachteile: Sie gehen zuerst an die vom Hersteller beauftragte private Telefonzentrale und werden dann erst an die zuständige Rettungsleitstelle weitergeleitet. Denn nur diese schickt Notarzt und Rettungswagen los. Das hat in der Praxis immer eine Verzögerung in der zeitkritischen Rettungskette zur Folge. Bei einem ADAC Crashtest waren es allein 58 Sekunden, bis sich die Hersteller-Telefonzentrale gemeldet hat. Rettungsleitstellen berichten mitunter von weiteren Problemen wie:

  • Bandansagen ab 20 Uhr

  • schlechten Sprachkenntnissen

  • falschen Positionsdaten aufgrund mündlicher Übertragung

Private Notrufdienste sind mit dem europäischen eCall, der auf der Notrufnummer 112 basiert, nicht kompatibel. Bei ihnen ist eine europaweite Abdeckung wie beim 112er eCall-Dienst nicht immer sichergestellt.

Autofahrende, die ein Fahrzeug mit herstellereigenem Notrufdienst und Datum der Grund-Typgenehmigung ab 1. April 2018 fahren, müssen zwischen diesem herstellereigenem Notrufdienst und dem europaweiten 112-eCall Dienst wählen können. Die Hersteller sind verpflichtet, das von der EU vorgeschriebene eCall-System einzubauen, auch wenn sie einen eigenen Notrufdienst anbieten. Damit soll sichergestellt werden, dass in jedem Fall der 112-eCall verwendet werden kann.

Dies gilt für alle neuen Fahrzeugmodelle mit Typgenehmigung ab 1. April 2018. Anhand der Fahrzeugpapiere (Zulassungsbescheinigung Teil 1 und 2) kann allerdings nicht ermittelt werden, ob für das betreffende Auto bereits ein 112-eCall vorgeschrieben ist oder nicht. Das wissen nur der Hersteller und das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA).

10 Tipps: Was tun nach einem Unfall?

112-eCall: Keine Datenschutz-Probleme

Der ADAC sieht beim gesetzlich vorgeschriebenen Notrufsystem kein Datenschutz-Problem. Die 112 eCall-Systeme buchen sich erst nach einem Unfall in das Mobilfunknetz ein und senden Daten an die Rettungsleitstelle, nicht an den Hersteller (es sei denn, der oder die Besitzende hat bewusst den Hersteller-Notruf eingestellt). Der 112 eCall zeichnet auch keine Daten im Auto auf.

Bei herstellerspezifischen Systemen sieht der ADAC die Datenschutzfrage kritischer.

Übrigens: Eine Datenaktualisierung ist bei einem Halterwechsel nicht nötig, weil das bordeigene eCall-System keine Daten des Halters oder Fahrers speichert.

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112-eCall erzeugt kein Bewegungsprofil

Bei einem 112-eCall-System gemäß gesetzlicher Vorschrift wird kein Bewegungsprofil erzeugt. Denn die dort verwendete SIM-Karte bucht sich erst dann in das vor Ort stärkste Mobilfunknetz ein, wenn das Auto einen verletzungsrelevanten Unfall hatte, und wählt dann die europaweit einheitliche Notrufnummer 112.

Die EU-Verordnung lässt außerdem nicht zu, dass ein "echter" eCall über ein drahtlos per Bluetooth verbundenes Mobiltelefon abgesetzt wird. Vielmehr muss die Mobilfunk-Sende- und -Empfangseinheit samt SIM-Karte für 112-eCall aus Gründen der Zuverlässigkeit fest im Auto verbaut sein.

Anders kann es aussehen, wenn es sich um den Hersteller-Notruf eines Connected-Systems handelt. Diese sind in einem Mobilfunknetz eingebucht, um auch andere Dienste zu erbringen. Dazu schließt der Fahrzeughalter oder die -halterin einen Vertrag mit dem Dienstleistenden (meist Fahrzeugherstellender) ab, der auch die Datenerhebung, Speicherung usw. regelt. Ohne Einwilligung des Nutzers oder der Nutzerin dürfen Hersteller keine Daten erheben und speichern. In der EU-Verordnung zu eCall ist klar geregelt, dass zwischen einem 112-eCall-System und einem Connected-System kein Datenaustausch erfolgen darf.

Den Pkw-Standort mitzuteilen, ist erlaubt und nötig. Für eine schnelle Rettung ist der Standort der Unfallopfer mitunter lebensentscheidend.

ADAC Position zu eCall

Der ADAC als führender deutscher Mobilitätsdienstleister gehört zu den Ersten, die die EU-Absichtserklärung zur Einführung des europaweiten 112-eCall-Dienstes unterzeichnet haben. Über 15 Jahre hat sich der Club dafür starkgemacht.

Der Automobilclub fordert:

  • Fairer Wettbewerb zwischen Fahrzeugherstellern und unabhängigen Dienstanbietenden. Die Pkw-Nutzenden müssen von Anfang an vollständig darüber informiert werden, welche Daten aus Fahrzeugen wohin übermittelt werden und zu welchem Zweck.

  • Autoherstellende sollten neben dem eCall-Knopf zusätzlich Tasten für Info-Ruf und Pannenruf (Schraubenschlüssel-Symbol) einbauen.

  • Der 112-eCall sollte für alle Neufahrzeuge verbindlich vorgeschrieben sein, nicht nur für neue Typgenehmigungen. 

  • Der in manchen Modellen verbaute herstellerspezifische Notruf sollte ohne größeren Aufwand und ohne Werkstatt-Besuch vom Fahrenden auf 112-eCall umstellbar sein.

  • Um den Autofahrenden besser über die Unterschiede zwischen 112-eCall und Hersteller-Notruf aufzuklären, sollte eine ausführliche Beschreibung der Funktion einschließlich Inhalt des MSD (Minimum Set of Data, die übertragenen Daten) im Bordbuch und auch im Display des Fahrzeugs verfügbar sein. 

  • Stehen im Fahrzeug 112-eCall und Hersteller-Notruf parallel zur Verfügung, sollte der 112-eCall im Auto standardmäßig voreingestellt sein.

  • Bei Verwendung des Hersteller-Notrufs darf es nicht zu Verzögerungen bei der Meldung des Unfalls an die Rettungsleitstelle kommen, um eine schnellstmögliche Hilfeleistung zu ermöglichen.

  • Der beim 112-eCall übertragene Datensatz (MSD) sollte um Informationen (z.B. Beschleunigungswerte) erweitert werden, die den Rettungsleitstellen eine automatisierte Prognose der Art und Schwere der Verletzungen und somit eine adäquate Alarmierung der Rettungsmittel ermöglichen.

  • Um eine im Fahrzeugbestand verbaute eCall-Technologie über die Lebensdauer der Fahrzeuge im Notfall nutzen zu können, ist eine Aufrechterhaltung der 2G/3G-Netze erforderlich. 

Hier erfahren Sie, wie eCall für Motorräder funktioniert.