ÖPNV Tickets 2021: ADAC Studie zeigt gewaltige Preisunterschiede

Junge Frau steht mit ihrem Handy in einem Bus
Bus und Bahn werden wieder beliebter – die Preisunterschiede bei Tickets in Großstädten sind erheblich© iStock.com/ReMa

Große Preisunterschiede beim ÖPNV in deutschen Großstädten: Eine aktuelle ADAC Studie zeigt, dass die Ticketpreise teilweise um mehr als 100 Prozent abweichen. Und das obwohl die Leistungen überwiegend gleichwertig sind.

  • Keine einheitliche Preisgestaltung im öffentlichen Nahverkehr

  • Größte Preisdifferenzen bei Wochenkarten

  • Mehr Flextarife aufgrund veränderter Arbeitsmodelle

  • Digitale Innovation: eTarif in Mannheim

Die untersuchten Städte und Verkehrsverbünde

Nach 2019 hat der ADAC zum zweiten Mal die ÖPNV Ticketpreise in 21 deutschen Großstädten mit mehr als 300.000 Einwohnern unter die Lupe genommen. Die untersuchten Städte Bochum, Dortmund, Düsseldorf, Duisburg, Essen und Wuppertal sind dabei ebenso Teil eines größeren Verkehrsverbunds wie Bonn und Köln.

ÖPNV Tickets: Preisunterschiede bis zu rund 100 Prozent

Das Ergebnis der Untersuchung ist bemerkenswert: Die Preise einzelner Tickets unterschieden sich je nach Stadt beträchtlich und das, obwohl die enthaltenen Leistungen überwiegend gleichwertig sind.

Die größte Spannweite mit mehr als hundert Prozent fanden die Tester bei den Wochenkarten für Erwachsene. In der teuersten Stadt Berlin kosteten sie 36 Euro, während man in München 17,80 Euro bezahlen musste.

Ähnlich frappierend war der Unterschied bei den Monatstickets. Diese konnte man in München bereits für 57 Euro erwerben, während in Hamburg mit 112,80 Euro fast der doppelte Betrag zu entrichten war.

Tageskarten für Erwachsene waren mit 8,80 Euro in Berlin, Bonn und Köln am teuersten und kosteten damit knapp 65 Prozent mehr als in Frankfurt, wo man 5,35 Euro zahlte.

Für eine Einzelfahrt griffen Erwachsene in München mit 3,40 Euro deutlich tiefer in die Tasche als in Hamburg mit 2,40 Euro. Auch Kinder wurden bei Einzelfahrten unterschiedlich zur Kasse gebeten: In Leipzig lösten sie das Ticket für 1,20 Euro, das sind knapp 60 Prozent weniger als in Berlin und Mannheim, wo das Ticket 1,90 Euro kostete.

Kurzstreckentickets suchte man in Dresden, Karlsruhe und Mannheim vergebens, in Hannover und Karlsruhe fehlten die Wochenkarten.

Preisanstieg seit 2019 nur moderat

Erfreulich für den Verbraucher: Seit der ADAC Untersuchung 2019 sind die Preise bis zum Zeitpunkt der ADAC Studie je nach Ticketart nur moderat zwischen 1,33 und 5,11 Prozent gestiegen. Nürnberg hat seine Preise gar nicht geändert und Bielefeld, Bremen, Frankfurt und Karlsruhe boten einzelne Tickets teilweise sogar deutlich günstiger als 2019 an.

Nutzerfreundlichkeit durch flexible Ticket-Gültigkeit

Wochen- und Monatskarten konnten nach Kauf fast überall flexibel an beliebigen Tagen angetreten werden – dies war 2019 noch nicht durchgängig der Fall. Einzige Ausnahmen: In Mannheim galt die Wochenkarte immer ab Montag und in Bremen die Monatskarte ab Monatsbeginn.

Überwiegend ähnlich waren bei allen Tickets die Regeln zur Mitnahme weiterer Personen sowie die Übertragbarkeit von Fahrkarten auf Dritte.

Einigkeit herrschte auch bei den Kindertickets, die sich generell an 6- bis 14-Jährige richteten. Wer jünger ist, fährt im deutschen ÖPNV kostenlos, nur in Dresden und Leipzig bezahlten Kinder unabhängig vom Alter erst ab dem Eintritt in die Schule.

