Feinstaub durch Bremsenabrieb: Sind die Euro-7-Grenzwerte machbar?
Mit der geplanten Euro-7-Abgasnorm soll jetzt auch der Bremsenabrieb reglementiert werden. Doch wie realistisch sind die neuen Grenzwerte? Und ist das technisch überhaupt machbar? Der ADAC hat es untersucht.
Feinstaub entsteht bei jeder Bremsung
Fünf Zubehör-Bremsen im Abriebstest
Euro-7-Grenzwerte sind ambitioniert
Bremsstaub kennen viele Autofahrer und -fahrerinnen als hässlichen, schwarzen Schmutz an den vorher mühsam geputzten Felgen. Doch der ist nur ein optisches Problem, denn viel gefährlicher ist der für das bloße Auge unsichtbare Feinstaub, der bei jeder Reibbremsung entsteht und gesundheitsgefährdend ist.
Dass die Feinstaub-Emissionen der Bremsen jetzt reglementiert werden, ist also richtig. Doch sind die geplanten Regelungen auch sinnvoll und umsetzbar?
Wie gefährlich ist Feinstaub?
Aktuell sind laut Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) die gesundheitsschädigenden Wirkungen von Feinstaub und insbesondere Ultrafeinstaub Gegenstand zahlreicher Forschungsarbeiten. Als Feinstaub (PM10) gilt dabei Staub mit einer Korngröße von kleiner als 10 Mikrometer.
Als PM2,5 wiederum bezeichnet man die Feinstaubfraktion, deren Korngröße kleiner als 2,5 Mikrometer ist. PM2,5 ist für einen Großteil der durch Feinstaub verursachten Krankheitslast verantwortlich.
Ultrafeinstaub ist der Feinstaub, der kleiner als 0,1 Mikrometer ist. Kleinere Staubpartikel können sogar bis in die Lungenbläschen vordringen, von dort in die Blutbahn gelangen und sich so im Körper verteilen.
Als erwiesen gilt, dass sich eine hohe Feinstaub-Konzentration negativ auf die Gesundheit auswirkt. Es kann zum Beispiel zu Atemwegserkrankungen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen kommen. Besonders gefährdet sind unter anderem Kleinkinder, ältere Menschen und Menschen mit bereits bestehenden Atemwegserkrankungen und Herz-Kreislaufproblemen.
Wie entsteht Feinstaub?
Auch wenn es viele natürliche Feinstaub-Quellen gibt (z.B. Busch- und Waldbrände, Gesteinserosionen oder Pollen): Feinstaub wird nach Angaben des Umweltbundesamtes zum großen Teil durch menschliches Handeln erzeugt – etwa durch Kraftfahrzeuge, Kraft- und Fernheizwerke, Abfallverbrennungsanlagen, Öfen und Heizungen in Wohnhäusern, Schüttgutumschlag, Tierhaltung sowie bestimmte Industrieprozesse. In Ballungsgebieten ist der Straßenverkehr mancherorts sogar die dominierende Feinstaub-Quelle.
Allerdings sind die innermotorischen Feinstaub-Emissionen des Straßenverkehrs durch die Entwicklung effizienter Verbrennungsmotoren und Filtersysteme als Folge verschärfter gesetzlicher Abgasgrenzwerte in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesunken. Dagegen zeigen die außermotorischen Anteile von Bremsen-, Reifen- und Straßenabrieb gleichbleibende bis steigende Tendenzen.
Den Reifenabrieb hat der ADAC bei der Auswertung seiner Reifentests bereits beziffert: Im Durchschnitt liegt der Abrieb eines Fahrzeuges für alle vier Reifen bei rund 120 Gramm pro 1000 Kilometer. Hier besteht also dringender Handlungsbedarf.
Und wie sieht es mit den Bremsen aus? Für den gesamten Bremsenabrieb gehen Experten davon aus, dass in Deutschland jährlich etwa 8000 Tonnen freigesetzt werden, davon rund 3000 Tonnen des besonders gesundheitsrelevanten PM2,5. Um auch hier zukünftig eine Reduzierung zu bewirken, tritt nun die Umweltbelastung durch Bremsen- und Reifenabrieb zunehmend in den Fokus der Gesetzgebung.
Euro 7 regelt Feinstaub-Emissionen
Ziel der geplanten Euro-7-Gesetzgebung ist, die gesamten Fahrzeug-Emissionen in den Blick zu nehmen. Dafür sollen auch nicht-abgasbezogene Partikel aus Bremsen- und Reifenabrieb im Rahmen der Typgenehmigung reguliert werden, weshalb künftig auch Elektrofahrzeuge die Euro-7-Norm erfüllen müssen. Allerdings sind das Prüfverfahren und die Grenzwerte für die Partikel aus Reifenabrieb erst noch festzuschreiben. Sicher ist, dass die Anforderungen als eigenständiges System auch für neue Reifen gelten: ab 1. Juli 2028 für Pkw-Reifen (Klasse C1), ab 1. April 2030 für leichte Lkw (C2) und ab 1. April 2032 für schwere Lkw (C3).
