Krank am Wochenende: Wie gut hilft der ärztliche Bereitschaftsdienst?

Volle Wartezimmer in ärztlichen Bereitschaftspraxen sorgen für Unmut ∙ Bild: © iStock.com/simonkr, Video: © ADAC e.V.

Der ärztliche Bereitschaftsdienst soll helfen, wenn Arztpraxen zu sind – zum Beispiel am Wochenende oder abends. Wie bekannt und hilfreich ist dieser Dienst? Der ADAC hat 2000 Besucherinnen und Besucher von Bereitschaftspraxen zu ihren Erfahrungen befragt.

  • Nur im akuten Notfall 112 anrufen, sonst Bereitschaftsdienst unter 116 117

  • Problem der knapp 800 Bereitschaftspraxen: Wartezeiten

  • Tipps für Patienten und Vorschläge für bessere Steuerung

Wann ist welcher Notdienst zuständig?

Was tun, wenn man krank wird am Wochenende, Feiertag oder abends? Wenn es sich um einen akuten Notfall (zum Beispiel Herzinfarkt oder starke Atemnot) handelt, muss der Notruf 112 alarmiert werden. Doch auch mit Erkrankungen, die nicht lebensbedrohlich sind (etwa hohes Fieber), können Patientinnen und Patienten oft nicht warten, bis die Arztpraxen wieder öffnen. Dann ist der ärztliche Bereitschaftsdienst zuständig, organisiert von den Kassenärztlichen Vereinigungen. Über die bundesweit einheitliche Hotline 116 117 (ohne Vorwahl, kostenlos im Festnetz und per Handy, rund um die Uhr) und die Website 116117.de* sind rund 800 Bereitschaftspraxen in ganz Deutschland zu finden.

Das Angebot der Bereitschaftspraxen soll verhindern, dass die Notaufnahmen der Krankenhäuser überlastet werden mit Patientinnen und Patienten, bei denen kein echter Notfall vorliegt. Dieses Konzept funktioniert allerdings nur, wenn die Menschen den Bereitschaftsdienst kennen und von diesem nach einer zumutbaren Wartezeit gut versorgt werden. Beides ist nicht immer der Fall, wie eine Studie des ADAC zeigt. Dafür wurden in Deutschland 2000 Erwachsene zu ihren Erfahrungen befragt, die 2022 in einer ärztlichen Bereitschaftspraxis behandelt wurden oder ein Kind oder eine ältere Person dorthin begleitet haben.

Hotline 116 117 und Website zu unbekannt

Zunächst wurde bei der ADAC Studie untersucht, wie bekannt die Rufnummer des Bereitschaftsdienstes ist. Dazu wurden 1015 Personen aus der gesamten Bevölkerung in Deutschland befragt. Ergebnis: Nur ein knappes Drittel (31 Prozent) kann die bundesweit einheitliche Telefonnummer 116 117 korrekt nennen. Gestützt gefragt, also unter Nennung der Nummer, können sich immerhin zwei Drittel daran erinnern.

Die meisten gehen direkt in die Praxen: Von den Besucherinnen und Besuchern in ärztlichen Bereitschaftspraxen haben nur 22 Prozent zuvor bei der 116 117 angerufen. Dieses Telefongespräch fanden dann aber zwei Drittel (sehr) hilfreich.

Noch weniger Befragte kennen die Website 116117.de* (neun Prozent) sowie die 116117-App (vier Prozent), wobei die Bekanntheitswerte in jüngeren Altersgruppen und in Haushalten mit Kindern höher liegen.

Notaufnahme: Oft die falsche Adresse

Die falsche Nutzung von Notaufnahmen zeigte sich bei der Befragung als Knackpunkt. Sogar unter den Menschen, die im Jahr 2022 eine ärztliche Bereitschaftspraxis aufgesucht haben, gibt noch knapp jeder Vierte (23 Prozent) an, künftig den Gang in eine Notaufnahme zu erwägen, wenn es sich nicht um ein akutes oder gar lebensbedrohliches medizinisches Problem handelt. In die Bereitschaftspraxis würden 48 Prozent erneut gehen. Nur 38 Prozent wollen vorher bei der 116 117 anrufen, 34 Prozent im privaten Umfeld um Rat fragen und 31 Prozent eine Apotheke ansteuern. Einen Anruf in der Hausarztpraxis würden 19 Prozent versuchen (zum Beispiel, um Anweisungen über die Bandansage zu erhalten), und 13 Prozent wollen die Notrufnummer 112 wählen.