Der Tag ist nicht überall gleich lang

Bei den Tageskarten konkurrieren zwei Modelle: Während in der einen Hälfte der Städte das Tagesticket vom Zeitpunkt der Entwertung an 24 Stunden lang gültig war, endet die Fahrerlaubnis in den anderen Städten am Folgetag mit Betriebsschluss des jeweiligen Verkehrsverbundes.

Fahrrad-Mitnahme in drei Städten kostenlos

Die Mitnahme eines Fahrrads war zwar überall erlaubt, die Preismodelle unterschieden sich aber. Frankfurt, Hamburg und Hannover transportierten Räder kostenlos, einen Einzelfahrschein brauchte man dagegen in Berlin, Karlsruhe, Leipzig, Mannheim, Nürnberg, Bonn und Köln sowie zu bestimmten Zeiten in der Stuttgarter S-Bahn. Alle anderen Verkehrsverbünde verlangten für die Mitnahme ein Fahrrad-Tagesticket.

Digitale Innovation: Der eTarif in Mannheim

Alle Verkehrsverbünde boten durchgängig mobile Apps und teilweise Online-Tickets an, vereinzelt in Verbindung mit Rabatten für die Nutzung der digitalen Angebote. Verbraucher sollten daher immer prüfen, ob das gewünschte Ticket in der digitalen Variante günstiger ist.

Eine Besonderheit erprobt Mannheim mit dem eTarif. Dort wird der Fahrpreis per App kilometergenau nach der Luftlinie zwischen Start- und Ausstiegshaltestelle abgerechnet. Der Grundpreis betrug 1,30 Euro, jeder zusätzliche Kilometer kostete 20 Cent, abgebucht wurde automatisch. Vergleichbar ist das Londoner System "Pay As You Go", wo sekundengenau die gefahrene Zeit bezahlt wird.

Auch München zeigt mit seinem Pilotprojekt "Swipe+Ride", wie mittels eines Check-Ins und eines Check-Outs nach der Fahrt per Smartphone die tatsächliche gefahrene Strecke einfach erfasst und abgerechnet wird.

Fazit: Jede Stadt kocht ihr eigenes Süppchen

Auch die zweite ADAC Studie hat gezeigt, dass die deutschen Städte von einheitlichen ÖPNV Ticketpreisen noch meilenweit entfernt sind. Die großen Spannen und wie diese zustande kommen, liegt meistens an der Preispolitik der Kommunen und ist auch von der Förderung durch Bund, Länder und Kommunen abhängig.

Für den Verbraucher und die Attraktivität des ÖPNV insgesamt wäre eine Vereinheitlichung der Preise auf möglichst niedrigem Niveau wünschenswert.

ÖPNV Preissteigerungen im Dezember: Das sagt der ADAC

Für Dezember haben die meisten Verkehrsbetriebe Preissteigerungen bis zu 5,5 Prozent angekündigt.

Vor diesem Hintergrund hält der ADAC die Anhebung der Verkehrsmittel unabhängigen Entfernungspauschale für geboten.

Zusätzlich sieht ADAC Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand kurzfristig den Bedarf für flexiblere Tarifstrukturen insbesondere für Teilzeitbeschäftige und Homeoffice-Nutzer: "Für Verbraucher, die den öffentlichen Verkehr nicht täglich nutzen, bietet die derzeitige Tarifstruktur häufig keine bezahlbaren Angebote. Ein attraktiver ÖPNV ist für die Mobilität der Zukunft unverzichtbar. Dabei geht es den Verbrauchern vor allem um faire Preise, Zuverlässigkeit und eine Ausweitung des Angebots."

