Reifenabrieb im Fokus: Wie Mikroplastik reduziert werden kann

Autos fahren auf einer Straße während eines ADAC Tests zum Thema Reifenabrieb
Der ADAC ermittelt den Reifenabrieb im Realbetrieb auf der Straße© ADAC/Uwe Rattay

Plastikmüll belastet die Umwelt – und ein Großteil der Mikroplastik-Emissionen stammt von Autoreifen. Der Gesetzgeber will das ändern und diskutiert die künftigen Grenzwerte für den Abrieb von Reifen. Der ADAC stellt dafür aktuelle Messwerte aus 160 Reifentests zur Verfügung.

  • Reifenabrieb-Partikel belasten Gewässer und Böden

  • ADAC Messwerte zu Modellen der Reifenhersteller

  • Abriebsarme und gleichzeitig sichere Reifen sind aktuell teuer

Plastikmüll in der Umwelt und in den Weltmeeren ist ein zunehmendes Problem. Und immer öfter tritt der Reifenabrieb in den Fokus der öffentlichen Diskussion: Laut Studien fallen in der EU jährlich rund 500.000 Tonnen Reifenabrieb an. In Deutschland macht der synthetische Kautschuk, der zu den Kunststoffen zählt, als Abrieb von Autoreifen rund ein Drittel aller Mikroplastik-Emissionen aus.

Der ADAC führt regelmäßig umfassende Auswertungen durch, um den Umwelteintrag von Abrieb unterschiedlicher Reifenmodelle in verschiedenen Dimensionen darzustellen und zu bewerten. Auf Basis der Messergebnisse sollen Empfehlungen für die künftige Euro-7-Gesetzgebung abgeleitet werden.

Im Folgenden sind die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema Reifenabrieb zusammengefasst.

Wie schädlich ist der Reifenabrieb?

Close Up eines grauen VW Golf beim Sommerreifentest
Der überwiegende Teil des Reifenabriebs bleibt auf der Straße© ADAC/isp-grube.de

Ein Großteil der umweltbelastenden Mikroplastik-Emissionen stammen vom Abrieb der Autoreifen. Für den Menschen sind Reifenabrieb-Partikel bedingt akut gefährlich. Denn lediglich ein sehr kleiner Teil der Partikel bleibt über einen längeren Zeitraum in der Atmosphäre und wirkt über die Atemluft auf den Menschen. Doch im Vergleich zur einatembaren Fraktion von Feinstaub mit einem Durchmesser unter 10 μm (PM10 ) bzw. unter 2,5 μm (PM2,5) sind die Teilchen des Reifenabriebs sehr grob und dringen nicht tief in den Atemtrakt des Menschen ein.

Der überwiegende Teil des Reifen- und Straßenabriebs verbleibt auf der Fahrbahn oder im nahen Umfeld der Straße. Er wird zum größten Teil bei Niederschlag vom Straßenoberflächenwasser erfasst und abgeführt. Im kommunalen Umfeld fließt es über die Kanalisation ab, außerorts wird das Straßenoberflächenwasser meist offen entwässert, d.h. über die Bankette abgeführt und versickert in Mulden oder dem Erdreich. Gewässer und Böden werden also belastet. Die Sekundärfolgen für den Menschen werden noch erforscht.

Wie entsteht Reifenabrieb?

Reifenabrieb erfolgt bei der Kraftübertragung an der Kontaktfläche zwischen Reifen, Fahrbahn und dem auf der Fahrbahn liegenden Schmutz (z.B. Laubreste, verwehte Erde vom Acker, Sand, Wasser etc.). Die Abriebpartikel bestehen daher nicht sortenrein aus Reifenabrieb, sondern sind ein klumpenförmiges Konglomerat aus unterschiedlichen Substanzen. Der englische Fachbegriff "TRWP" (tyre and road wear particles, also: Partikel aus Reifen- und Fahrbahnverschleiß) erklärt die komplexe Zusammensetzung der Partikel besser als die Bezeichnung "Reifenabrieb".

Wie kann man Reifenabrieb messen?