Zufrieden mit Hilfe, Kritik an Wartezeit

Von den Besucherinnen und Besuchern der ärztlichen Bereitschaftspraxen war insgesamt mehr als die Hälfte (59 Prozent) zufrieden oder sogar sehr zufrieden. Knapp zwei Drittel (65 Prozent) haben den Eindruck, dass ihnen (sehr) gut geholfen wurde. Die Zufriedenheit steigt mit zunehmendem Alter der Befragten an.

Für Unmut sorgen jedoch die manchmal sehr vollen Wartezimmer. Zwar warteten 37 Prozent der Befragten nur bis zu 15 Minuten in der Praxis. Im Schnitt betrug die Wartezeit 30 Minutenzumindest für Menschen mit dringenden Problemen wie zum Beispiel hohem Fieber oder starken Schmerzen eine lange Zeit. Zu Stoßzeiten kann es noch deutlich länger dauern: 11 Prozent warteten über eine Stunde. Einzelne Betroffene berichteten sogar von vier Stunden Wartezeit mit dem 85-jährigen Vater mitten in einer Großstadt oder über zwei Stunden mit der hoch fiebernden Tochter. Die Ergebnisse zeigen: je länger die Wartezeit, desto unzufriedener die Patienten.

Lange Warteschleifen werden auch beim telefonischen Service unter der 116 117 mit Abstand am häufigsten moniert: 57 Prozent der Anruferinnen und Anrufer sahen hier Verbesserungspotenzial gegenüber nur 23 Prozent bei der Kompetenz des Ansprechpartners am Telefon und 15 Prozent bei dessen Freundlichkeit.

Praxis im Schnitt zehn Kilometer entfernt

Die Strecke, die Patientinnen und Patienten zur Bereitschaftspraxis zurücklegen, beträgt im Schnitt rund 10 Kilometer. Mehr als 20 Kilometer fahren müssen 12 Prozent. 39 Prozent finden eine Bereitschaftspraxis nur bis zu 5 Kilometer entfernt. Mehr als drei Viertel der Befragten (78 Prozent) sind mit dem Auto zur Bereitschaftspraxis gefahren.

In ländlichen Gegenden (Wohnorte unter 5000 Einwohner) sind es im Durchschnitt 14 Kilometer Strecke. Die Entfernung in Kilometern ist umso größer, je ländlicher die Gegend – allerdings dauert die Anfahrt auf dem Land nicht länger als in der Stadt und auch bei der Wartezeit gibt es kaum Unterschiede.

Tipps für Patienten: Wann 116 117 anrufen?

Basierend auf den Ergebnissen der Befragung hat das Team der ADAC Studie diese Tipps für Patientinnen und Patienten zusammengestellt:

  • Wer außerhalb der Öffnungszeiten von Arztpraxen medizinische Hilfe braucht, sollte sich in eine ärztliche Bereitschaftspraxis begeben – und nur in akuten/lebensbedrohlichen Notfällen in eine Notaufnahme, um dort eine Überlastung durch Patienten mit leichteren Erkrankungen zu vermeiden.

  • Zunächst anrufen unter der Nummer 116 117 sollte, wer vorab Fragen hat (etwa zur Dringlichkeit) oder spezielle Anforderungen: Bei stark eingeschränkter Mobilität ist zum Beispiel auch ein Hausbesuch durch den fahrenden Bereitschaftsdienst möglich.

  • Auf der Website des Bereitschaftsdienstes 116117.de* kann man unter "Bereitschaftspraxen suchen" eine geeignete Praxis ausfindig machen und dabei neben Allgemeinärztinnen und -ärzten auch gezielt filtern nach Fachrichtungen wie zum Beispiel Kinderärztinnen oder Orthopäden.

