Weniger Transparenz: Hersteller schaffen Preislisten ab

Eine Frau sitzt am Laptop und konfiguriert einen Neuwagen
Mittlerweile Standard: Online ein Auto konfigurieren, statt Preislisten zu wälzen© Shutterstock/Rawpixel.com

Statt konventionelle Preislisten zu drucken, setzen immer mehr Autohersteller ausschließlich auf Online-Konfiguratoren, über die man sein Wunschmodell zusammenstellen kann. Das erscheint praktisch, hat aber gravierende Nachteile.

  • Fehlende Preislisten erschweren Preis- und Ausstattungsvergleich

  • Online-Konfiguratoren oft kein adäquater Ersatz

  • ADAC fordert mehr Transparenz

Haben Sie auch noch alte Autoprospekte und Preislisten in der Schublade? Bestimmt. Denn beim Autokauf gehörte das Prospektmaterial bis vor ein paar Jahren einfach dazu. Zu Hause konnte man in aller Ruhe Modellvarianten, Ausstattungen, technische Daten und Preise vergleichen.

Das hat sich geändert. Eine ADAC Recherche hat ergeben, dass rund die Hälfte aller Autohersteller keine Preislisten mehr druckt. Wer ein neues Auto kaufen will, muss stattdessen auf die Homepage des Herstellers gehen und sich dort informieren. Grundsätzlich spricht nichts dagegen, schließlich sind die Infos im Internet stets aktuell. Und auch die Umwelt hat etwas davon, wenn nicht Tonnen gedruckter Prospekte irgendwann im Müll landen.

Intransparent: Konfigurator statt Preisliste

Screenshot der Serienaustattung im VW Konfigurator
Online-Konfiguratoren sind oft unübersichtlich© Volkswagen

Aber ist die Homepage ein adäquater Ersatz für eine gedruckte Preisliste? Nicht wirklich. Denn selbst online werden Preislisten im herkömmlichen Sinn in der Regel nicht einmal mehr als PDF-Download angeboten. Stattdessen sollen sich Käufer im Online-Konfigurator ihr Wunschmodell zusammenstellen. Nach ein paar Klicks sind Motorisierung, Ausstattung und Farbe angewählt, und schon wird ein Preis ausgespuckt.

Klingt praktisch, doch für den Käufer hat das gravierende Nachteile. Zum einen sind die Konfiguratoren alles andere als übersichtlich aufgebaut. Ausstattungslinien und Motorisierungen vergleichen fällt oft erheblich schwerer als mit einer konventionellen Preisliste. Hinzu kommt: Meist ist die exakte Ausstattung einer Modellvariante nicht im Detail aufgeführt. Bei einer Preisliste ist das anders. Dort ist klar nachvollziehbar, was der Kunde bestellt hat und was ihm bei Lieferung des Fahrzeugs zusteht.

Hersteller ändern Preise nach Belieben

Dass sich die Hersteller hier lieber nicht so genau festlegen wollen, hat seinen Grund: Gerade bei Modellen mit langen Lieferzeiten scheinen die Autobauer nicht garantieren zu wollen, dass der Ausstattungsumfang bei Auslieferung noch derselbe ist. Und dass der Preis gleich bleibt.

Vor allem in den letzten zwei Jahren haben sich die Preisrunden der Hersteller immer schneller gedreht: Autos sind in manchen Fällen im 2-Monats-Rhythmus teurer geworden (siehe auch den Artikel zu steigenden Autopreisen). Eine konventionelle Preisliste wäre da dem Hersteller nur im Weg, sind doch Preise und Ausstattungen im Online-Konfigurator tagesaktuell und in Sekundenschnelle "angepasst".

Der Kunde zahlt drauf

Ein junger Mann grübelt vor in einem Autoshowroom
Macht schlechte Laune und kostet Geld: Der Traumwagen ist teurer geworden© Shutterstock/Prostock-studio

Der Dumme ist dabei der Kunde. Ein ADAC Mitglied (Name der Redaktion bekannt) hat leidvoll erfahren, welche Auswirkung das Gebaren der Hersteller haben kann. Er hatte sich als Firmenwagen einen Škoda Enyaq Coupé RS zum Preis von 59.300 Euro bestellt. Weil das Elektroauto unter 60.000 Euro lag, sieht die Dienstwagenbesteuerung einen Steuersatz von 0,25 Prozent des Bruttolistenpreises vor.

Die Überraschung kam nach 1,5 Jahren (!) Lieferzeit. Die bestellte Ausstattungslinie gab es nicht mehr, sondern nur noch ein Modell mit besserer Ausstattung – und höherem Preis von 63.000 Euro. Für den Kunden, in diesem Fall das Fuhrparkmanagement des Arbeitgebers von S., änderte sich der Preis nicht, und auch die Pressestelle von Škoda schreibt auf Nachfrage des ADAC: "Mit der Bestellung genießt der Kunde einen sehr umfangreichen Preisschutz: der Kaufpreis ist garantiert."