Auch die nicht-abgasbezogenen Partikel aus Bremsenabrieb werden limitiert. Das Prüfverfahren basiert auf den im Rahmen der United Nations Global Technical Regulation No. 24 festgelegten Testbedingungen. Bei der Euro-7-Einführung unterscheiden sich die Partikelmasse-Grenzwerte noch nach Antriebsart: Für reine Elektrofahrzeuge gilt der PM10-Grenzwert von 3 mg/km, für alle anderen Antriebsarten der Grenzwert 7 mg/km. Ab 2035 soll der einheitliche Grenzwert von 3 mg/km unabhängig der Antriebsart gelten. Ab 2030 soll zusätzlich ein Partikelzahl-Grenzwert festgeschrieben werden, der aber noch zu definieren ist.
Wie soll der Abrieb geprüft werden?
Generell bilden Bremsscheibe und Bremsbelag eine "verschleißbehaftete Reibpaarung". Bei jedem Bremsvorgang wird ein kleiner Teil des Belags und der Bremsscheibe abgerieben. Als Haupteinflussgrößen auf die Verschleißrate sind neben den chemisch-physikalischen Eigenschaften der Reibpartner die Fahrgeschwindigkeit, der Bremsdruck, die Fahrzeugmasse und die Temperatur an der Bremse zu nennen.
Die Grundlage für die Messung des Bremsenabriebs ist eine an WLTP (Worldwide Harmonized Light-Duty Vehicles Test Procedure) angelehnte Messmethodik. Ähnlich der Messung der Abgas-Emissionen werden die Bremskomponenten hinsichtlich ihrer Feinstaub-Emissionen überprüft. Dabei wird die Bremse entkoppelt vom Fahrzeug und in einem Reinraum auf einem Schwungmassen-Bremsenprüfstand untersucht.
ADAC Test: Unterschiedlicher Bremsabrieb
2021 wurden im Rahmen eines ADAC Verbraucherschutzprojektes zum Thema "Bremsen aus dem Zubehör" (Bremsscheiben und -beläge) neben Bremsleistung und Verschleiß auch die Bremsstaub-Emissionen in aufwendigen Analysen an einer Seite der Vorderradbremse eines Golf 7 (1.6 TDI) ermittelt. Nach den praktischen Fahrversuchen mussten die fünf Produkte aus dem Zubehörregal auf einem Schwungmassen-Bremsenprüfstand (SMP) gegen die Original VW-Bremse antreten. Die Beanspruchungen in diesem Test waren mit üblichen Kunden-Bremsleistungen vergleichbar.
Die ADAC Untersuchungen zeigen, dass die in die Umgebung freigesetzte Verschleißmasse und die Emissionsfaktoren stark von den verbauten Reibpartnern abhängig sind. So ist die auf geringe Felgenverschmutzung ausgelegte ATE-Ceramic Bremse unter kundennahen Bedingungen um ein vielfaches verschleißärmer. Gleichzeitig zeigt sie deutlich geringere Bremsstaub-Emissionen. Die originale VW-Bremse weist die höchsten Werte bei den anzahl- und massebezogenen Emissionsfaktoren auf.
Im Schnitt emittiert der in den ADAC Messungen getestete Golf 7 je nach untersuchtem Bremsenprodukt im standardisierten WLTP-Fahrzyklus zwischen 5 und 20 Milligramm Feinstaub pro Kilometer – hochgerechnet auf alle vier Bremsen, denn im Test wurde nur eine Vorderradbremse gemessen.
Sind die Euro-7-Grenzwerte machbar?
Der im Euro-7-Entwurf vorgesehene PM10-Grenzwert von 7 Milligramm pro Kilometer ist angesichts der vom ADAC ermittelten Testwerte ambitioniert, aber durchaus realisierbar. Abhängig von der Fahrzeuganwendung stehen hierzu unterschiedliche Lösungsansätze zur Verfügung.
Ein machbares Beispiel sind gut aufeinander abgestimmte Reibpaarungen sowie die direkte Reduktion des Abriebs an Belag oder Scheibe durch Modifikation der Reibbelag-Mischungen und durch verschleißfestere Scheiben, zum Beispiel mittels Beschichtung. Und solche Bremsen gibt es schon: So hat Bosch eine mit Hartmetall (Carbid) beschichtete Bremsscheibe in Kombination mit speziellen Bremsbelägen entwickelt, die Porsche heute schon als Extra-Ausstattung unter dem Namen Porsche Surface Coated Brake (PSCB) anbietet. Leider noch gegen 3000 Euro Aufpreis.