  • Ein sehr dringliches Anliegen (zum Beispiel Kind mit hohem Fieber) sollte man an der Rezeption der Bereitschaftspraxis klar äußern, um schneller behandelt zu werden – sofern möglich.

  • Wer lediglich ein Attest oder regelmäßig ein bestimmtes Rezept benötigt, sollte dies nach Möglichkeit rechtzeitig über die Hausarztpraxis abwickeln und den ärztlichen Bereitschaftsdienst meiden.

Mehr Info und bessere Patientensteuerung

Grundsätzlich sollten Patientinnen und Patienten noch besser informiert werden, wann der Bereitschaftsdienst (Telefon 116 117) und wann die Notaufnahme (Telefon 112) die richtige Adresse ist, um falsche Zuordnung aufgrund von Unwissenheit zu vermeiden.

Mittelfristig ist nach Ansicht des ADAC Studienteams ein integriertes System die bessere Alternative, bei dem die Patienten – egal, welche Nummer sie wählen – zum richtigen Ansprechpartner geleitet und adäquat versorgt werden. Weiter verfolgt werden sollte daher das Konzept eines gemeinsamen Notfallleitsystems (GNL), um über eine zentrale Anlaufstelle eine effektive Patientensteuerung zu gewährleisten.

Ein Reformkonzept hierzu ist beim Bundesgesundheitsministerium in Arbeit. Eine Expertenkommission hat in Vorbereitung darauf Empfehlungen für die Notfallversorgung* vorgelegt. Diese sehen unter anderem vor, flächendeckend integrierte Leitstellen (ILS) aufzubauen, die Patienten nach telefonischer oder telemedizinischer Ersteinschätzung der am besten geeigneten Stelle zuweisen. An Krankenhäusern sollen integrierte Notfallzentren (INZ) aus Klinik-Notaufnahme, kassenärztlicher Notfallpraxis und zentraler Entscheidungsstelle entstehen.

Telemedizin und Online-Buchung ausbauen

Digitale Hilfsangebote könnten laut ADAC Studie künftig Bereitschaftspraxen und damit indirekt Notaufnahmen entlasten. Sinnvoll sei eine Stärkung der Telemedizin, bei der zum Beispiel für die ärztliche Fernuntersuchung das Smartphone genutzt wird, um per Bild und Ton die Symptome einschätzen zu können. Die Studie zeigte, dass 14 Prozent der Deutschen bereits Erfahrung mit Telemedizin haben. Jüngere Altersgruppen können sich eine zukünftige Nutzung eher vorstellen: 40 Prozent der Befragten unter 35 Jahren halten es für (sehr) wahrscheinlich, Telemedizin in den nächsten Jahren zu nutzen, aber nur 16 Prozent in der Altersgruppe 65 und älter.

Sinnvoll sein könnte eventuell auch der Aufbau eines Terminbuchungssystems für ärztliche Bereitschaftspraxen, um Wartezeiten zu reduzieren und das Patientenaufkommen besser zu steuern. Einen derartigen Online-Service wie zum Beispiel Doctolib haben bereits 36 Prozent der Befragten genutzt.

Trotz des bekannten Personalmangels sollte nach Ansicht des ADAC Studienteams versucht werden, möglichst mehr Kräfte in den Stoßzeiten für die 116 117 Hotline und in den Bereitschaftspraxen einzusetzen, um Wartezeiten zu reduzieren, die Erreichbarkeit zu erhöhen und dadurch ein Ausweichen von Patienten auf die Telefonnummer 112 oder in Notaufnahmen zu vermeiden.

So wurde die ADAC Studie durchgeführt

Mit der Untersuchung und Auswertung beauftragte der ADAC die komma Forschungs- und Beratungsgesellschaft mit Sitz in München. Einen Online-Fragebogen ausgefüllt haben im Januar und Februar 2023 dafür 1015 Personen ab 18 Jahren aus der Gesamtbevölkerung in Deutschland sowie 2000 Personen ab 18 Jahren, die im Jahr 2022 in einer ärztlichen Bereitschaftspraxis behandelt wurden oder eine hilfsbedürftige Person begleitet haben. Das Thema Corona war im Berichtszeitraum der Befragung nur in wenigen Fällen der Hauptgrund für die Nutzung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes.

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