Doppelte Entschädigung bei Verspätung des Alternativfluges

Junge Frau schläft am Flughafen
Der EuGH hat auf Bitten des finnischen Gerichts die Rechtslage geklärt. © iStock.com/bymuratdeniz

Wird ein Flug annulliert und ist der Alternativflug verspätet, kann der Fluggast eine Ausgleichszahlung für die Flugannullierung und eine Ausgleichszahlung wegen der Verspätung des Alternativfluges verlangen. Das hat der EuGH entschieden.

Reisende hatten bei Finnair einen Direktflug von Helsinki nach Singapur gebucht, der wegen eines technischen Problems annulliert wurde. Die Reisenden wurden auf Angebot der Airline auf einen anderen Flug (Helsinki-Singapur via Chongqing, China) am nächsten Tag umgebucht. Dieser Flug – ausgeführt ebenfalls von Finnair - verzögerte sich wegen einer ausgefallenen Servolenkung für das Steuerruder der betreffenden Maschine. Der Ersatzflug kam statt wie geplant am 13.10.2013 um 17:25 Uhr in Singapur erst am 14.10.2013 um 00:15 Uhr an.

Die Reisenden verlangten von Finnair eine Ausgleichszahlung von je 600 Euro wegen der Annullierung des ursprünglichen Fluges. Außerdem verlangten sie jeweils 600 Euro wegen der mehr als dreistündigen Verspätung der Ankunft des Alternativfluges. Sie klagten.

Airline zahlt nur für Annullierung

Die Airline zahlte eine Ausgleichsleistung von 600 Euro wegen der Annullierung des ursprünglichen Fluges. Sie weigerte sich aber, auch eine Ausgleichszahlung wegen der Verspätung zu bezahlen. Sie begründete das damit, dass es für die Reisenden gar keinen Anspruch auf eine zweite Ausgleichszahlung gibt. Außerdem war die Verspätung des Alternativfluges auf "außergewöhnliche Umstände" zurückzuführen, so die Airline.

Die Airline trug vor, dass eine der drei Servolenkungen des Steuerruders zur Lenkung des Flugzeugs für den Ersatzflug ausgefallen war. Der Hersteller des Flugzeuges hatte mitgeteilt, dass mehrere Maschinen dieses Typs einen versteckten Fabrikations- bzw. Konstruktionsfehler aufwiesen, der die Servolenkungen des Steuerruders betrifft. Bei der Servolenkung des Steuerruders handelte es sich um ein sog. "On condition"–Teil, das nur bei Defekt des früheren Teils durch ein neues Teil ersetzt wird, so die Airline.

Flug annulliert, verspätet oder überbucht – Ihre Rechte

Flug mit EU-Bezug ausgefallen, überbucht oder viel zu spät – für Reisende ist das ein Problem. ADAC Juristen geben Tipps, wie Sie sich richtig verhalten und erklären, wie Sie Entschädigung fordern.

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Doppelte Entschädigung für Fluggäste

Der EuGH hat auf Bitten des finnischen Gerichts die Rechtslage geklärt. Ein Fluggast, der schon wegen der Annullierung eines Fluges eine Ausgleichszahlung bekommen hat und der einen Alternativflug (durchgeführt durch die gleiche Airline) akzeptiert hat, kann zusätzlich Anspruch auf eine Ausgleichszahlung wegen Verspätung des Alternativfluges geltend machen, so der EuGH.

Nach Auffassung des europäischen Richter enthält die Verordnung* keine Bestimmung, mit der die Rechte der Fluggäste, die einen Ersatzflug akzeptieren, beschränkt werden sollen. Fluggäste, die Annullierungen oder große Verspätungen hinnehmen mussten, hatten zwei Mal Unannehmlichkeiten: einmal wegen der Annullierung ihres ursprünglich gebuchten Fluges und später noch einmal wegen der großen Verspätung ihres Alternativfluges. Die Richter sahen es als gerechtfertigt an, wenn diesen Fluggästen ein Ausgleichsanspruch für jede dieser aufeinander folgenden Unannehmlichkeiten gewährt wird.

Airline kann sich nicht auf „außergewöhnliche Umstände“ berufen

Die Richter des EuGH wiesen darauf hin, dass "außergewöhnliche Umstände“ Vorkommnisse sind, die ihrer Natur oder Ursache nach nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit der Airline sind und die von der Airline nicht beherrschbar sind. Technische Mängel, die sich bei der Wartung von Flugzeugen zeigten, können grundsätzlich keine "außergewöhnlichen Umstände" darstellen, so das Gericht. Die Airline konnte sich daher nicht auf "außergewöhnliche Umstände" berufen, die mit dem Defekt eines "On condition"-Teils zusammenhängen.

Finnair muss den Reisenden eine doppelte Entschädigung – für die Flugannullierung und für die Verspätung - bezahlen.

EuGH, Urteil vom 12.3.2020, Az.: C-832/18

*Gemeint ist die sog. EU-Fluggastrechte-Verordnung

*Hinweis der ADAC Juristen: Ein Ersatzflug im Sinne der EU-Fluggastrechteverordnung ist ein kurzfristiger Alternativflug für einen annullierten Flug. Flüge, die z.B. wegen dem Coronavirus zu einem viel späteren Zeitpunkt stattfinden, sind damit nicht gemeint und waren nicht Gegenstand der Entscheidung des EuGH.

Ihre Rechte bei Flugannullierung und Flugverspätung.