Ein Stapel Autoreifen in Nahaufnahme
Ein Neureifen verliert über seine Nutzungsdauer bis zu einem Kilo an Gewicht© ADAC/isp-grube.de

Die Bestimmung des Reifenabriebs soll künftig unter realen Fahrbedingungen auf öffentlichen Straßen erfolgen. Ziel ist es, den Abrieb eines sogenannten Kandidatenreifens mit dem eines standardisierten Referenzreifens zu vergleichen, um die Abriebfestigkeit objektiv zu bewerten. Hierzu wird ein Konvoi aus bis zu vier Fahrzeugen gebildet, wobei eines mit Referenzreifen und die übrigen mit den zu prüfenden Reifen ausgestattet sind. Die Fahrzeuge legen gemeinsam eine Strecke von etwa 8000 Kilometern zurück, die aus einem oder mehreren geschlossenen Rundkursen besteht. Diese Strecken müssen verschiedene Fahrbedingungen abdecken, darunter Stadtverkehr, Landstraßen und Autobahnen, wobei genaue Vorgaben zur Verteilung der Fahrstile und Geschwindigkeiten eingehalten werden müssen.

Während des Tests werden zahlreiche Parameter kontinuierlich überwacht, darunter die Geschwindigkeit, die Längs- und Querbeschleunigung, die Außentemperatur und der Reifendruck. Vor, während und nach dem Test werden die Fahrzeuge auf korrekte Achsgeometrie (Spur und Sturz) geprüft, um sicherzustellen, dass alle Reifen unter vergleichbaren Bedingungen getestet werden. Die Fahrzeuge müssen hinsichtlich Antriebsart (z.B. nur Front- oder Heckantrieb), Energiequelle (z.B. nur Verbrenner oder nur Hybrid) und Beladung vergleichbar sein. Die Reifen werden vor und nach dem Test gewogen, wobei der Masseverlust als Maß für den Abrieb dient. Dieser wird in Relation zur gefahrenen Strecke und zur Belastung des Reifens gesetzt, um den sogenannten Abriebindex zu berechnen.

Längerfristig ist es das Ziel, die Reifenverschleißtests auf einem Prüfstand zu fahren, um die Umwelt- und Verkehrsbelastung im Realbetrieb gering zu halten. Hierzu findet sich in der Regulierung bereits ein Prüfverfahren, das nun weiter erprobt und in der Praxis umgesetzt werden muss.

Der ADAC führt im Rahmen seiner Reifentests bereits seit über 15 Jahren Reifenverschleißtests durch. Das ADAC Verfahren geht dabei deutlich weiter, als es in der künftigen Euro-7-Gesetzgebung vorgesehen ist. So werden die Reifen über 15.000 Kilometer gefahren, das ermöglicht es, nicht nur den Reifenabrieb – also den Masseverlust – zu ermitteln, sondern auch eine Prognose zur Laufleistung eines Reifens abgeben zu können. Diese lange Fahrstrecke ist nötig, um das Verschleißbild eines Reifens (z.B. Mittenabrieb oder erhöhter Abrieb an der Flanke) abbilden zu können.

Reifenabrieb Kriterium beim Reifentest

In 2023 wurde der ADAC Reifentest grundlegend überarbeitet. Neben der Einführung neuer Kriterien ist auch das Bewertungsschema angepasst worden: Zentral dabei ist der Bereich der Umweltbilanz. Hier wurde ein neuer Standard gesetzt.

So sieht der neue Standard zur Umweltbewertung aus: Ergänzend zur Bewertung der Haltbarkeit (prognostizierte Laufleistung) eines Reifens wurde auch eine Bewertung des Reifenabriebs eingeführt. Zudem gehen weitere umweltrelevante Kriterien wie Kraftstoffverbrauch, Geräusch, Reifengewicht und Nachhaltigkeit der Produktion in das Kriterium ein.

Wie hoch ist der Reifenabrieb?

Seit 2023 hat der ADAC 160 Reifenmodelle getestet – 84 Sommerreifen, 60 Winterreifen und 16 Ganzjahresreifen. Dabei fällt auf, dass der Hersteller Michelin die mit Abstand abriebsärmsten Reifen anbietet. Nach der neuen Berechnungsmethode, die an die künftige Euro-7-Methodik angelehnt ist, liegt der Abrieb der Michelin-Reifen bei durchschnittlich nur 52 mg/km/t pro Fahrzeug. Auf den Plätzen zwei bis vier liegen mit deutlichem Abstand die Premium-Hersteller Hankook (62 mg/km/t), Continental (63 mg/km/t) und Goodyear (65 mg/km/t).

