Wildunfall verhindert, aber Motorrad beschädigt: Wer zahlt?

Ein Motorradfahrer fährt auf einer herbstlichen Landstraße
Wildunfall im Herbst: Ein Risiko auch für Motorradfahrer© iStock.com/vtwinpixel

Ein Motorradfahrer weicht aus, um einen Wildunfall zu vermeiden. Hat er Anspruch auf Schadenersatz gegen seine Versicherung, wenn er dabei stürzt und sein Motorrad beschädigt wird? Ein Urteil des Oberlandesgerichts Saarbrücken.

Der Fall: Ein Motorradfahrer war mit seinem Sohn im Herbst auf dem Motorrad in Frankreich unterwegs. Beim Einfahren in eine Rechtskurve nahm er in geringer Entfernung Rehe hinter einem Busch am rechten Straßenrand wahr. Er machte mit dem Motorrad eine Ausweichbewegung nach links, um einen Zusammenstoß zu verhindern. Dabei kam er von der Straße ab und stürzte. Das Motorrad, seine Motorradkleidung und der Helm seines Sohnes wurden beschädigt.

Kein Zusammenstoß mit Reh

Der Mann verlangte von seiner Teilkaskoversicherung den Ersatz der Schäden. Diese weigerte sich, denn es habe keinen Zusammenstoß mit den Tieren gegeben. Die Sache ging vor Gericht. In erster Instanz bekam der Motorradfahrer Recht. Die Versicherung legte Berufung ein.

Wildunfall: Schaden durch Ausweichmanöver

Das Oberlandesgericht Saarbrücken bestätigte die Entscheidung aus der ersten Instanz. Der Motorradfahrer habe einen Anspruch gegen seine Versicherung auf Ersatz seiner Schäden. Dieser ergebe sich nicht aus dem (Teilkasko-)Vertrag, sondern als sogenannter Rettungskostenersatz aus dem Gesetz. Danach muss die Versicherung dem Versicherungsnehmer die Kosten erstatten, die entstehen, weil er versucht, einen drohenden Versicherungsfall abzuwenden oder zu mindern (Rettungshandlung). Voraussetzung ist aber, dass der Versicherungsnehmer sie den Umständen nach für erforderlich halten durfte.

Reflexartige Rettungshandlung

Die Richter waren überzeugt, dass der Motorradfahrer bei der Ausweichbewegung gestürzt war, um einen möglichen Zusammenstoß mit den Rehen zu verhindern. Andere Gründe wie überhöhte Geschwindigkeit oder Alkohol habe es für den Sturz nicht gegeben. Auch eine "Reflexhandlung" könne eine Rettungshandlung sein, so die Richter. Das gelte ebenso für ein Ausweichmanöver, das eine eher "maschinelle", aber willensgesteuerte Reaktion auf ein schnell ablaufendes und beiläufig erfasstes Geschehen sei. Denn durch das Ausweichen habe der Motorradfahrer den drohenden Zusammenstoß mit dem Wild und einen Schaden am versicherten Motorrad vermeiden wollen.

Versicherung muss Schaden zahlen

Der Motorradfahrer habe bei dem Ausweichmanöver nach Ansicht der Richter auch nicht grob fahrlässig gehandelt. Er habe bewiesen, dass sich Rehe und damit größere, unberechenbare Tiere mit stark erhöhtem Gefahrenpotenzial unmittelbar neben der Fahrbahn befanden, und er deshalb ausgewichen war. Auch bei der vergleichsweise niedrigen Geschwindigkeit hätte ein Zusammenprall mit Rehen zu schweren Schäden am Motorrad und Verletzungen von Vater und Sohn führen können – und für diesen sei der Motorradfahrer schließlich mit verantwortlich gewesen. Die Versicherung musste daher die Schäden ersetzen.

OLG Saarbrücken, Urteil vom 23.11.2022, Az.: 5 U 120/21