Keine Ersatzteile: Wenn das Auto steht, zahlt der Verbraucher

Mitglieder berichten von monatelangen Wartezeiten oder gar nicht mehr lieferbaren Ersatzteilen. Der ADAC sieht die Hersteller in der Pflicht.
Betroffene Autos teilweise noch sehr jung
Kein Anspruch nach Ablauf der Sachmängelhaftung
ADAC fordert Reparierbarkeit für mehr als 10 Jahre
Junge Gebrauchte: Keine Ersatzteile
Ein Mitglied meldet sich bei der ADAC Rechtsberatung. Der aus 2021 stammende Fiat Tipo braucht eine neue Ansaugbrücke. Nach sechs Monaten Standzeit bei der Vertragswerkstatt heißt es, dass das Ersatzteil nicht mehr verfügbar ist. Das Mitglied fragt direkt beim italienischen Zulieferer nach: Der bestätigt, dass die Ansaugbrücke nicht mehr produziert wird. Laut der Werkstatt gibt es keine Möglichkeit das Teil von einem anderen Zulieferer zu beziehen, das Fahrzeug kann erstmal nicht repariert werden.
Immer öfter melden sich Mitglieder mit solchen Problemen bei der ADAC Rechtsberatung. Dabei handelt es sich nicht nur um ältere Fahrzeuge, sondern wie in diesem Fall um Autos, die wenige Jahre alt sind. Andere Betroffene warten auf Kabelbäume, Scheinwerfer oder Hochvoltbatterien.
Die Auswirkungen auf Verbraucher sind dabei erheblich. Die Fahrzeuge konnten nicht mehr genutzt, mussten teilweise weit unter Wert verkauft werden. Mietwagen wurden selten oder nur vorübergehend zur Verfügung gestellt. Juristin Silvia Schattenkirchner, Leiterin ADAC Verbraucherrecht: "Einen klaren gesetzlichen Rahmen gibt es nicht. Verbraucher werden hier alleine gelassen."
Verbraucher müssen entlastet werden

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) und der Verband der Internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK) verweisen auf Anfrage der ADAC Redaktion auf globale Lieferketten als Grund für die Engpässe. Autobauer würden große Lagerkapazitäten vermeiden, um wirtschaftlicher und ökologischer zu produzieren. Diese knappe Kalkulation mache sie bei Störungen der Lieferketten anfälliger.
Die Folge sind immer mal wieder fehlende Ersatzteile. "Aus Sicht der Verbraucher beginnt das Problem bei den Vertragspartnern. Verkäufer der Autos sind normalerweise nicht die Hersteller, sondern ein Händler. Kommt es zu Problemen in der Verfügbarkeit von Ersatzteilen, sind Vertragswerkstätten die ersten Ansprechpartner", erklärt ADAC Juristin Schattenkirchner. Oft sind ihnen dabei die Hände gebunden, schließlich sind auch sie auf die Produktion der Teile durch den Hersteller angewiesen.
Die Zeit ohne Auto müssen die Betroffenen in der Regel ohne Hilfe überbrücken.
„Viele bekommen keinen oder nur für kurze Zeit einen Leihwagen zur Verfügung gestellt. Grund dafür: Mit dem Lieferverzug verbundene Kosten, wie etwa ein Leihwagen, tragen nicht die Hersteller, sondern die Autohäuser. Trotzdem dürfen Verbraucher hier nicht allein gelassen werden: Bei längeren Liefer- und Reparaturzeiten müssten die Hersteller zumindest kostenfreie Leihwagen bereitstellen. “
Silvia Schattenkirchner, Juristin und Leiterin ADAC Verbraucherrecht
Ansprüche enden zwei Jahre nach Kauf
Grundsätzlich gilt: Innerhalb der ersten zwei Jahre nach dem Kauf eines Neuwagens gilt die sogenannte Sachmängelhaftungsfrist. Beim Kauf eines Gebrauchtwagens von einem Händler liegt die Frist bei einem Jahr. Während dieser Zeit hat der Händler bei einem Mangel die Pflicht, Ersatzteile zu beschaffen und kostenfrei einzubauen. Kommt er dem nicht nach, kann der Verbraucher den Kaufvertrag rückgängig machen oder den Kaufpreis mindern. Wie lange der Händler Zeit für die Reparatur hat, ist nicht festgelegt.
Nach Ende der Sachmängelhaftungsfrist sind Verbraucher weitestgehend auf sich gestellt - es gibt keine Gesetzesregelung die Lieferzeit, Ersatzmobilität oder gar Schadenersatz vorgibt. Laut einer Pressesprecherin des VDA haben die Automobilhersteller ihren Kunden gegenüber sich selbst ein Versprechen auferlegt. "Die gemeinhin als solche bekannte Selbstverpflichtung lässt sich als ein Versprechen an die Kunden bezeichnen […] - im Wettbewerb das beste Produktpaket rund um das Auto anzubieten." Weiter heißt es in dem Statement, dass das Versprechen eine Bevorratung von gewissen Ersatzteilen beinhalte, "[…] auch wenn diese durch externe Umstände wie beispielsweise Komplikationen in den komplexen globalen Lieferketten nicht immer garantiert werden kann".
ADAC fordert 12 bis 15 Jahre Ersatzteile
Die geschilderten Fälle zeigen jedoch, dass diese Pflicht zu kurz greift. Wie Betroffene geschützt werden können, beantworten VDA und VDIK nicht konkret: Auf Nachfrage der Redaktion verweisen beide Verbände lediglich auf die Selbstverpflichtung der Hersteller.
Der ADAC fordert daher, dass es auch auf die Verfügbarkeit von Auto-Ersatzteilen einen gesetzlichen Anspruch von 12 bis 15 Jahren geben sollte. Analog zu den gesetzlichen Vorgaben für Ersatzteile von Haushaltsgeräten, die laut EU-Recht seit 2021 je nach Art sieben bis zehn Jahre zur Verfügung gestellt werden müssen, sollte auch bei langlebigen Produkten wie Pkw eine entsprechende Regelung gelten.
Bisher gibt es außerhalb der Sachmangelhaftung bzw. Herstellergarantie keinerlei gesetzliche Vorgaben, wie lange und wie schnell ein Hersteller Ersatzteile liefern muss. Die geforderte gesetzliche Verpflichtung sollte zumindest für betriebswichtige Ersatzteile in Antrieb, Fahrwerk und Elektronik gelten.
Um zu gewährleisten, dass für eine Reparatur nicht nur die Ersatzteile vorhanden sind, sondern auch die Reparierbarkeit sichergestellt ist, sollten auch Fahrzeuge zudem unter die im Jahr 2024 verabschiedete EU-Richtlinie zum "Recht auf Reparatur" fallen. Dann könnten die Verbraucher auch die Reparatur von den Herstellern der Fahrzeuge verlangen.