Alle vier Premiumhersteller zeigen, dass es heute möglich ist, sichere und verschleißarme Reifen herzustellen. Die Kehrseite der Medaille: Die Reifen liegen weitgehend im oberen Preissegment.

Mit etwas Abstand folgen die etwas günstigeren Quality-Marken wie Kumho (70 mg/km/t), Falken (72 mg/km/t), Semperit, Vredestein und Dunlop (je 73 mg/km/t).

Überraschenderweise fallen zwei Premium-Hersteller mit einem erhöhten Abriebniveau auf. Sowohl Pirelli (76 mg/km/t) als auch Bridgestone (78 mg/km/t) schaffen es mit den bisherigen Reifengenerationen nicht, einen sicheren, aber gleichzeitig abriebsarmen Reifen anzubieten. Auf dem letzten Platz findet man die Marke Firestone, die mit durchschnittlich 82 mg/km/t in Sachen Umwelt kaum punkten kann. Ausgewertet wurden alle Reifenmarken, welche in den vergangenen Tests mindestens fünf Mal vertreten waren.

Welcher Grenzwert wird festgelegt?

Mit der neuen Euro-7-Abgasnorm (ab Ende 2026) sollen neben dem Bremsenabrieb auch nichtabgasbezogene Partikel aus Reifenabrieb ("Non-Exhaust Particle Emission") limitiert werden. Die Anforderungen hinsichtlich des Abriebs von neuen Reifen sollen ab 1. Juli 2028 für Pkw-Reifen (Klasse C1) gelten.

Der aktuelle Vorschlag der UNECE (United Nations Economic Commission for Europe; Wirtschaftskommission der UN für Europa) sieht eine Begrenzung des Reifenabriebs pro Tonne Fahrzeuggewicht vor. Dies ermöglicht eine objektive Bewertung des Reifens – unabhängig vom Fahrzeugtyp. Dieser Ansatz verhindert, dass Reifenhersteller bei schwereren Fahrzeugen gezwungen sind, zugunsten geringeren Abriebs sicherheitsrelevante Eigenschaften wie Bremsverhalten oder Kurvenstabilität zu verschlechtern.

Die Reifenabriebmethodik wird durch die UNECE in der UN Regulation No. 117 Anhang 10 "Procedure for determining the abrasion performance of tyres of class C1" festgelegt. Das Dokument wird künftig ein standardisiertes Verfahren zur Bestimmung des Abriebs von Pkw-Reifen (C1-Reifen) beschreiben. Das Straßentestverfahren zur Bestimmung des Reifenabriebs wird ein praxisnaher Ansatz sein, der durch den ADAC bereits viele Jahre erfolgreich erprobt ist.

Auswirkungen verschiedener Grenzwert-Szenarien

Bei der Bildung eines künftigen Abriebgrenzwertes muss berücksichtigt werden, dass ein zu strenger Grenzwert dazu führen kann, dass sich ein Reifen in den für die Fahrsicherheit relevanten Kriterien verschlechtert und somit die Verkehrssicherheit darunter leidet. Das wäre bei rund 61 Prozent der getesteten Reifen der Fall, wie die linke Säule der Grafik zeigt. Andererseits verfehlt ein zu lascher Grenzwert (rechts dargestellt) das Ziel, den Reifenabrieb signifikant zu reduzieren:

Dass Premiumhersteller es mit modernster Reifentechnologie bereits heute schaffen, einen sicheren und umweltschonenden Reifen anzubieten, wird im ADAC Reifentest deutlich. Es muss jedoch gewährleistet werden, dass neben den teuren Premiumreifen auch weiterhin preiswertere Alternativen angeboten werden, die insbesondere für preissensitive Kunden oder Wenigfahrer attraktiv sind, ohne dabei erhebliche Abstriche bei der Fahrsicherheit zu riskieren. Es muss sichergestellt sein, dass Mobilität bezahlbar bleibt.

Was beeinflusst den Reifenabrieb?

Nach aktuellen Erkenntnissen des ADAC besteht ein weitgehend linearer Zusammenhang zwischen Fahrzeuggewicht und Reifenabrieb – zumindest im üblichen Pkw-Gewichtsbereich. Der Reifenverschleiß im Realbetrieb hängt zudem stark von den Nutzungsbedingungen und der Fahrweise ab. Generell gilt: Eine kraftstoffsparende Fahrweise sorgt gleichzeitig auch für einen geringeren Reifenabrieb.