Eine Absaugung oder ein Filtersystem an der Bremse ist als zusätzliche technische Lösung ebenfalls möglich. Auch der Einsatz von Trommelbremsen stellt eine Option dar. Diese können durch das geschlossene System die Emissionen deutlich besser zurückhalten und gewährleisten zusätzlich einen guten Korrosionsschutz. Zudem bietet die Weiterentwicklung der Rekuperationsleistung (Bremsen durch Energierückgewinnung) insbesondere bei Elektro-, aber auch bei Hybrid-Fahrzeugen großes Potenzial zur Reduktion des Bremsenabriebs.
Ein weiterer Ansatz zur Verringerung des Feinstaubabriebs wäre der Einsatz gelochter Bremsscheiben, die vor allem bei Motorrädern üblich sind und auch bei zwei Zubehörbremsen von Brembo und Zimmermann im ADAC Bremsentest geprüft wurden. Trotz einer relativ hohen Verschleißmasse lagen die Feinstaub-Emissionen auf dem Niveau der anderen Bremsen. Der Grund: In den Löchern sammelt sich der Abrieb und wandelt sich dort zu großen Partikelklumpen um, die anschließend weniger in die Luft gelangen. Mit verschleißfesteren Bremsbelägen und -scheiben setzen gelochte Scheiben also tendenziell weniger direkte Feinstaub-Emissionen in die Umwelt frei.
Die ADAC Position zum Euro-7-Vorschlag
Der ADAC setzt sich für saubere Fahrzeuge ein, die zu einer besseren Luftqualität und damit zum Schutz der Gesundheit beitragen. Neue Emissions-Grenzwerte können anspruchsvoll und im Rahmen des durchaus bestehenden Spielraums verschärft werden, sollten dabei aber technisch machbar bleiben. Der Grundsatz "Wirkvorschrift statt Bauvorschrift" muss auch bei der Weiterentwicklung der Emissions-Grenzwerte für Fahrzeuge gelten. Folglich sollte das Minderungsziel und nicht die technische Lösung maßgeblich sein. Zugleich gilt es im Sinne des technischen Fortschritts, die Zulassungskriterien (Schadstoff-Emissionen) für Neufahrzeuge ambitioniert weiterzuentwickeln – der Ansatz an der Quelle (also idealerweise "ab Werk") ist am einfachsten und effizientesten.
Die Begrenzung von nicht abgasbezogenen Partikeln aus Bremsenabrieb im Rahmen der Typgenehmigung ist daher ein wichtiger Schritt. Deren Einbeziehung sollte aus Sicht des ADAC jedoch nicht im Rahmen der Abgasgesetzgebung (Euro 7), sondern im Rahmen der Systemgenehmigung für Bremsen erfolgen. Die technischen Lösungen zur Erfüllung des vorgeschlagenen Grenzwertes (7 mg/km) stehen bereits heute zur Verfügung, sie sind aber noch nicht als Marktlösung verfügbar und hinsichtlich der Kosten nicht abschätzbar.
Die weiterführende Verschärfung der Grenzwerte (auf 3 mg/km) und des Messverfahrens darf jedoch nicht dazu führen, dass kleine und günstige Fahrzeugmodelle überhaupt nicht mehr für Verbraucherinnen und Verbraucher bezahlbar angeboten werden können, weil zusätzliche technische Anforderungen und derzeit noch fehlende rechtliche Vorschriften ihre Produktion überproportional verteuern.
Individuelle Mobilität muss bezahlbar bleiben, deren Nutzen sowie Umwelt- und Gesundheitsschutz und mögliche Mehrkosten müssen in einem sinnvollen Gesamtverhältnis stehen.
Die zukünftige Regulierung des Bremsenabriebs darf auch nicht zu einer Vernachlässigung der Sicherheitsaspekte führen. Die Weiterentwicklung von Bremsen muss auf eine solide Bremsleistung in allen Fahrsituationen sowie gute Haltbarkeit abzielen, bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Umweltaspekte. Bremsen aus dem Zubehör müssen die gleichen sicherheits- und umweltrelevanten Eigenschaften wie das Originalprodukt aufweisen.
Um dem korrosionsbedingten Ausfall selten genutzter Bremsen entgegenzuwirken, sollen – besonders bei leichten Autos sowie bei Elektro- und Hybridfahrzeugen – Materialien mit deutlich geringerer Anfälligkeit für Korrosion Verwendung finden. Zudem können hier vermehrt Trommelbremsen eine sinnvolle Alternative sein, die erwartungsgemäß durch den beschriebenen Effekt der Partikelagglomeration in der Trommel ebenfalls geringere PM10-Emissionen aufweisen können.
Einen wesentlichen Beitrag zur Reduzierung von Verschleiß und Feinstaub-Belastung kann auch die Verringerung des Fahrzeuggewichts (z.B. Leichtbau) leisten.
Technische Beratung: Matthias Zimmermann, ADAC Technik Zentrum