Alle Testergebnisse

Stadt

Verkehrsverbund



Berlin

Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg



Bielefeld

Verkehrsverbund TeutoOWL



Bochum

Verkehrsverbund Rhein-Ruhr



Bonn

Verkehrsverbund Rhein-Sieg



Bremen

Verkehrsverbund Bremen/Niedersachsen



Dortmund

Verkehrsverbund Rhein-Ruhr



Dresden

Verkehrsverbund Oberelbe



Duisburg

Verkehrsverbund Rhein-Ruhr



Düsseldorf

Verkehrsverbund Rhein-Ruhr



Essen

Verkehrsverbund Rhein-Ruhr



Frankfurt am Main

Rhein-Main Verkehrsverbund



Hamburg

Hamburger Verkehrsverbund



Hannover

Großraum-Verkehr Hannover



Karlsruhe

Karlsruher Verkehrsverbund



Köln

Verkehrsverbund Rhein-Sieg



Leipzig

Mitteldeutscher Verkehrsverbund



Mannheim

Verkehrsverbund Rhein-Neckar



München

Münchner Verkehrs- und Tarifverbund



Nürnberg

Verkehrsverbund Großraum Nürnberg



Stuttgart

Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart



Wuppertal

Verkehrsverbund Rhein-Ruhr



Corona ändert Mobilitätsverhalten – Verkehrsverbünde reagieren

Jahrelang kletterten die Fahrgastzahlen und Einnahmen im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in immer größere Höhen. 2019 fuhren in Deutschland mehr als zehn Milliarden Kunden mit dem öffentlichen Nahverkehr.

Mit der Corona-Pandemie änderte sich das Mobilitätsverhalten der Menschen vor allem in den Städten dann radikal. Verkehrsverbünde verzeichneten beim Fahrgastaufkommen massive Einbrüche von zeitweise bis zu 80 Prozent. Über das ganze Jahr 2020 gerechnet waren es rund 30 Prozent weniger Fahrgäste als im Rekordjahr 2019. Auch wenn inzwischen etwa drei Viertel der ursprünglichen Nutzer in den ÖPNV zurückgekehrt sind, rechnen die Verbünde mit einer Rückkehr auf das frühere Niveau nicht vor 2024.

Corona: So schützen Sie sich und andere in Bus und Bahn

Gegensteuern wollen einzelne Städte durch neue Bonus- oder Abo-Modelle sowie durch Rabattaktionen. Damit wollen die ÖPNV Verbünde verlorene Kunden zurückgewinnen und veränderten Arbeitsmodellen Rechnung tragen.

Corona-Krise im ÖPNV: Interview mit Ingo Wortmann, Präsident des VDV

Langfristig gesehen stellt die Corona-Krise und ihre Folgen die Verkehrsverbünde aber nicht nur vor gravierende Herausforderungen, sondern bietet auch Chancen für die Zukunft. Die Trends zeichnen sich bereits ab: Flexible, dem individuellen Bedarf angepasste Tickets, Kombinationsmöglichkeiten verschiedener Verkehrsmittel und eine weitere Digitalisierung.

Neue Verkehrsregeln, Spritpreise und Verbraucher-Tipps

Methodik: Genauer Blick auf Tickets und Tarife

Im Rahmen des ÖPNV Ticketvergleichs hat der ADAC die Tarifsysteme von deutschen Städten mit mehr als 300.000 Einwohnern überprüft. Eine Voraussetzung: In den Städten mussten sowohl Busse fahren als auch ein Schienenverkehrsnetz bestehen.

Für den Preisvergleich hat das Rechercheteam die sieben gängigsten Ticketarten berücksichtigt, die ein möglichst breites Kundenspektrum abdecken. Verglichen wurden Kurzstrecke, Einzelfahrkarte, Tages-, Wochen- und Monatskarte für Erwachsene, Einzelfahrkarten für Kinder zwischen sechs und 14 Jahren sowie Tickets zur Mitnahme von Fahrrädern. Keine Berücksichtigung fanden subventionierte Fahrkarten oder Abo-Angebote.

Recherchiert wurde auf den Webseiten der Anbieter. Dabei wurden Preise sondiert und nachgeforscht, welche Leistungen die verschiedenen Fahrkartentarife enthalten. Tiefergehende Regelwerke, wie etwa die jeweiligen Tarifbestimmungen der Verbünde, waren nicht Teil des Preisvergleichs.

Durchgeführt und ausgewertet wurde der Vergleich im Auftrag des ADAC vom Institut Knapp Quality Solutions, das auf Inkognito-Tests im Bereich Verbraucherschutz und Servicequalität spezialisiert ist. Geprüft wurde zwischen dem 25. Juni und 9. Juli 2021.

Podcast: ÖPNV auf dem Land und in der Stadt

Im ADAC Podcast "Mobilität am Mittwoch" geht es in Folge 28 um die Frage, was beim ÖPNV auf dem Land und in der Stadt besser werden muss. Host Alexander Schnaars spricht dazu mit Christoph Gipp, der als Geschäftsführer des IGES-Instituts den dortigen Forschungsbereich Mobilität betreut.

Mit dem ÖPNV auf dem Land und in der Stadt unterwegs - das muss besser werden

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