Folgende Faktoren erhöhen den Reifenabrieb:

  • bergige Regionen

  • Beton statt Asphalt

  • nasse Fahrbahnen

  • höheres Fahrzeuggewicht

  • sportliche Achsgeometrie

  • Motoren mit hohem Drehmoment

  • höheres Tempo

  • Fahren mit Anhänger

Tipps für Autofahrer

  • Vor allem Vielfahrer sollten Reifen mit einem geringen Verschleiß kaufen – das spart nicht nur Geld, sondern schont auch die Umwelt.

  • Sommer-/Winterreifen sollten saisonal passend gewechselt werden, damit sie nicht aus dem jeweils passenden Temperaturfenster herausfallen und sich der Verschleiß dadurch unnötig erhöht.

  • Der Reifenluftdruck muss regelmäßig kontrolliert werden. Ein zu niedriger Druck kann den Verschleiß ebenso erhöhen wie ein zu hoher.

  • Die Achseinstellungen sollten in regelmäßigen Abständen in einer Fachwerkstatt kontrolliert werden – spätestens dann, wenn ein ungleichmäßiges Verschleißbild am Reifen festgestellt wird.

  • Eine gleichmäßige und vorausschauende Fahrweise sorgt nicht nur für einen geringen Kraftstoffverbrauch, sondern sorgt auch für einen geringeren Reifenverschleiß.

Das sollten die Hersteller beachten

  • Moderne Reifen können verschleißarm und gleichzeitig sicher sein. Die Reifenhersteller müssen diesen Technologiesprung bei künftigen Entwicklungen besser nutzen, um die Umweltbelastung durch Reifenabrieb zu reduzieren.

  • Ein Premiumreifen definiert sich heute nicht mehr nur durch sichere und fahraktive Reifen. Vor allem die sogenannten Premium-Hersteller sollten sich ihrer Verantwortung bewusst sein und dem Thema Reifenabrieb eine deutlich höhere Bedeutung zumessen, insbesondere auch in der öffentlichen Wahrnehmung und in Werbeaussagen.

  • Ultra-High-Performance-Reifen sorgen im normalen Straßenverkehr kaum mehr für eine Verbesserung der Fahrsicherheit, sondern gehören auf die Rennstrecke. Die Reifenhersteller sollten daher den Fokus künftig stärker auf sichere und gleichzeitig umweltfreundliche Reifen legen.

  • Umweltschonende Reifen müssen in allen gängigen Reifengrößen angeboten werden. Sollte es konstruktionsbedingt Reifengrößen geben, die den Zielkonflikt zur Fahrsicherheit nicht umfassend auflösen können, sollte dies den Verbrauchern auch klar kommuniziert bzw. eine sinnvollere Reifengröße empfohlen werden.

Ein Reifenprofil in Nahaufnahme
Unnötig: Gummi-Härchen auf neuen Reifen© ADAC/Test und Technik

Und bitte: Keine Produktionsrückstände mehr auf der Reifenoberfläche! An einigen neuen Reifen finden sich im Neuzustand an der Lauffläche Produktionsrückstände auf der Lauffläche. Diese feinen Gummihärchen haben keinen technischen Nutzen für die Reifenleistung. Sie führen aber zu erhöhtem Reifenabrieb auf den ersten Fahrkilometern. Das ist eine unnötige Umweltbelastung, die vom Reifenhersteller leicht durch einen zusätzlichen Produktionsschritt oder entsprechende Herstellungsverfahren behoben werden könnte. Die fehlenden Produktionsrückstände sind also nicht nur ein Qualitätsmerkmal neuer Reifen, sondern verringern auch die unnötige Umweltbelastung, die durch den Abrieb der Gummihärchen entsteht.

Die ADAC Studie zu Reifenabrieb im Straßenverkehr wurde durch die FIA Foundation im Rahmen des Safe & Sustainable Mobility Grand Programme gefördert.

Hier finden Sie die Studie "Reifenabrieb in der Umwelt" auf Deutsch
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Here you find the document on "Tyre abrasion in the environment" in English
PDF, 958 KB
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Fachliche Beratung (Leitung): Dino Silvestro, ADAC Technik Zentrum

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