Nur: Die Folgen der Preiserhöhung für die Steuer von S. hatten offenbar weder das Fuhrparkmanagement noch der Škoda-Händler auf dem Schirm – laut S. wurde er nicht darüber informiert. Für S. hat der Vorgang deshalb finanzielle Folgen: Das Finanzamt betrachtet nämlich den Listenpreis bei Zulassung. Und nicht den bei der Bestellung. Und so wird der Wagen jetzt mit 0,5 Prozent besteuert. Für das ADAC Mitglied bedeutet das nach eigenen Angaben Mehrkosten von einigen Tausend Euro.

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Fein raus mit der "Preisanpassungsklausel"?

Mit sogenannten Preisanpassungsklauseln im Vertrag sichern sich die Hersteller allerdings juristisch ab. Heißt: Bis zur Auslieferung kann das Fahrzeug eben teurer werden. Hat der Käufer unterschrieben, fehlt ihm meist die Möglichkeit, bei einer Preiserhöhung vorzeitig (also vor Auslieferung) aus dem Vertrag auszusteigen. Allerdings: Diese Klauseln müssen dem Käufer zumindest "bei erheblichen Preiserhöhungen" die Möglichkeit einräumen, vom Vertrag zurückzutreten. Was "erheblich" ist und was nicht, hängt vom Einzelfall ab.

Preiserhöhungen sind das eine, Kürzungen im Ausstattungsumfang das andere. ADAC Autotester Martin Ruhdorfer hat zum Beispiel festgestellt, dass manch Ausstattungsdetail im Lauf der Produktionszeit des Modells dem Rotstift zum Opfer fällt.

Nur ein Beispiel: Beim aktuellen BMW X1 wurde einfach die Beleuchtung des Handschuhfachs gestrichen. Selbst wer für das Topmodell der Baureihe 70.000 Euro und mehr ausgibt, tappt nachts jetzt im Dunkeln. Dass dort vorher eine Lampe war, zeigt ein Loch im Inneren des Handschuhfachs. Kommuniziert wurde die Änderung nicht.

Wie sieht es rechtlich aus? Fehlen Preis- und Ausstattungsliste, hat der Kunde keinen Beweis, was er zu welchem Zeitpunkt genau bestellt hat. Es sei denn, der Ausstattungsumfang von der Handschuhfach-Beleuchtung bis zur Ziernaht ist detailliert im Kaufvertrag aufgeführt.

Die Ausstattung eines Autos darf nach Vertragsschluss zwar nicht geändert werden. Allerdings betrifft das nur relevante Ausstattungsdetails. Was genau als relevant betrachtet wird, ist im Zweifel unklar. Häufig gelten funktionelle Ausstattungsdetails als relevant (z.B. Airbags, Klimaanlage, elektrische Fensterheber), nicht funktionelle Ausstattungsdetails wie Ziernähte aber nicht. Pech für den Kunden, der beim Autokauf schließlich kein Kleingeld investiert, sondern hohe Summen ausgibt. Der durchschnittliche Neuwagenpreis lag laut DAT im letzten Jahr bei immerhin 42.790 Euro.

+++ Update 10.11.23 +++ BMW hat reagiert +++

Erfolg für den Verbraucherschutz. Nach dem im Oktober 2023 erschienenen Artikel hat bereits ein Hersteller reagiert: BMW stellt nun auf den Modellseiten der Homepage wieder Preislisten zum Download zur Verfügung. Für Autokäuferinnen und -käufer ist das eine gute Nachricht. Der ADAC ruft auch die anderen Hersteller auf, dem Beispiel von BMW zu folgen und ausführliche Preislisten bereitzustellen – für mehr Transparenz beim Autokauf.

Tipps für Kunden

Durch die fehlenden Preislisten ergeben sich für Kunden also einige Nachteile. Um nicht zum Spielball der Hersteller zu werden, empfiehlt der ADAC:

  • Falls eine Preisliste verfügbar ist, sollten Sie sich die jeweils gültige bei Vertragsabschluss besorgen, damit Sie einen Beweis über Ausstattungsdetails und Preise haben.

  • Ist keine Preisliste verfügbar, empfiehlt der ADAC, die Ausstattungsdetails bei Vertragsabschluss digital zu sichern, um zumindest ein Beweismittel in der Hand zu haben.

  • Die wesentliche Ausstattung sollte im Kaufvertrag ausdrücklich aufgeführt werden.

Forderungen an die Hersteller

  • Hersteller sollten vollumfängliche Preislisten wenigstens zum Download als PDF anbieten.

  • In den Konfiguratoren sollte eine Möglichkeit bestehen, die Ausstattungsdetails jeder individuellen Konfiguration zusammenzufassen und optional als PDF zur Verfügung stehen. In diesem Dokument sollten auch Fotos des Autos von außen und von innen enthalten sein.

  • Spätestens bei der Bestellung muss eine ausführliche Auflistung der Ausstattung erfolgen.

  • Bei Problemen verweisen die Hersteller oft auf die Händler bzw. die Händlerinnen. Statt diesen den schwarzen Peter zuzuschieben, fordert der ADAC von den Herstellern, klare und transparente Informationen zur Verfügung zu stellen.

Fachliche Beratung: Martin Ruhdorfer, Maximilian Bauer/ADAC Technik Zentrum