Chevrolet Corvette C8 ZR1: Tiefflug im US-Hypercar

Chevrolets achte Corvette-Generation hat ein neues Spitzenmodell: Die aktuelle ZR1 bringt über 1000 PS aus acht Zylindern auf die Straße. Wie extrem fühlt sich das an? Testfahrt, technische Daten und Preise.
Mit 1085 PS in 2,3 Sekunden auf 100 km/h
Vorerst kein Export nach Deutschland
Vergleichsweise günstiger Preis
Gemacht für die Überholspur: Mit der aktuellen ZR1 krönt Chevrolet die Modellpalette der Corvette C8. Und der Einstand des Spitzenmodells gelang mit einem Paukenschlag, denn seit Sommer 2025 darf sich der Supersportler aus Detroit "King oft the Ring" nennen.
Mit 6:51 Minuten hat die Corvette ZR1 die schnellste Runde auf der Nordschleife absolviert, die je ein US-Auto auf dem Eifel-Rennkurs in den Asphalt gebrannt hat. Dem ähnlich spitz positionierten Ford Mustang GTD, der viel Formel-1-Technik für sich in Anspruch nimmt, hat sie damit gleich sechs Sekunden abgenommen und ihn nach nur wenigen Wochen vom Tempo-Thron gestoßen.
Corvette ZR1: "Small Block" mit 1085 PS

Möglich wurde das mit einer Aufrüstung sondergleichen: Weil die Corvette in der achten Generation den Motor in der Mitte trägt und nicht mehr im Bug, hatten die Scharfmacher in Detroit endlich Platz für zwei Turbos und pressen dem 5,5 Liter großen V8 so mehr Leistung ab, denn je zuvor: Umgerechnet 1085 DIN-PS (1064 US-Horsepower nach SAE-Norm) machen den gar nicht mal so kleinen "Small Block" nicht nur zum stärksten Corvette-Motor aller Zeiten, sondern zum ultimativen Achtzylinder aus Amerika.
Kein anderer US-Motor dieser Bauart ist stärker, zumindest nicht mit Straßenzulassung. Und obwohl die Corvette ZR1 in den USA gemessen an den Leistungsdaten für fast schon günstige 183.400 US-Dollar (umgerechnet knapp über 155.000 Euro) zu haben ist, steigt sie damit in den Kreis der Hypercars auf, der bislang von vielfach teureren Ferrari, Lamborghini, McLaren und natürlich von Bugatti bestimmt wurde.
Heckspoiler mit 500 kg Downforce

Nur, dass diese – mit Ausnahme des Bugatti – wie im neuen Ferrari Testarossa oder im Lamborghini Revuelto alle auf die Unterstützung zusätzlicher Elektromotoren und damit auf Hybrid-Antrieb angewiesen sind, um über 1000 PS zu mobilisieren.
Das Design der ZR1 unterstreicht die unbändige Leistung des Achtzylinders optisch nach Kräften, die Corvette verteidigt ihren Platz auf der linken Spur mit rasiermesserscharfen Schürzen und Finnen am Bug, extrabreiten Kotflügeln und einem Heckspoiler, den eine ganze Football-Mannschaft als Theke nutzen könnte.
Wobei der Spoiler am Heck vor allem dem Abtrieb dient und bei entsprechenden Geschwindigkeiten immerhin 500 Kilo zusätzliche Bodenhaftung erzeugt. Ergebnis der Kombination aus imposanter Optik und Leistung im Überfluss: Die Corvette macht so viel Spaß wie selten ein amerikanisches Auto zuvor.
Während es im Nacken der beiden Insassen pfeift, faucht und kreischt, die vermeintlichen Fehlzündungen aus den vier in die Mitte gerückten Endrohren knallen wie Kanonendonner und der Achtzylinder beim Lastwechsel so lautstark Luft durch die Wastegates bläst wie Moby Dick vor dem Abtauchen, schießt die ZR1 über Berg und Tal, dass sich selbst eine Achterbahnfahrt nach Kindergeburtstag anfühlt.
Wahnwitzige 375 km/h Spitze

Kein Wunder, denn in der Supersport-Version der Corvette C8 wird man bei entsprechender Nutzung des Gaspedals mit 1123 Newtonmetern Drehmoment dem Horizont entgegen geschleudert und in 2,3 Sekunden auf Tempo 100 katapultiert.
General-Motors-Boss Mark Reuss erreichte bei Testfahrten mit der aktuellen ZR1 im norddeutschen Papenburg einen weiteren Superlativ: 375 km/h Spitze. Es gibt aktuell kein anderes Serienfahrzeug aus den USA, das so schnell unterwegs ist. Und auch wer die Archive durchforstet, wird nur wenige ebenbürtige Kandidaten finden.
Gut beherrschbarer Supersportwagen

Allzu schwer fällt einem High Speed hinter dem Steuer der ZR1 nicht, zumindest unterhalb der 300-km/h-Marke. Denn auch wenn die Corvette allein auf die Haftkraft ihrer 345er-Walzen am Heck setzt und auf ein ausgefeiltes Magnetic-Ride-Fahrwerk anstatt auf technische Sperenzchen wie einen Allradantrieb oder eine Allradlenkung, liegt der Tiefflieger gut in der Hand und noch besser auf der Straße.
Und entgegen dem bisweilen etwas vorlaut polternden Naturell der Amerikaner fährt sie nicht grob und gewaltig wie ein Dampfhammer, sondern präzise und kontrolliert. Wer sich und seinen rechten Fuß angesichts des irrwitzigen Potenzials auch nur halbwegs beherrschen kann, der wird auch die ZR1 mühelos im Zaum und auf der Ideallinie halten.
Schneller, stärker, schärfer und natürlich auch spektakulärer als je zuvor – als ZR1 wird die Corvette zur ultimativen Kampfansage an die europäische Elite. Nur, dass die Amerikaner den Heimvorteil dabei nicht aus der Hand geben wollen und von einem Export der Top-Version nach Europa noch keine Rede ist.
Doch nachdem zumindest das Rekordauto den Weg schon einmal in die Eifel gefunden hat, ist das Euro-Ticket für die anderen Exemplare sicher nur eine Frage der Zeit. Und bis dahin springen sicher ein paar findige Importeure ein.
Text: Thomas Geiger
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